Chroniken von Chaos und Ordnung. Band 6: Irwin MacOsborn. Legende. J. H. Praßl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J. H. Praßl
Издательство: Bookwire
Серия: Chroniken von Chaos und Ordnung
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783948695712
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viele denken, die risikofreie Theorie hielte der Praxis stand.“

      Siralen hockte sich neben den Barden und rümpfte die Nase. „Das gefällt mir nicht.“

      „Sei nicht so streng mit ihm. Er hatte einiges zu verdauen.“

      „Ich meinte deinen Plan, Chara.“

      „Ach so.“

      Irwins Augen öffneten sich kurz und schlossen sich dann gleich wieder.

      „Er stellt sich schlafend.“

      „Wenn es ihm dann besser geht …“ Chara stand ruckartig auf. „Wir bekommen Besuch.“

      Siralen ließ den Barden Barden sein und spähte zum Zelteingang. Ein leises Rasseln war zu hören. Dann wurde die Plane zur Seite gerissen und ein roter Scorpio zeichnete sich in gewaltiger Präsenz vor dem einfallenden Sonnenlicht ab. Dahinter waren die Schatten einiger großer Schwarzer zu erkennen.

      Wieder erklang der seltsam rasselnde Laut. Leider konnte Siralen nichts verstehen. Was sie auch sofort deutlich machte, indem sie hilfesuchend die Schultern und Hände hob. Dann deutete sie auf den Slarpon. Es folgten weitere Rassel- und Zischlaute. Und endlich wurde die Kreatur auf ihrer Schulter rege und begann zu übersetzen – in ihrem Kopf, ihren Gedanken.

      „Wasss wollt ihr?“, kam die Frage, die unangenehm vertraut in ihren Ohren widerhallte. Das letzte Mal hatte sie ein nicht gerade erbauliches Gespräch eingeläutet. Indes, der Inhalt der Frage materialisierte sich auf faszinierende Weise in ihrem Geist. Wie eine Art ganzheitlicher Ein- oder Abdruck, der sich aus Bild, Ton und Empfindung speiste. Der Slarpon selbst mochte grausig sein, seine Veranschaulichung fremder Gedanken und Worte war wundersam und faszinierend.

      „Wir suchen Verbündete für den Krieg in unserer Heimat“, erwiderte sie und entschloss sich, keine großen Reden zu schwingen.

      Chara trat einen Schritt auf den Roten zu. „Was hat er gesagt?“

      „Er wollte wissen, was wir wollen.“

      „Wer ssseid ihr?“ Und weiter ging es in ähnlicher Manier wie am Grunde des Ozeans beim Großkönig der Fischmenschen.

      „Wir kommen aus einer Welt jenseits des großen Sturms. Ich bin vom Volk der Elfen und Chara …“

      „Tisssahnen.“

      „Wie bitte?“

      Das Gesicht des Scorpios verzog sich zu einem verächtlichen Ausdruck. „Ssseid ihr Tisssahnen oder deren Abkömmlinge?“

      Siralen holte tief Luft und übersetzte für Chara.

      „Wovon redet er?“, kam die erwartete Frage.

      „Mache ich etwa den Eindruck, als hätte ich ihn verstanden?“

      „Ihr Elfen macht häufiger den Eindruck, als hättet ihr nichts verstanden. Und doch begreift ihr mehr, als man meinen könnte.“

      Siralen hätte Chara ein, zwei Wörtchen Ilf beigebracht, wenn sie nicht in einer derart prekären Situation gewesen wären.

      „Ihr sssucht Helfer?“, zischte der Rote und beantwortete sich seine Frage selbst: „Dann ssseid ihr keine Tisssahnen.“

      „Was sind Tisssahnen?“, fragte Siralen und versuchte, das Wort möglichst so auszusprechen, wie der Scorpio es in ihrem Kopf hinterließ.

      Wieder war da dieser verächtliche Ausdruck auf seinem Gesicht. Aber da war auch etwas, das aussah wie Respekt, was bei einem Wesen wie diesem nicht unbedingt zu erwarten war.

      „Mächtige Wesssen auf zssswei Beinen. Wesssen, die keine Hilfe von anderen Wesssen brauchen.“

      Siralen hatte das Gefühl, als würde eine Erkenntnis zaghaft an die Tür ihres Verstandes klopfen, sich aber nicht durchsetzen können.

      „Ihr riecht andersss. Ihr ssseid ein ssschwacher Abklatsssch der Tisssahnen“, meldete sich der Rote erneut zu Wort. „Ihr habt keine Macht.“

      Das schien ein Standardspruch jenseits des Großen Abgrunds zu sein. Resigniert übersetzte Siralen für Chara.

      „Wer genau von uns hat keine Macht?“, wollte die Assassinin wissen, und Siralen gab die Frage vorsichtig weiter.

      „Niemand. Am Allerwenigsssten die, die die Umgebung mit den bloßssen Gedanken verändern können.“

      „Er meint die Zauberkundigen“, seufzte Siralen. Sie fühlte schon jetzt, wie sie das Gespräch zermürbte. Wieso war nichts je einfach?

      Der Rote kniff die Augen zusammen – als wollte er seinen Worten einen besonderen Nachdruck verleihen. „Nur eure Metall-Krieger sssind ssstark.“

      „Na, immerhin haben die MacDragul Eindruck gemacht“, bemerkte Chara, nachdem Siralen die Übersetzung wiedergegeben hatte. „Womit wir beim ersten Punkt sind, der sie interessieren könnte. Das sind Kämpfer, keine Denker. Was die interessiert sind andere Kämpfer, die eine Bedrohung für sie und ihr Herrschaftsgebiet darstellen könnten.“

      Siralen nickte. Ein Segen, dass Chara nicht verstanden wurde. So konnte wenigsten sie sagen, was sie dachte. Vielleicht kamen sie ja auf diese Weise zu einer Lösung.

      „Ssschangra“, zischte der Scorpio. Dann folgte die eigentliche Frage: „Woher kennt ihr ihn?“

      „Sag es ihm“, drängte Chara, als Siralen seine Frage wiederholt hatte.

      „Er war in unserer Heimat. Er kämpfte an unserer Seite gegen unseren Feind.“

      Die Zeltplane schwang zur Seite und einer der braunen Scorpios betrat den Eingangsbereich. Er war etwas größer als der Rote, aber kleiner als die Schwarzen. Und er sagte nichts, tat nichts. Der Rote setzte das Gespräch fort, als wäre nichts gewesen.

      „Wo issst er?“

      „Er wurde krank“, gab Siralen zu. „Und starb. Es tut uns leid.“

      „Nein, tut es nicht“, bemerkte Chara. „Behaupte nichts, das schwach wirkt.“

      „Wieso sollte Mitgefühl eine Schwäche sein?“

      „Mitleid ist eine Schwäche. Jedenfalls in ihren Augen.“

      Siralen blies sich entnervt eine ihrer kinnlangen Strähnen aus dem Gesicht. „Vielleicht bin ich nicht die Richtige, um …“

      Sie spähte zu dem roten Scorpio zurück, der sie und Chara beobachtete, als müsste er ihre Bedeutsamkeit einer eingehenden Prüfung unterziehen. Noch fiel sein Urteil ganz eindeutig ernüchternd aus: Unbrauchbar.

      „Wiessso kämpfte er an eurer Ssseite?“, wollte er wissen.

      „Weil unsere Seite für die Rettung der Welt kämpft, und die andere für deren Zerstörung“, antwortete Siralen.

      Eine Weile fiel kein Wort. Die beiden Scorpios starrten sie nur an. Dann stieß Irwin erneut ein leises Wimmern aus, das sogar für diese fremden Wesen als ein Ausdruck der Angst zu interpretieren war. Was, so stand zu befürchten, nicht unbedingt auf Wohlwollen traf.

      „Wie sssah er ausss?“

      Siralen sah den Roten unschlüssig an.

      „Welche Farbe hatte er?“

      Ach das! Leider wusste sie darauf keine Antwort und schwieg. Der Rote schien das ebenfalls bedauerlich zu finden. Und damit wusste er vermutlich alles, was er wissen wollte. Doch offensichtlich war er noch nicht fertig mit ihnen.

      „Wiessso sind Blaksss unter euch?“, zischte er bedrohlich.

      „Ich verstehe nicht …“

      „Was sagt er?“, drängte Chara.

      „Ich versuche, mich hier zu konzentrieren, Chara. Würdest du bitte …“

      „Wiederhol’s einfach.“

      Siralen stöhnte auf. „Er will wissen, weshalb Blaksss unter uns sind.“