„Ja, ich kann Euren Fuß sehen, MacOsborn“, kam es wie zum Hohn. „Steht auf! Geht und bittet darum, dass er den Slarpon vorbereitet. Und danach bringt ihr ihn zu Siralen.“
Vorsichtig schob er den Kopf hervor. „Wo soll ich den Slarpon denn holen?“
„Bei dem Gelehrten mit dem gläsernen Behältnis neben seiner Lagerstatt. Und für alle, die zu ignorant sind, um Namen zu behalten, er heißt Garan Lefnui.“
„Aber …“
„Keine Ausreden, MacOsborn!“
Grummelnd stand Irwin auf. Ich bin Barde, kein Wasserträger! Genau das war es, was er an den Elfen nicht mochte. Die dachten, sie wären etwas Besseres. Dabei war er nicht nur der berühmteste Barde Albas, sondern auch ein Adeliger.
Als er den Gelehrten mit dem Slarpon gefunden hatte, stieß er ein missmutiges Brummen aus. Ja, so hatte er sich das vorgestellt. Nichts als ein viel zu dünnwandiger Glasbehälter gefüllt mit irgendeiner bläulichen Flüssigkeit trennte dieses ekelige, glitschige und obendrein noch gefährliche Riesenspermium von dem armen Teufel, der es transportieren musste.
„Bitte für das werte Kommando vorbereiten“, brachte er sein Anliegen vor, als er vor den Gelehrten hintrat.
„Natürlich. Dauert ein halbes Glas.“
Der Gelehrte war freundlich, das musste man ihm lassen. Irwin setzte sich in sicheren drei Schritt Entfernung auf den Boden und beobachtete, wie Lefnui behutsam in der Flüssigkeit herumrührte. Dann schüttete er irgendetwas hinein. Und schließlich hieß es Warten, was Irwin nur recht war. Leider war das Warten irgendwann zu Ende.
Lefnui überreichte ihm das Behältnis, als handelte es sich dabei um den Reichsapfel des albischen Königshauses. „Geht behutsam damit um“, bat er flehentlich. Irwin hörte ihm nur mit halbem Ohr zu. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, den Behälter so anzufassen, dass es möglichst wenig Berührungsfläche zwischen dem Glas und seinen Händen gab. Wer wusste schon, ob das Ding hielt, was es versprach.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, machte er sich auf den Weg zu Darcean und dem Rest des Kommandos. Schnell, schnell, weg mit dem Vieh! Den Slarpon so weit wie möglich von seinem Körper weghaltend galoppierte er Richtung Kommandolager, wo er umgehend Siralen ansteuerte. Als er über die Schulter lugte, sah er Lefnui, der ihm eiligst folgte.
„Ich habe, was Ihr wolltet …“, rief er nach vorne. Dann … seine Zehen! Wo …
Irwin stolperte. Im Fallen hoffte er noch darauf, dass Garan Lefnui ihn auffangen würde, doch anscheinend war der Gelehrte zurückgefallen. Stattdessen sprang Darcean auf und griff nach ihm. Zu spät! Das Glasbehältnis rutschte ihm aus den Fingern, kippte und fiel. Es krachte auf den Felsboden und zersprang in tausend Scherben. Noch während Irwin zu Boden ging wie ein geschlagener Held, sah er, wie der Slarpon auf einer kleinen Welle aus dem Glas schwappte, wie sein langer, ekelhafter Schwanz wie wild zu zucken begann und das Vieh richtig schnell wurde. Zu seinem Glück reagierte der Slarpon nicht auf ihn, sondern auf Darcean. Zu seinem Pech hatte sein Glück weitreichende Konsequenzen. Zu aller Leute Entsetzen geschah genau das, was man bei einem Slarpon, der unter erheblichem Stress stand, annehmen musste. Er suchte nach einem Wirt, der ihn vor dem Tod bewahrte. Und dieser Wirt hieß Darcean Dahoccu.
Noch ehe der Elf seine Hände zurückziehen konnte, schoss das Tier seinen schlanken Körper hoch, schlang ihm den Schwanz um den Hals und ließ die Spitze unter seinen Kragen zucken. Was danach kam, wusste man, wenn man beim Slarponunterricht achtgegeben hatte. Überraschenderweise hatte Irwin das. Das Vieh verband sich mit Hilfe seines Schwanzes und den darauf befindlichen feinen Härchen mit Darceans Rückgrat. Es war eine so gewaltsame Übernahme, dass der Elf aufstöhnte und auf die Knie fiel. Drei Herzschläge lang starrten ihn alle an. Auch der bleichgewordene Lefnui, der endlich auch am Ort des Geschehens eingetroffen war.
„Ihr gedankenloser, selbstherrlicher, völlig verblödeter Albi!“
Es war Siralen, die tobte. Und eines gab Irwin zu denken: Die Elfe tobte nicht, nie.
Siralen war hundemüde. Die magischen Heiler hatten sich gerade um ihre schweren Verletzungen gekümmert, und sie erholte sich langsam von dem Schock der unerwartet aufgetauchten Wesen der Zwischenwelt, die sich (zum Entsetzen aller, die noch nicht völlig verroht waren) auch noch an den halbtoten Soldaten vergriffen hatten. Und nun? Nun war vor ihren Augen das passiert, womit keiner rechnen konnte. Darcean starb nicht durch die Klinge des Feindes, sondern durch die Narretei eines Verbündeten, der sich betrug wie ein Kleinkind. Nach qualvoller Inbesitznahme durch einen Parasiten, der danach trachtete, seine Eier in ihm abzulegen. Ihr Herzensfreund würde sterben.
Siralen kämpfte sich wie Chara auf die Füße. Während die Assassinin Irwin packte und auf die Füße riss, hockte sie sich vor Darcean und nahm seine Hände.
„Dahenecra! Tilve bihelain anan Amja anliu“, flüsterte sie und spürte, wie sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel stahl.
Darcean schluckte, kämpfte gegen das Entsetzen an, das sein Gesicht in eine seltsame Starre gezwungen hatte, und siegte. „Chan nea, Siralen.“ Seine Züge entspannten sich. „Es ist gut. Der Weltgeist hat entschieden. So sei es denn“, fügte er auf Aschranisch hinzu.
Oh guter, weiser Darcean!
Langsam erhob er sich und zog Siralen mit auf die Füße. Er griff nach dem glitschigen Schwanz, der sich schlingengleich um seinen Hals gelegt hatte, und sah, dass der Slarpon sein einziges Auge geschlossen hielt. Ein Blick zu Lefnui und ein stummes Kopfschütteln des Gelehrten bestätigte ihm seine Befürchtungen: Das Vieh würde sich nicht wieder abnehmen lassen.
„Dann werde ich wohl mit dir leben und sterben müssen“, flüsterte Darcean. „Ich hoffe, dein Dasein hat eine Berechtigung, die mir noch nicht offenbar ist. Denn wenn sich dein Nutzen darauf beschränkt, uns lediglich als Übersetzer zu dienen, wäre mein Opfer blanker Hohn.“
Siralen fuhr zu Irwin herum. „Was habt Ihr Euch eigentlich dabei gedacht, mit diesem unhandlichen Gefäß über Stock und Stein zu laufen wie ein Verrückter, und keinen Gedanken an Eure und unsere Sicherheit zu verschwenden? Als hätten wir nicht auch ohne Euch genug Probleme. Wieso nur seid Ihr ein so unsäglich impertinenter Albi!“
Irwin stand mit zittrigen Knien neben Chara, die ihn zwar am Kragen gepackt hatte, aber nicht so aussah, als würde sie mit ihm ins Gericht gehen wollen. Vielmehr hatte es den Anschein, als helfe sie ihm dabei, die Haltung zu bewahren.
„Ich … es tut mir …“
„Verschwindet! Geht mir aus den Augen.“ Siralen wandte sich ab und griff erneut nach Darceans Hand. „Wir sprechen jetzt mit einem Heiler.“
„Der wird Euch nicht helfen können“, bemerkte Lefnui mit zittriger Stimme.
Chara ließ Irwin los und gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er besser daran tat, Land zu gewinnen.
„Kann sein, dass ein Heiler hier am Ende ist. Wir sind es noch nicht. Wir bekommen das Ding von dir runter, Darcean. Ohne, dass du dabei draufgehst.“
Der Barde schlug einen großen Bogen um Siralen und Darcean und trottete wie ein begossener Pudel von dannen. Chara setzte sich wieder auf ihr Lager und machte es sich bequem. „Wir sollten uns mit dem Brigadier besprechen und danach eine Weile schlafen. Weiß jemand, wo Lindawen ist?“
Siralen schüttelte den Kopf. Als hätte ihr der Lichtjäger je gesagt, wohin er wann ging. Sie hatte das Gefühl, Lindawen verschloss sich ihr, und auch anderen, mehr denn je. Vielleicht, weil Chara mehr denn je auf Abstand ging. Jedenfalls in letzter Zeit.
„Du willst mir helfen?“, fragte Darcean. Er musterte Chara argwöhnisch. „Weißt du wie?“
Chara zuckte mit den Schultern. „Noch nicht. Aber es gibt eine Lösung. Irgendeine gibt es immer.“
„Und wie sieht dein Motiv aus?“
Ein