Zur bewussten Gestaltung von Leseprozessen gehört auch die Anwendung verschiedener Lesestile durch die Lernenden – abhängig von Zielsetzungen und Aufgabenstellungen (→ Kap. 19) für das Lesen. Zu unterscheiden sind, in etwas anderer Formulierung auch im GER dargestellt, grundlegend folgende Stile des Lesens (wie auch des Hörens und des Hör-Sehens):
global (bzw. kursorisch): Die Leser*innen erkennen Thema, Zeit, Raum und Handlung des Textes, zentrale Figuren bzw. Figurenkonstellationen sowie zentrale Textverfahren (bspw. Ironie) und Textsymboliken.
selektiv (bzw. selegierend): Die Leser*innen erfassen bestimmte Informationen des Textes.
detailliert: Die Leser*innen erfassen den Text und seine ‚Machart‘, seine Strukturmerkmale und deren mögliche Funktionen wie Wirkungen möglichst vollständig (vgl. auch Schramm 2008: 160).
Neben dem hier intendierten intensiven Lesen einzelner Texte in der Regel im Unterricht ist auch das extensive Lesen, d.h. die regelmäßige freie Lektüre selbst gewählter Texte in der Fremdsprache, zu fördern (vgl. auch Surkamp 2007: 178, 183); dies nimmt auch der neue Begleitband zum GER in der Skala „Lesen als Freizeitbeschäftigung“ auf. Es kann durch das Bereitstellen einer stets verfügbaren Bücher-, Film- und Hörspielkiste (oder -liste für das digitale Lesen, Hör-Sehen und Hören) unterstützt werden. Auf diese Weise kann eine Motivation zum Mehr-Lesen, zum Noch-einmal-neu- und Wieder-Lesen entstehen, welche eine entscheidende Voraussetzung für den Aufbau und die Entwicklung von Lesekompetenz bzw. Leseverstehen ist (vgl. auch Lutjeharms 2016: 97).
In besondere Nähe zur Fertigkeit Lesen wird in einem handlungsorientierten Verständnis von Fremdsprachenunterricht in der Regel die Fertigkeit Schreiben gerückt.
Bis heute werden die sprachlichen Fertigkeiten oft in rezeptive (Lesen, Hören, auch Sehen) und produktive (Sprechen, Schreiben), mitunter auch in schriftliche (Lesen, Schreiben) und mündliche (Hören, Sprechen) Fertigkeiten unterteilt. Es ist aber deutlich geworden, dass das Lesen (wie das Hören und Sehen) kein passiver, rezeptiver Vorgang, sondern ein produktiver, aktiver Prozess ist. Gleichzeitig weisen Prozesse des Lesens und des Hörens in kognitionswissenschaftlicher Perspektive starke Ähnlichkeiten zueinander auf, obwohl sie dem ‚schriftlichen‘ bzw. ‚mündlichen‘ Bereich zugehören. In der Fremdsprachendidaktik hat sich insofern ein Konsens darüber herausgebildet, dass die einzelnen Fertigkeiten nicht separiert voneinander, sondern integriert zu fördern sind. Mitunter ist auch von ‚Fertigkeitenbündeln‘ die Rede, deren integrierte Förderung den Unterricht bestimmen sollte.
Die Arbeit mit literarischen Texten umfasst in der Regel die integrierte Förderung verschiedener Fertigkeiten. Texte werden gelesen, wobei das Lesen auch das Dekodieren von Symbolen oder (Film-)Bildern, also das Sehen umfasst (vgl. auch Burwitz-Melzer 2007b: 146); Texte werden gehört oder von den Lernenden hörbar gemacht; Texte werden gesprochen oder geschrieben, und es wird über Texte gesprochen oder geschrieben.
Mit Blick auf das Schreiben wird literarischen Texten nachgesagt, dass sie zum bedeutungsvollen, motivierenden Schreibanlass (aber auch Sprechanlass) werden und in besonderer Weise zur Ausprägung der zum Schreiben notwendigen Teilfertigkeiten beitragen können (vgl. auch Surkamp 2007: 185). Eine Motivation zum Schreiben – als Voraussetzung für Aufbau und Entwicklung einer Schreibkompetenz – entstehe wie beim Lesen besonders dadurch, dass die Lernenden beim Schreiben von oder über literarische(n) Texte(n) ihre eigenen Erfahrungen und Persönlichkeiten ins Spiel bringen (→ Kap. 8, 20) und ins Verhältnis zu literarisch beobachteten (neuen) Welten setzen oder sich mit Figuren identifizieren können; sie erleben Spannung, Faszination, Neugier und können Vorstellungskraft wie Kreativität entwickeln (vgl. auch ebd.: 185, 187). Sie experimentieren mit Wörtern, Synonymen, sprachlichen Strukturen und spezifischen Formen der Sprachverwendung (z. B. Metaphern); sie erfahren die Bedeutungsdimensionen formaler Elemente sowie deren mögliche Funktions- und Wirkungsweisen (vgl. ebd.: 188).
Der Schreibprozess – in erster Differenzierung oft als gelenkt oder frei gekennzeichnet – ist an der jeweiligen kommunikativen Funktion des Schreibens orientiert. Unterschieden werden beispielsweise das pragmatische, informative, argumentative, emotive und kreative Schreiben wie auch das Schreiben zum Aufrechterhalten persönlicher Kontakte (vgl. Königs 2017: 300). An die kommunikative Funktion ist die Wahl der Textart gebunden, wobei gerade beim kreativen Schreiben (→ Kap. 20) auch Texte verschiedener Genres entstehen können.
Das Schreiben ist ein zyklisch-rekursiver Prozess, der sich nicht linear, sondern in planerischen und korrektiven ‚Schleifen‘ vollzieht (vgl. ebd.). Unterschieden werden die ineinandergreifenden, nicht nur nacheinander ablaufenden Phasen:
Sammeln und Organisieren von Ideen und Material
Anfertigen eines Konzepts bzw. einer Gliederung
Schreiben und kontinuierliches Überarbeiten
Präsentieren bzw. Veröffentlichen des Textes (vgl. auch Surkamp 2007: 184)
Im Laufe des Schreibprozesses sollen die Lernenden Planungs-, Schreib- und Überarbeitungsstrategien wie auch Präsentationstechniken kennen lernen, sie anwenden und reflektieren. Für ein erfolgreiches Schreiben ist es wichtig, dass Lernende am Beginn eines Schreibprozesses Zweck und Adressat*innen ihres Textes festlegen und realisieren, dass Inhalt, Organisation und Sprachstil des entstehenden Textes von beiden Größen abhängen. Sie sollten das Genre ihres Textes festlegen, um beim Schreiben formale und stilistische Elemente dem jeweiligen Zweck ihres Schreibens entsprechend einsetzen zu können (vgl. auch ebd.). Dafür ist zunächst oft ein textartenspezifischer Input nötig, um Lernenden die typischen Strukturen von Texten bewusst zu machen (vgl. Krings 2016: 110).
Zu bedenken ist seitens der Lehrkraft auch, dass Lernende in der Planungsphase dem Sammeln von Ideen und Material oft größere Aufmerksamkeit als der Auswahl und dem Organisieren oder Gliedern von Material schenken bzw. mit diesem Schwierigkeiten haben. So können Konzepte oder Textgliederungen entstehen, die nicht ausreichend strukturiert sind, was zu Schwierigkeiten in der Schreibphase führen kann. In dieser konzentrieren sich L2-Schreibende zudem stark auf lexikosemantische Fragen, orientiert an der L1 (vgl. ebd.: 109), und auf sprachliche Korrektheit. In der Überarbeitungsphase setzt sich diese Fokussierung fort, inhaltliche oder strukturelle Überarbeitungen finden weniger statt (vgl. auch Abraham/Bräuer 2005: 91). Die Lernenden benötigen hier gezielte Unterstützung für die Formulierungsarbeit, z. B. auch in der Nutzung von Hilfsmitteln wie (elektronische) Wörterbücher und (grammatische) Nachschlagewerke. Die Lehrkraft kann den gesamten Schreibprozess durch die Formulierung strukturierender, differenzierender Aufgaben zum Sammeln von Ideen und Material, zum Schreiben und (gemeinsamen) Überarbeiten steuern.
In der Arbeit mit literarischen Texten sind
das emotive und kreative Schreiben (Briefe, Tagebucheinträge, eigene literarische Texte, die in der Regel anhand eines Impulses oder einer ‚Vorlage‘ entstehen),
das wertende bzw. argumentative Schreiben (Literatur- oder Filmkritik) und
das Schreiben als Lernhilfe