Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
Скачать книгу
es ist die Stimme der Internen Sicherheit. Und wenn ich mich nicht irre, ist das Verräter-Problem eine Angelegenheit ebendieser.“

      Kerrim tauchte wie ein kaum wahrnehmbarer Schatten aus der Luke zu den Mannschaftsunterkünften. Chara sah ihn nur, weil seine Gegenwart gewöhnlich ein seltsam vertrautes Gefühl in ihr auslöste. Musste an der Blutsbruderschaft liegen, die mittels Magie zu einer endgültigen Sache gemacht worden war.

      Der Bruder näherte sich ihnen nicht. Er schlenderte scheinbar arglos übers Hauptdeck und warf dem zweiten Maat in der Takelage eine Grimasse zu. Was auch immer er damit sagen wollte … fest stand, dass seine Ohren so spitz waren wie die einer Fledermaus. Und dass er ganz erpicht darauf war, jedes Wort mitzubekommen, das hier an der Reling gesprochen wurde.

      „Denkt nochmal darüber nach, was es bedeuten würde, das Wissen der Dragatisten zu nutzen“, kam sie zum Thema zurück. „Du und Darcean … ihr beide seid wichtig. Als Vorbilder für andere, insbesondere die Elfen, als Ausgleich für mich in diesem Kommando. Wenn ihr eine Alternative für unser Verräterproblem habt, bin ich die erste, die euch dabei hilft, die Sache anzugehen. Aber wenn nicht …“

      „Wir können dir nicht mehr vertrauen, Chara, verstehst du das denn nicht?“ Siralen warf den Kopf zurück, dass ihr die Silbersträhnen wie fließende Seide in den Nacken fielen. Dann atmete sie durch. „Ich spreche noch einmal mit Darcean. Er steht deinem Ansuchen einen Akzent wohlwollender gegenüber als ich. Wenn er dafür stimmt, dann bin auch ich auf deiner Seite. Aber es wäre der blanke Wahnsinn. So, nun muss ich allerdings noch jemanden empfangen.“ Damit ließ sie Chara mit sich alleine und trabte Richtung Kapitänskajüte davon.

      Kaum, dass Siralen verschwunden war, stand Kerrim neben ihr.

      „Ja?“, forderte Chara ihn zum Sprechen auf.

      „Nur dass du dich wieder ainmal bewegest auf seher dünnem Ais, Schwesterchen.“

      „Du meinst, es wird langsam eng auf der Meerjungfrau.“

      Er zuckte mit den Schultern. „Noch ist es nicht ganż so ħaikel, würde ich sagen. Alles kħain Problem. Aber es kħönnte werden demnächst ain bisschen ungemütlich, ja.“ Ein Grinsen, dann ließ er seine Hände in den Taschen seines dünnen Mantels verschwinden. „Was auch immer, du kħannst auf jeden Fall żählen auf mich, wie du waißt. Aber Lindawen …“

      „Werde ich einweihen.“

      „Daine Entschaidung. Ich ħoffe, dass er am Ende ist auf unserer Saite. Ich möchte ihn auf kħainen Fall ħaben als Gegner.“

      Chara musterte das Gesicht ihres Bruders. „Verstehe. Würde mir auch nicht gefallen. Sonst alles in Ordnung?“

      Kerrim verlagerte das Gewicht auf das andere Bein. „Wieso fragest du?“

      „Nur so. Du wirkst ein bisschen neben dir.“

      „Was ich?“

      „Nein, Al’Jebal …“

      „Mach kħaine Witże über den Namai.“

      „Dein Namai, mein Auftraggeber.“

      „Daran werde ich mich nicht ainmal gewöhnen in ħundert Jahren.“ Er trat von der Reling zurück. Offenbar hatte er fertig geredet. War zu erwarten gewesen. Kerrim redete nicht gerne über sich. Er redete überhaupt nicht über Privates, wenn er einen Ausweg sah. Nur einmal hatte er ausgepackt und ihr von seinen Anfängen als Al’Jebals Hatschmaschin erzählt. Das hatte Chara auf eine einzigartige Weise berührt, auch wenn es vordergründig um einen eitrigen Zehennagel gegangen war. Im Grunde wusste sie aber, dass der Hatschmaschin, der keine Skrupel kannte, wenn es um die Erfüllung seiner Pflichten ging, keinerlei Nähe zuließ, egal ob Bruder und Schwester oder nur Kollege. Und das, warum auch immer, störte sie.

      „Gute Nacht, Kerrim.“

      Er drehte sich um und fixierte sie mit seinen dunkelbraunen Augen. „Schlaf schön, Schwesterchen.“

      Schlafen. Genau das wollte sie jetzt. So sehr, dass ihr Körper bei dem Gedanken daran schmerzte.

      Nach ihrem Gespräch mit Chara hatte sich Siralen in die leere Kapitänskajüte zurückgezogen. Tauron war, wie erwartet, noch nicht zurück von seinem Dienst. Sie hingegen nutzte die Zeit, um einen Anwärter auf den Posten des Adjutanten zu empfangen. Es war wohl Ironie, dass ausgerechnet sie, eine Kommandantin aus dem Volk der Elfen, welches von sich selbst dachte, über den Menschen zu stehen, auf der Suche nach einem menschlichen Ratgeber war. Und das, nachdem sie einst verzweifelt nach einem würdigen Stellvertreter gesucht und diesen auch gefunden hatte. Doch der hatte sich leider von ihr abgewandt, weil sie, so die fadenscheinige Begründung, zu vermenschlicht war, während ihr jetziger Stellvertreter ewig dazu überredet hatte werden müssen, den Posten anzunehmen, weil er mit dem Menschen im Kommando nicht zurechtkam. Nur um jetzt, da er endlich an ihrer Seite stand und kämpfte, von einem Slarpon okkupiert zu werden, wegen der Erbärmlichkeit eines Barden, der nur Dummheiten im Kopf hatte.

      Es klopfte, und Siralen richtete sich auf dem Stuhl hinter Taurons Schreibtisch auf.

      „Tretet ein!“

      Die Tür öffnete sich zögernd, und auf der Schwelle stand ein Mann mit dunkelblondem Haar. Kaum der viel erwähnten menschlichen Pubertät entflohen, aber von deutlich reiferen Zügen als es der erste Eindruck vermuten ließe. Seine Statur wirkte beinahe etwas schmächtig für einen Soldaten, aber die Proportionen harmonierten.

      „Orsen Talbot von der sechsten Kompanie des zweiten Bataillons“, gab er bekannt. Siralen winkte ihn zu sich. Er schloss die Tür gewissenhaft und trat an den Schreibtisch heran. Sie musterte ihn schweigend und wartete darauf, dass er die rechten ersten Worte fand. Was möglicherweise nicht gerecht war, aber auch nicht schaden konnte.

      „Ihr habt nach einem Adjutanten verlangt.“ Er hob das glattrasierte Kinn ein Stück und nahm Haltung an. „Hier bin ich also.“

      Selbstbewusst genug für sein Alter, aber noch weit davon entfernt, erwachsen genug zu sein, um über den Dingen zu stehen.

      „Ihr seid einer der wenigen Überlebenden der Schlacht gegen die Scorpios?“

      „Richtig.“

      „Warum wollt Ihr diesen Posten?“

      „Ich möchte so viel wie möglich zum Gelingen dieser Mission beitragen.“

      Siralen unterdrückte ein Gähnen. „Lasst es mich anders formulieren: Warum wollt Ihr einer elflischen Befehlshaberin dienen?“

      Jetzt wirkte Talbot fast peinlich berührt.

      „Ich …“ Er straffte seine Schultern. „Ich bin nicht damit einverstanden, was meine Kameraden gegen Euch angezettelt haben oder über Euch und Euer Volk denken.“

      „Was denken sie denn?“ Als ob sie das nicht wüsste.

      Ein leises Räuspern. „Nun, sie denken, Euer Volk sei ungeeignet, um Soldaten zu befehligen. Besonders solche menschlichen Bluts. Die Elfen seien zu wenig kriegerisch … Ihr versteht?“

      „Was hätte ich, Eurer Meinung nach, an Euren Worten missverstehen können?“

      „Vergebung.“ Er senkte den Kopf, hob ihn aber rasch wieder.

      „Ich halte diese Einstellung für dumm und kurzsichtig. Außerdem schadet sie dem Grundgedanken, für den wir in diesem Krieg kämpfen.“

      „Und der wäre?“

      „Einheit und Frieden für alle, die auf Seiten der Ordnung stehen.“

      Siralen nickte und stand auf. „Wie könntet Ihr mir als Adjutant behilflich sein?“

      Jetzt sah er ihr aufrecht ins Gesicht, und sie meinte etwas zu erkennen, das mehr war als bloßer Gehorsam. Orsen Talbot sah aus, als hätte er ein persönliches Interesse an diesem Posten. Welches, das war nicht auszumachen.

      „Ich würde Euch, soweit es in meiner Macht steht, beratend zur Seite stehen. Ich kenne