»So seltsam es sich anhört: Ich glaube, ein wenig davon hat sie vorausgesehen«, antwortete Caro und erzählte von der eigenartigen Warnung der alten Dame.
Gerti hörte mit angehaltenem Atem zu. Unter dem Tisch, wo es nicht jedermann unbedingt gleich sehen konnte, schlüpfte ihre Hand in die von Korbinian. Hatte Magdalena nicht auch ihr etwas Seltsames gesagt, an dem Tag, an dem sie zum letzten Mal in die Praxis gekommen war? Dass das Warten bald vorbei sein werde … Und Korbinian war zurückgekehrt. Nach Bergmoosbach und in Ihr Leben und er war gekommen, um zu bleiben.
Gerti spürte ihr Glück wie etwas Greifbares, das sie umgab.
Emilias Haut kribbelte vor Freude, weil sich alles zum Guten gewendet hatte, und weil ihre Suche in die richtige Richtung, zu Oliver Kant, geführt hatte. Über ihren Fruchtcocktail hinweg tauschten sie einen verschwörerischen Blick mit Freundin Anna.
»Hm, das habe ich gesehen!«, sagte Sebastian argwöhnisch. »Und ich kenne diesen Blick! Sag mal, Spatz, dieser Oliver Kant ist ja wohl nicht zufällig vom Himmel gefallen. Kann es sein, dass du dabei ein bisschen deine Finger im Spiel gehabt hast?«
»Och, Papa, nur so’n bisschen Internetrecherche«, antwortete Emilia mit einem unschuldigen Augenaufschlag.
»So, so«, murmelte ihr Vater, und nun wechselte er einen Blick mit Anna.
Die junge Hebamme lächelte. »Du kannst stolz auf Emilia sein«, sagte sie leise. »Sie hat sich am wenigsten von Fiona blenden lassen.«
»Ja, sie entwickelt tatsächlich ein bemerkenswertes Gespür für Menschen.«
»Ihre Familie lebt es ihr vor.«
»Und ihre Freundinnen, besonders diese eine hier!«, antwortete Sebastian so leise, dass nur sie allein es hören konnte.
»Was für ein schöner Abend!« Caro kuschelte ihren Kopf an Felix’ Schulter und schaute glücklich in die freundlichen Gesichter um sich herum. »Jetzt habe ich Fiona wirklich schon fast vergessen.«
»Ich auch, mein Herz«, antwortete er und küsste zärtlich ihre Hand, an welcher der kostbare, alte Verlobungsring im Kerzenschimmer aufleuchtete. »Und ich hoffe, dass wir niemals mehr von ihr hören werden!«
Und dieser Wunsch sollte von allen der einzige sein, der nicht gleich in Erfüllung ging, denn wenige Wochen später flatterte ein Brief ins Kapitänshaus. Es war eine Geburtsanzeige auf zartem, rosa Papier mit dem Foto eines sehr hübschen Babys mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Der Text lautete:
Das Leben hört nicht auf, uns zu überraschen! Eva-Maria Kant hat uns zu glücklichen Eltern gemacht.
Fiona Bartels und Oliver Kant
– E N D E –
Der Kosmetiksalon Simone im Hotel Sonnenblick, auf einem Hang oberhalb von Bergmoosbach gelegen, war bei den Einheimischen und Urlaubern gleichermaßen beliebt. Schon der Empfangstresen aus honigfarbenem Holz, die hellen Fußbodendielen und die schönen Pflanzen wirkten beruhigend auf die Besucher, und erst recht der großzügige Raum mit den vier bequemen Liegen für die kosmetische Behandlung, die getrennt durch helle spanische Wände vor der bodentiefen Fensterfront standen und einen weiten Blick über das Tal boten.
»Mei, ganz zart, wie bei einem jungen Madl.« Traudel Bruckner betastete ihr Gesicht und schaute in den Vergrößerungsspiegel, den sie in der Hand hielt. Hin und wieder gönnte sich Traudel, die sich um den Haushalt der Landarztpraxis Seefeld kümmerte, einen Besuch im Kosmetiksalon und ließ sich dort verwöhnen.
»Ich habe Ihrer natürlichen Schönheit nur ein wenig nachgeholfen. Meine Kräutermaske ist eine wohltuende Auffrischung für die Haut, aber den Alterungsprozess aufhalten, das geht nur von innen«, entgegnete Mona Wagner, die Kosmetikerin, die Traudel gerade behandelt hatte.
»Vorsicht, Herzl, du verdirbst uns noch das Geschäft«, mischte sich Simone Windfang ein, die hinter einer spanischen Wand hervorkam und sich zu ihnen gesellte. Simone, die Inhaberin des Salons, hatte Mona erst vor kurzem zu ihrer Verstärkung eingestellt, aber ihre Kräutermasken waren bei den Bergmoosbacherinnen bereits so beliebt, dass einige inzwischen jede Woche vorbeikamen. Die eine oder andere hatte sich sogar zum ersten Mal in ihrem Leben in einen Schönheitssalon gewagt und neben Monas Kräutermaske noch andere Behandlungen ausprobiert. Das Geschäft blühte, und Simone befürchtete ganz und gar nicht, dass Mona es verdarb. »Obwohl, so gesund wie du, Traudel, ernähren sich die meisten Leute ja nicht, da muss schon öfter von außen nachgeholfen werden«, fügte sie dann auch mit einem Augenzwinkern hinzu.
»Das ist wohl wahr«, stimmte Traudel ihr zu, während sie auf der bequemen Liege saß, deren Kopfteil Mona aufgestellt hatte, nachdem sie die Gesichtsmaske wieder abgewaschen hatte.
»Was ist?«, fragte Simone, als Traudel sie nachdenklich musterte.
»Mein Neun-Kräuter-Trank ist zurzeit sehr beliebt«, sagte Traudel.
»Hilft bei was?«
»Er ist gut für die Linie.«
Simone war eine füllige Blondine mit rundem Gesicht und Pausbacken. Offensichtlich hatte sie in den letzten Monaten noch ein wenig mehr zugelegt und hatte sicher große Mühe gehabt, sich in das beige ärmellose Sommerkleid zu pressen, das sie an diesem Vormittag trug und das ziemlich viele Falten über ihren breiten Hüften warf. Neben der schlanken dunkelhaarigen Mona in dem sonnengelben Kleid mit der schmalen Taille und dem weitschwingenden Rock fiel Simones Gewichtszunahme noch mehr ins Auge.
»Den trinkst du selbst aber nicht sehr oft«, konterte Simone und betrachtete die rundliche ältere Frau mit den hellen kurzen Locken.
»Doch, das tue ich, damit ich das Gewicht halte, was leider im Alter immer schwieriger wird«, seufzte Traudel und lächelte Simone von unten herauf an.
»O ja, es wird tatsächlich schwieriger«, gab Simone zu und zupfte an ihrem Kleid. »Was ist denn so drin in deinem Trank?«
»Ein bissel von dem und ein bissel von dem.«
»Eine geheime Mischung, verstehe. Mona wollte zuerst auch ein Geheimnis um ihre Kräuterbehandlungen veranstalten, aber das konnte ich nicht zulassen. Schließlich muss ich wissen, womit wir unsere Kundinnen behandeln. Ich bin ohnehin ein bissel skeptisch, was dieses Naturzeug betrifft. Wer sich nicht wirklich auskennt, langt auch schnell mal daneben, das hat dann vielleicht böse Folgen.«
»Wer sich nicht auskennt, sollte auch keine Kräuter sammeln.«
»Freilich nicht, aber was sagen denn deine beiden Doktoren zu deinem Trank?«, wollte Simone von Traudel wissen.
»Benedikt trinkt zweimal die Woche ein Glas davon.«
»Aber nur zur Vorbeugung, nehme ich an. Seefeld senior ist ja noch eine äußerst sportliche Erscheinung und ungemein attraktiv. Vielleicht, wenn ich mich wieder ein bissel in Form bringe …«
»Hast du nichts zu tun?«, fragte Traudel und dabei schaute sie Simone biestig an, so wie sie es immer tat, wenn eine Frau in ihrer Gegenwart von Benedikt Seefeld schwärmte.
»Schon gut, war nicht so gemeint«, entschuldigte sich Simone, die wie alle im Dorf wusste, dass Traudel in Benedikt Seefeld verliebt war, auch wenn sie es nie aussprach. »Vielleicht komme ich demnächst mal vorbei und hole mir etwas von deinem Trank. Ich hab so ein schönes Dirndl, das ich zum Trachtenumzug anziehen möcht, das aber leider recht spannt.«
»Der Umzug ist schon in der nächsten Woche, da hast du nicht mehr lange.«
»Ich weiß, ich werde mich wohl mächtig anstrengen müssen«, seufzte Simone und verschwand wieder hinter der spanischen Wand.
»Wenn Sie sich so gut mit Kräutern auskennen, Frau Bruckner, dann können Sie mir vielleicht