Der neue Landdoktor Paket 1 – Arztroman. Tessa Hofreiter. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tessa Hofreiter
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Landdoktor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740980672
Скачать книгу
ihre perfekt manikürte Hand auf seinen Arm. Ein flüchtiger Blick streifte die Sprechstundenhilfe. »Caro, du kannst dich hier ins Vorzimmer setzen.«

      Sebastian Seefeld trat zur Seite und entzog sich dem leichten Griff ihrer Hand.

      »Unsere Zeit ist knapp, Miriam. Caro und ich haben noch einige Besuche vor uns. Deinem Vater geht es gut, wir haben alles Nötige mit ihm besprochen«, antwortete er kühl.

      Gekonnt warf Miriam ihre langen blonden Haare über die Schulter zurück. »Ein persönliches Gespräch wäre mir jetzt lieb, Sebastian.«

      »Das ist nicht nötig!« Doktor Seefeld wandte sich zur Tür. »Es gibt nichts Neues zu besprechen. Guten Abend, Miriam.«

      »Bis bald, Sebastian!« Sie warf ihm einen schmachtenden Blick hinterher, den er nicht beachtete.

      »Caro, wohin jetzt?«

      »Zum alten Wächtler. Seine Schwiegertochter hatte angerufen, dass er mit einem besonders schweren Gichtanfall im Bett liegt.«

      Der Arzt seufzte. »Hat der alte Herr nicht gestern den achtzigsten Geburtstag gefeiert? Ich möchte nicht wissen, wie viele leckere Schweinshaxen da auf den Tisch gekommen sind!«

      Caro lachte leise und ahmte gutmütig die Stimme der Schwiegertochter nach: »Ich weiß ja, dass Gicht und Schweinefleisch nicht zusammenpassen, Herr Doktor, aber wenn’s doch halt die Leibspeise vom Vater ist!«

      »Schauen wir mal, was wir für den alten Wächtler tun können«, schmunzelte ihr Kollege.

      Vom böse verstauchten Fuß einer Frau, die allein auf einem abgelegenen Hof lebte und nicht Auto fahren konnte, über eine Lungenentzündung mit hohem Fieber bei einem Feriengast, ging es weiter zum Mittner Hof, wo Sebastian nach dem Jüngsten, seinem Patenkind, schauen wollte. Der kleine Bastian war nach einer Mehrfachimpfung unruhig, zeigte aber keine weiteren Anzeichen einer Impfreaktion. »Alles in Ordnung mit dem kleinen Wonneproppen!«, sagte Sebastian und übergab das Baby wieder seiner Mutter Susanne. »Und bei dir? Merkst du manchmal noch etwas von unserer Verzweiflungstat?«

      »Oh, du meinst den Notkaiserschnitt, den du und die Hebamme hier durchführen musstet? Na, ja, manchmal zwackt die Narbe noch, vor allem beim Wetterumschwung. Aber sonst ist alles wunderbar in Ordnung.« Sie strahlte Sebastian an.

      Caro bekam kugelrunde Augen. »Was denn! Sie haben hier einen Notkaiserschnitt gemacht? Auf dem Hof?«

      »Es ging nicht anders, wir hätten sonst Mutter und Kind verloren«, antwortete Sebastian, und wieder lief ihm ein Schauder über den Rücken. »Es war eine verzweifelte Situation, und eine ganze Heerschar an Schutzengeln muss an unserer Seite gewesen sein, sonst wäre es nicht so ausgegangen.«

      »Oder weil du ein guter Arzt bist, der genau weiß, was er tun muss«, erwiderte Susanne.

      Darauf antwortete Sebastian Seefeld nicht. Er wusste zwar, was er verantworten konnte, aber er wusste auch, dass es das Schicksal in jenen dunklen Stunden sehr gut mit ihnen gemeint hatte.

      Nach dem Besuch bei Familie Mittner fuhren sie zu einer jungen Mutter von drei kleinen Kindern. Lydia Körber hatte vor einem Vierteljahr ihren Mann bei einem tragischen Autounfall verloren. Früher hatte sie ab und zu unter Migräne gelitten, aber seit dem Tod ihres Mannes traten die Anfälle gehäuft auf. Da sie allein für ihre Kinder sorgen musste, konnte sie es sich nicht leisten, im abgedunkelten Zimmer zu liegen und völlige Ruhe zu bewahren, egal, wie elend sie sich fühlte.

      Auf den ersten Blick sahen der Doktor und Caro, dass es ihrer Patientin sehr schlecht ging. Wenn man von der Unordnung im Hause ausging, musste dieser Zustand schon seit einiger Zeit anhalten. »Frau Körber, so geht es nicht weiter, Sie brauchen unbedingt Hilfe«, sagte Sebastian Seefeld. »Fürs Erste gebe ich Ihnen jetzt eine Spritze gegen die Schmerzen, damit Sie wieder zu Kräften kommen. Und dann werde ich mich mit der Krankenkasse in Verbindung setzen, wenn es Ihnen recht ist. Ich denke, dass Ihnen eine Haushaltshilfe zusteht.«

      »Vielleicht; aber ich habe keine Kraft, jetzt dafür zu kämpfen«, flüsterte die erschöpfte Frau.

      »Das müssen Sie auch nicht!«, versprach Doktor Seefeld. »Mit ihrem Einverständnis werden wir uns darum kümmern.«

      Während der Arzt die Frau versorgte und nach den Versicherungsunterlagen suchte, hatte Caro rasch und unauffällig das Abendbrot für die Familie und ein Fläschchen für das Baby zubereitet. Als sie das Häuschen verließen, ging es der jungen Mutter bereits ein wenig besser, und ein zarter Hoffnungsschimmer schien sich am Horizont abzuzeichnen.

      »Eine bestellt sich eine Luxuskarosse für ihr Baby, eine andere kann sich noch nicht einmal im Krankheitsfall eine Hilfe leisten!«, sagte Caro bitter und knallte die Autotür zu.

      »Wir arbeiten dran«, antwortete Sebastian. Und mit einem Seitenblick auf seine junge Kollegin fuhr er fort: »Und was den Kinderwagen angeht, habe ich das Gefühl, dass in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.«

      »Wie recht Sie haben!«, bekräftigte Caro.

      Wenig später rollte der Wagen des Landdoktors in die Einfahrt des Kapitänshauses, und Sebastian half Caro, das Paket ins Haus zu transportieren. Sie stellten den Kasten in der Eingangshalle ab, Doktor Seefeld verabschiedete sich, und Caro machte sich auf die Suche nach Fiona, um sie wegen des Luxuskaufs zur Rede zu stellen.

      Aber die junge Frau war weder im Haus noch im Garten. Stattdessen fand Caro im Wohnzimmer einen duftenden Blumenstrauß aus hellen Rosen und Lavendel und eine hübsche Karte. Fiona schrieb, dieser Blumenstrauß sei ein kleines Dankeschön für die Gastfreundschaft und eine Entschuldigung für ihr störendes Verhalten in der Gewitternacht, Caro möge ihr das bitte nicht nachtragen. Fiona habe sich schon ins Bett zurückgezogen, und sie wünsche Caro und Felix eine gute Nacht.

      »Tja, damit hast du mir wohl den Wind aus den Segeln genommen«, murmelte Caro. Unschlüssig drehte sie die Karte in den Händen. Süß, verletzlich, freundlich und verloren, unverschämt und übergriffig, all das war Fiona. Und offensichtlich immer für eine Überraschung gut. Sie ging zu Kondor hinüber, der auf seiner Stange herumturnte und sich mit Erdnüssen verwöhnen ließ. »Diese zuckersüße Fiona, was hältst du eigentlich von ihr?«, fragte Caro.

      Der Papagei schien ihr mit schräg geneigtem Kopf konzentriert zuzuhören. Dann sagte er etwas, das sich verdächtig nach »raus-raus-raus« anhörte.

      Caro kraulte seinen Kopf und seufzte tief auf.

      »Bin ganz deiner Meinung, mein Bester! Leider wird das wohl nicht ganz so leicht werden, wie wir es uns wünschen.«

      *

      Während Caro an diesem Abend sehr daran zweifelte, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen würde, erlebte ihre Kollegin Gerti das genaue Gegenteil. Für sie wurde ein sorgsam gehüteter, heimlicher Wunsch Wirklichkeit: sie hatte eine Verabredung mit ihrer unvergessenen Tanzstundenliebe Korbinian Wamsler!

      Gerti hatte sich für zwei Stunden im Badezimmer eingeschlossen, und als sich endlich wieder die Tür öffnete, bekam ihre Schwester Sieglinde große Augen vor Verwunderung – und Bewunderung: Gertis dunkles Haar mit dem beginnenden Grauschleier hatte nun einen sanften, kastanienfarbigen Schimmer, und die sonst so exakte Frisur umspielte weich und locker ihr Gesicht. Sie war dezent geschminkt und hatte ihre Fingernägel in einem modisch dunklen Farbton lackiert. Anstelle ihrer bevorzugten Kleidung – dunkle Röcke und gestärkte weiße Blusen – trug sie ein grünes Wickelkleid, das wunderbar zu ihrer rundlichen Figur passte.

      »Donnerwetter!«, entfuhr es ihrer älteren Schwester. »Du siehst fantastisch aus! Was hast du denn heute Abend vor?«

      »Ich habe eine Verabredung zum Essen«, informierte Gerti sie und schlüpfte in die neuen, halbhohen Schuhe. »Mit Korbinian Wamsler.«

      »Hm, der Name kommt mir bekannt vor«, antwortete ihre Schwester. »Ich glaube, den schon irgendwann gehört zu haben, aber es muss lange her sein.«

      »Möglich«, entgegnete Gerti, »er war damals auch in der Tanzschule Walthershof.«

      Sieglinde