Judentum. Johann Maier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johann Maier
Издательство: Bookwire
Серия: Studium Religionen
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783846340721
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      Nach Gen 22 hat Gott Abraham auf die Probe gestellt, indem er ihm befahl, seinen »einzigen« Sohn, Isaak (im Islam: Ismael), als Ganzbrandopfer darzubringen. Und da Abraham gehorsam war, durfte er anstelle seines Sohnes einen Widder darbringen. In der jüdischen Tradition diente diese Geschichte als Kultätiologie des Sühnopferkults am Jerusalemer Tempelberg, den bereits 2 Chr 3,1–2 mit dem Berg Moria gleichsetzte. An der Stelle dieses Altars soll sich zudem das Grab Adams befinden und christliche Legenden verknüpfen damit auch noch Golgotha. Schon in der Spätantike verbanden sich mit der Opferszene, die auch in Fußbodenmosaiken von Synagogen auftaucht, Motive der Martyrologie. Isaak soll bereits erwachsen gewesen sein und sich dem Gebot Gottes freiwillig gefügt haben. Im Mittelalter kam es gelegentlich zu Selbstmord- und Tötungsaktionen zur Vermeidung von Zwangsbekehrungen. Diese grausame Szenerie wurde als `aqedah verstanden und in einer eigenen liturgischen Gedichtgattung beschrieben, was die emotionale Komponente verstärkt hat. Gen 22,1–24 wird im täglichen Morgengebet rezitiert und dient als Festlesung am Tag II des Neujahrsfestes.

      Mit Abraham und seinen unmittelbaren Nachkommen erreicht der heilsgeschichtliche Verlauf nach Sem eine zweite Verengung, doch die Nachkommenschaft besteht noch nicht aus Erben der Verheißung allein, denn der Ahnherr hatte Kinder von mehr als einer Frau: (1) Ismael, Sohn der Magd Hagar, gilt als Stammvater der Araber und symbolisiert später die islamische Weltmacht. Als geläufige Metapher dafür diente »Wildesel« (pärä′) aus Gen 16,12. Im Islam wird darum die Abrahamsgestalt entsprechend hoch verehrt. (2) Isaak, Sohn der Sarah, gilt als der erste Erbe der Verheißung. Doch auch Isaak hatte zwei Söhne, Zwillinge, (1) den Erstgeborenen Esau und (2) den jüngeren Jakob. Esau verkaufte seine Rechte als Erstgeborener (Gen 25,29–34) dem Jakob, bereute es jedoch und grollt diesem seither.

      Esau gilt als Stammvater von Edom, Seit dem 1.Jh. n.Chr. diente der Name Edom als Bezeichnung für das Römische Reich, später auch für die christliche Weltmacht bzw. für das Christentum überhaupt.

      Jakob, mit dem Alternativnamen »Israel«, wurde (Gen 29–30) zum Stammvater der gleichnamigen 12 Stämme Israels: Reuben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon (Kinder der Lea, dazu als Tochter Dinah); Josef bzw. Manasse und Efraim, Benjamin (Rahel-Söhne); Dan, Naftali (Bilha-Söhne); Gad, Ascher (Zilpa-Söhne).

      Der Jakobssohn Levi gilt als Ahnherr des Jerusalemer Kultpersonals insgesamt. Er ist als solcher ebenfalls schon vor der Sinaioffenbarung im Amt, und seine Investitur erfolgte nach Jub 32 im Himmel. Er empfing von Jakob die Urtraditionen und gab sie seinen Nachkommen weiter. Der priesterliche Autoritäts- und Vorranganspruch wird damit ganz gezielt vor der Torahoffenbarung angesetzt, als vor- und überzeitlich ausgewiesen, in Analogie zur vorzeitlichen Torah, zum Sabbatzyklus und zur Priesterdienstordnung.

      Der nach jüdischer Zeitrechnung im Jahr 2666 angesetzte »Exodus«, hebräischer Sippen aus Ägypten wurde in der Tradition zur Basis einer Befreiungs- und Erwählungsgeschichte der gesamten Jakobsnachkommenschaft »Israel« und zum Modell für Zukunftshoffnungen. Liturgisch wird der Exodus im jährlichen Päsach-Matzot-Fest vergegenwärtigt (s. Teil IV). Das Kollektivbewußtsein der Erwählungsgemeinschaft ermöglicht eine Identifizierung über alle Generationen hinweg: Jeder Israelit soll sich am Päsach-Abend (s. Reader, Nr. 6) so fühlen, als wäre er damals persönlich dabei gewesen. Der Pharao des Exodus, der mit seinem Streitwagenheer in den Fluten des Meeres versank, wurde nach Nimrod zum zweiten Typus des gott- und israelfeindlichen Herrschers. Und da Israel in Ägypten versklavt war, wurde die Befreiung durch den Exodus auch als Befreiung durch Gott und als Erwerb durch Gott verstanden. Israel gilt von daher als Gottes Volk im Sinne eines Sondereigentums (segûllah). Folglich ist im Unterschied zu ′ älohîm (Gott) der Gottesname JHWH auch der besondere Name des Gottes Israels. Aber wie dieses »Tetragramm« JHWH zugleich mit der Gottheit selbst von aller Schöpfung abgehoben wird, wird auch Israel von den anderen Völkern abgehoben.