Wie viel Zeit verbringen die Lernenden mit Lesen?
Wie häufig lesen sie Texte, die nicht ausschließlich dem Lesenlernen dienen?
Haben sie beim Lesen klare Leseziele?
Wie viele Textgattungen stehen im Unterrichtsraum zur Verfügung? Wie viele Lernende lesen unterschiedliche Textarten?
Erhalten sie ausreichend Gelegenheit, neue Wörter und Begriffe zu lernen durch Textlektüren, Gespräche über das Gelesene und das Erklären von Wörtern oder Begriffen?
Erhalten sie Anleitungen zum (schnellen und exakten) Erlesen von Wörtern?
Wie häufig schreiben sie Texte mit dem Ziel, sich anderen mitzuteilen? Wird der Zusammenhang zwischen Lesen und Schreiben verdeutlicht?
Werden sie zu qualifizierten Gesprächen über Texte angeregt?
Zum Training von Lesestrategien
Lernen die Lernenden
ihre Leseziele zu erkennen?
den Text vor dem Lesen zu überfliegen?
vor dem Lesen und während des Lesens Vorhersagen zu treffen?
beim Lesen relevantes Wissen heranzuziehen?
während des Lesens laut zu denken?
die Textstruktur zur Unterstützung des Textverständnisses zu nutzen?
visuelle Darstellungen für das Verstehen und Wiedergeben zu verwenden?
die Hauptgedanken des Gelesenen zu erkennen?
das Gelesene zusammenzufassen?
beim Lesen mit unbekannten Wörtern umzugehen?
ihr Verständnis während des Lesens zu überprüfen?
Beinhaltet das Training dieser Strategien
die explizite Beschreibung der jeweiligen Strategie und ihrer Anwendung?
das Vorführen der Strategie?
das gemeinsame Anwenden der Strategie?
das angeleitete Anwenden der Strategie mit schrittweiser Hinführung zur Selbstständigkeit?
das selbstständige Anwenden der Strategie?
Waren die Texte für das Strategietraining so ausgewählt, dass den Lernenden Sinn und Anwendung der Strategie deutlich wurden?
Haben die Lernenden Gelegenheit zur Überprüfung ihres Textverständnisses erhalten?
Die empfohlenen, im Unterricht immer wieder anzuwendenden Lesestrategien beziehen sich grundsätzlich auf das Lesen von Sach- und Informationstexten wie von literarischen Texten. Beim Lesen literarischer Texte sind jedoch Strategien in den Vordergrund zu rücken, die deren besonderen Merkmalen gerecht werden – etwa der Autofunktionalität, der Konnotation (Andeutung und Mehrdeutigkeit), der Verfremdung (von Alltagssprache bzw. etablierter literarischer Formensprache) und der Symbolik (auch literarischer Formen) (→ Kap. 1).
Für eine „Literaturdidaktik, die vom Lesen ausgeht,“ formuliert Ehlers (2010) verschiedene „selektive Mechanismen“ (ebd.: 1538), die für das Leseverstehen von grundlegender Bedeutung sind: etwa die Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem; die Frage, ob Texte thematisch zugänglich sind, die sich jeweils vom Text her (objektiv) und von den Lesenden her (subjektiv) diskutieren lässt; die Vertrautheit mit Konventionen sowie die Dimensionen von je individuell differierender Emotion und Motivation der Lesenden. Für den fremdsprachlichen Leseprozess kommen zu dieser allgemeinen Basis noch verschiedene Variablen hinzu wie das Verhältnis zwischen der L1 und der L2, die Fremdsprachenkenntnisse der Lernenden, die Leseflüssigkeit in der Fremdsprache sowie die Ressourcen an kulturellem Wissen (ebd.: 1539). Ehlers formuliert ihre Ausführungen zum fremdsprachlichen Lernen vor allem im schulischen Kontext von Deutsch als Zweitsprache und nennt auch das soziale Bedingungsgefüge als Faktor für das Lesen in der L2; dazu gehören das „Bildungsmilieu (Bildungsabschluss der Eltern, Einkommen, Beruf), das Prestige der Herkunftssprache innerhalb einer Gesellschaft und die demografische Verteilung von Minderheitengruppen“, oftmals nur „[r]eduzierte kulturelle Ressourcen (Bücher, Zeitungen), die Kommunikationssprache in der Familie (L1 vs. L2), die Medienpraxis (Nutzung von Medien in der L1 oder L2) und die Sprachfertigkeit der Eltern in der Zweitsprache“ sowie die „literalen Ressourcen (Zugang zu Gedrucktem) und Praktiken im Elternhaus mit Vorlesen, Geschichten erzählen und über diese kommunizieren.“ (Ehlers 2016: 58) Als Maßnahmen zur Förderung von L2-Lesekompetenzen schlägt sie vor, „zweitsprachendidaktische Elemente“ auch für die Lesedidaktik zu nutzen: „Wortschatzarbeit zur Entlastung des Textverständnisses und Verbesserung der Leseflüssigkeit, Schlüsselwortmethode, bei der Träger von Kerninformationen identifiziert werden […] Nutzen von Kontextinformationen (Titel, Bilder), Einsatz von Bildern als Semantisierungshilfe; zusätzliche Erläuterungen, Explizitmachen von Lesestrategien; für schriftliche Aufgaben Stützgerüste mit Satzbauplänen und Hilfen wie Wörter, Artikel, Nummerierungen; Aktivitäten vor der Lektüre (pre-reading-activities), z. B. Bereitstellen von kulturellem Wissen und Aktivieren von vorhandenen Kenntnissen zu einem Gegenstandsbereich.“ (Ehlers 2016: 59) Für das Lesen von literarischen Texten verweist sie auf die Interkulturelle Literaturdidaktik und deren Ansätze des Fremdverstehens (→ Kap. 8).
Wichtig für die Verbesserung der Lesekompetenz – sowohl in der L2 wie in der L1 – ist es, regelmäßig und möglichst viel zu lesen. In diesem Punkt sind sich alle Leseforscher*innen einig: Lesen lernt man am besten durch Lesen.1
II Etablierte Perspektiven in Deutsch als Fremd- und Zweitsprache
5 Fertigkeiten
„Grundlegend für den Fremdsprachenunterricht sind […] die vier Fertigkeiten Sprechen, Hören, Schreiben und Lesen: An ihnen zeigt sich die wahre Sprachkompetenz.“ (Brinitzer et al. 2016: 9) Einer solchen Aussage, hier der Handreichung DaF unterrichten. Basiswissen Didaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache entnommen, liegt ein handlungsorientiertes Verständnis von Fremdsprachenunterricht zugrunde: Lernende sollen zum ‚Sprachhandeln‘ befähigt werden (vgl. ebd.). Die Arbeit mit literarischen Texten spielt in einem solchen, auch im GER (2001) vertretenen Verständnis von Unterricht kaum eine Rolle. In kritischer Auseinandersetzung mit ihm wird jedoch in jüngeren Forschungsdiskussionen und auch im neuen Begleitband zum GER (2020) die Auffassung vertreten, dass literarische Texte durchaus einen Platz im Fremdsprachenunterricht haben.
Insgesamt ersetzt der GER nun „das traditionelle Modell der vier Fertigkeiten (Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben), das sich als zunehmend unzureichend für die Erfassung der komplexen Wirklichkeit von Kommunikation erwiesen hat, durch kommunikative Sprachaktivitäten und Strategien“ (GER 2020: 38). Diese werden in Form von vier Modi dargestellt: Rezeption, Produktion, Interaktion und Mediation, die „die Art, wie Menschen Sprache tatsächlich benutzen, eher wider[spiegeln] als die vier Fertigkeiten“ (ebd.: 39). Gleichzeitig ergeben die Modi Rezeption und Produktion, „jeweils mündlich und schriftlich, […] die vier traditionellen Fertigkeiten“; umfasst Interaktion sowohl Rezeption als auch Produktion, umfasst Mediation sowohl Rezeption als auch Produktion und oft auch Interaktion (ebd.: 40). Die Arbeit mit literarischen Texten im weiten Sinne ist in den Modi Rezeption („Lesen als Freizeitbeschäftigung“, „Fernsehsendungen, Filme und Videos verstehen“, GER 2020: 71f., 64), Produktion („Kreatives Schreiben“, GER 2020: 81ff.) und Mediation („Persönliche Reaktion auf kreative Texte“, „Analyse und Kritik kreativer Texte“, GER 2020: 127ff.) aufgehoben. Die einzelnen Deskriptoren umfassen Aktivitäten und Strategien des Lesens, Schreibens, Hörens, Sprechens, (Hör-)Sehens und Sprachmittelns.1 Wie sie in der Forschung bislang diskutiert wurden und sicher auch weiterhin noch werden, wird im Folgenden dargestellt.
Im Fokus steht zunächst die Fertigkeit Lesen, auch im Begriff der Lesekompetenz (→ Kap. 4) aufgehoben. Sie umfasst einerseits so grundlegende Prozesse wie das Erkennen von (längeren) Wörtern oder Sätzen, andererseits aber auch die Förderung von Strategien, welche