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»Hallo, Mona, warst du schon auf dem Kastnerhof?!«, rief Traudel, die im Steingarten vor dem Haus der Seefelds die Blumen goss, als Mona auf dem Weg zum Hotel Sonnenblick am Haus des Landarztes vorbeikam.
»Ich habe gerade mit Jonas Kastner gesprochen. Danke für den Tipp, wir sind uns schon einig.« Mona hatte an der Treppe angehalten, die durch den Steingarten hinauf zur Terrasse des Hauses mit den hellgrünen Fensterläden führte. »Wer bist du denn?«, fragte sie lachend, als ein junger Hund mit grauweißem buschigem Fell die Treppe heruntergesaust kam und sie neugierig beschnupperte.
»Das ist unser Nolan.« Traudel rief den Hund nicht gleich zurück, weil Mona sich offensichtlich über diese Begegnung freute, sich zu ihm hinunterbeugte und ihn streichelte.
»Du bist also ein kleiner Kämpfer«, sagte Mona.
»Wow, Sie kennen die Bedeutung seines Namens«, stellte das Mädchen fest, das mit einer Leine in der Hand über die Wiese neben dem Steingarten zur Straße hinunterlief.
»Ich habe in meiner Schulzeit einmal ein Referat über die Bedeutung der Namen gehalten. Einige habe ich behalten. Mona Wagner«, stellte sie sich dem hübschen Mädchen mit dem kastanienfarbenen langen Haar und den hellgrauen Augen vor.
»Emilia Seefeld«, antwortete das Mädchen. »Traudel hat mir von Ihrer fantastischen Kräutermaske erzählt.«
»Die du aber nicht brauchst«, entgegnete Mona lächelnd.
»Ich habe Glück, einige Mädchen in meiner Klasse geben eine Menge Geld aus, um ihre unreine Haut zu bekämpfen.«
»Sie sollten es mit einer Honig-Tomaten-Maske versuchen.«
»Klebriger Honig und zermatschte Tomaten, das klingt nicht besonders lecker.«
»Aber es hilft.«
»Sie werden es nicht mögen.«
»Sie sollten es ausprobieren. Honig und Tomaten wirken antibakteriell, das ist der erste Weg, um die lästigen Hautunreinheiten loszuwerden«, sagte Sebastian Seefeld, der die Treppe durch den Steingarten herunterkam.
»Also gut, Papa, ich werde meinen Freundinnen diese Gesichtsmaske vorschlagen. Wenn eine davon noch mehr Pickel bekommt, dann schicke ich sie zu dir«, wandte Emilia sich an ihren Vater.
»Geh, Spatzl, Mona wird dir schon nichts empfehlen, was jemandem schaden könnte, und dein Vater tut das auch nicht«, mischte sich Traudel ein.
»Aber wenn jemand allergisch ist.«
»Äußerlich angewendet ist das Risiko in diesem Fall gering«, versicherte Sebastian seiner Tochter.
»Okay, überzeugt«, verkündete Emilia.
»Ich nehme an, Sie sind die junge Dame, von der Traudel heute beim Mittagessen geschwärmt hat.«
»Geschwärmt? Von mir?«, fragte Mona erstaunt.
»Freilich, wenn jemand sich so einfühlsam auf seine Kundschaft einlässt und noch dazu auf das Natürliche steht, da kommt eine Kräuterliebhaberin wie ich schon ins Schwärmen«, erklärte Traudel.
»Dann werde ich mir Mühe geben, Sie auch in Zukunft nicht zu enttäuschen«, antwortete Mona ein wenig verlegen über Traudels Lob.
»Mona Wagner, Sebastian Seefeld«, stellte Traudel die beiden einander vor.
Das ist also Sebastian Seefeld, dachte Mona und betrachtete den gut aussehenden Mann, dessen graue Augen in einem wundervollen Kontrast zu seinem dunklen Haar standen. Obwohl sie erst seit kurzem in Bergmoosbach war, wusste sie bereits, dass der junge Arzt zu den begehrtesten Männern im ganzen Tal gehörte. Und jetzt, da sie ihm zum ersten Mal begegnete, wusste sie auch warum. Es war nicht nur sein Aussehen, es war seine Stimme, die Art wie er sich bewegte, sein Lächeln. Obwohl, da war jemand, der durchaus mit ihm mithalten konnte, dachte sie, und in diesem Moment sah sie wieder Jonas vor sich.
»Papa, wir können dann«, sagte Emilia, die Nolan die Leine angelegt hatte.
»In welche Richtung?«, fragte Sebastian, der mit seiner Tochter und dem Familienhund noch einen Spaziergang unternehmen wollte.
»Zum See.«
»Also dann zum See«, stimmte Sebastian Emilia zu und verabschiedete sich von Mona.
»Und wie verbringen Sie den Feierabend?«, fragte Traudel, als Mona wieder auf ihr Fahrrad stieg.
»Ich werde erst mit meinen Großeltern telefonieren und danach ein bisschen lesen. Simone hat mich heute übrigens damit beauftragt, dass ich in diesem Jahr die Schönheitsparty der Landfrauen übernehmen soll, die sie ein paar Tage vor dem Trachtenumzug veranstalten. Sie meinte, die Damen hätten es sich so gewünscht, weil sie alle meine Kräutermaske ausprobieren wollen.«
»Da werden Sie viel zu tun haben. Sie werden dort vor allem auf die älteren Semester treffen, die darauf hoffen, ein bissel jünger auszusehen. Es werden sicher einige kommen.«
»Kein Problem, ich bereite alles so vor, dass sich jede ihre Maske selbst auflegen kann. Den größten Spaß haben doch alle, wenn sie gleichzeitig wie die kleinen Gespenster in ihren Liegestühlen liegen.«
»O ja, das wird sicher ein Spaß, vor allen Dingen das Geschnatter, wenn alle gleichzeitig ihre neuesten Dorfgeschichten zum Besten geben wollen. Also dann, noch einen schönen Abend, mein Kind«, sagte Traudel.
»Den wünsche ich Ihnen auch«, entgegnete Mona.
Eine halbe Stunde später saß sie auf ihrem Balkon, der zu ihrem Appartement im Dachgeschoss des Hauses gehörte. Sie hatte ihn sich hübsch hergerichtete, mit einer Hollywoodschaukel, einem Tischchen und zwei Margeritenbäumchen, das eine mit gelben Blüten, das andere mit weißen, farblich passend zu der weiß gelben Markise, die jeden Balkon des Appartementhauses und des Hotels vor Sonne schützte.
Sie hatte ein paar Minuten mit ihrer Großmutter telefoniert und es sich danach mit dem Roman über eine Kräuterfrau im 12. Jahrhundert in der Hollywoodschaukel gemütlich gemacht. Aber das Buch konnte sie an diesem Abend nicht fesseln, ihre Gedanken schweiften immer wieder ab, genau wie ihr Blick.
Das Appartementhaus, in dem auch einige Angestellte des Hotels wohnten, lag durch eine Reihe Tannen getrennt auf gleicher Höhe mit dem Hotel und bot einen weiten Blick ins Tal. War das nicht der Kastnerhof, dieses Haus inmitten der Wiesen und Weiden am anderen Ende des Dorfes? Mona schaute durch das Fernglas, das abends immer griffbereit neben ihr auf dem Tisch lag, weil sie es liebte, die Sterne zu betrachten. Auch wenn sie nicht ganz sicher war, dass es wirklich der Kastnerhof war, weil es da draußen noch andere einsam gelegene Höfe gab, spürte sie ein Kribbeln in der Magengrube, während sie durch das Fernglas schaute. Jonas ging ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Sie hatte sogar ihrer Großmutter von der Begegnung mit ihm erzählt.
»Hast du dich verliebt, Kleines?«, hatte sie gefragt, und sie hatte darauf nur ausweichend geantwortet.
»Habe ich mich denn verliebt?«, flüsterte sie und setzte das Fernglas ab. Morgen, wenn ich ihn wiedersehe, dann werde ich es wissen, dachte sie und schaute mit einem verträumten Lächeln an den Himmel.
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Mona war froh, dass am nächsten Tag viele Kundinnen in Simones Kosmetiksalon kamen und sie kaum Zeit zum Nachdenken fand. Im Hotel war eine Reisegruppe eingetroffen, und einige Damen wollten sich ein bisschen verwöhnen lassen. Als sie kurz nach sechs den Salon schlossen, eilte sie in ihre Wohnung, stellte sich kurz unter die Dusche, zog danach das weiße Kleid mit