Caldera. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691614
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entspannte und immer ruhiger wurde.

      Jetzt widmete er sich seinem Problem.

      Dorneburg war davon überzeugt, dass es Eichborn gelungen war, Wittgenstein Informationen zu entlocken, bevor das Einsatzkommando ihn getötet hatte.

      Erste Frage: Hatte Eichborn Beweise dafür, dass unter anderem er, Dorneburg, einer der Drahtzieher der Verschwörung war?

      Antwort: Nein.

      Begründung: Dorneburg war noch auf freiem Fuß.

      Zweite Frage: Könnte es Eichborn gelingen, Beweise für seine Mittäterschaft zu finden?

      Antwort: Schwer, aber nicht unmöglich.

      Begründung: Eichborn müsste sich nur zu einer Person vorarbeiten, die diese Beweise hat. Und solche Personen gab es.

      Dritte Frage: Könnte es Eichborn schaffen, so jemanden zu identifizieren, in seine Hände zu bekommen, zu befragen und so an Beweise zu kommen, die Dorneburg belasteten?

      Antwort: Ja.

      Begründung: Eichborn war durch seine neue Funktion in einer Position, in der alle Geheimdienste der Bundesrepublik ihm unterstanden. Darüber hinaus verfügte er in seiner Sicherheitsfirma über sehr, sehr gutes Personal. Und er besaß ein ausgezeichnetes Netzwerk aus Helfern und Informanten. Seine Arbeitsmethoden waren unkonventionell und überaus wirksam.

      Gerade dieser Punkt machte ihn unberechenbar.

      Und somit zu einem unkalkulierbaren Risiko.

      Vierte Frage: Gab es eine Möglichkeit, Eichborn daran zu hindern, Beweise gegen ihn zu sammeln?

      Antwort: Ja.

      Möglichkeit eins: Er könnte versuchen, Eichborn auf seine Seite zu ziehen. Ihn zu kaufen. Erfolgsaussichten: Sehr gering.

      Möglichkeit zwei: Er könnte Eichborn unter Druck setzen, indem er seine Familie ins Visier nahm. Das hatte Wittgenstein schon einmal versucht. Viel gebracht hatte es nicht, da Eichborn in seiner ihm eigenen Art zu unkonventionellen Gegenmitteln gegriffen hatte. Unkonventionell, aber überaus effektiv.

      Erfolgsaussichten: Sehr gering.

      Möglichkeit drei. Eichborns Ruf ruinieren.

      Wenn es Dorneburg gelang, Eichborn dermaßen zu diskreditieren, dass seine Glaubwürdigkeit irreparablen Schaden nehmen würde, so könnte dies sein Problem lösen. Es könnte dazu führen, dass niemand dem Glauben schenken würde, was er sagte.

      Etwas viel Konjunktiv …

      Erfolgsaussichten: Dorneburg schätzte die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Negativkampagne gegen Eichborn auf etwa sechzig Prozent. Nicht schlecht, aber auch nicht überwältigend gut.

      Möglichkeit vier: Eichborn töten. Kein Eichborn, keine Beweise. Kein Problem.

      Erfolgsaussichten: Besser als sechzig Prozent.

      Aber was würde nach Eichborn kommen?

      Sein Team ganz gewiss.

      Könnte er auch diese Personen ausschalten?

      Natürlich.

      Riskant, aber machbar.

      Tabula rasa.

      Ursprünglich beschrieb dieser Ausdruck eine mit Wachs überzogene Schreibtafel, die durch Abschaben der Schrift geglättet wurde und somit wie ein leeres Blatt neu beschrieben werden konnte. In anderen Zusammenhängen war damit aber auch ein radikaler Neuanfang gemeint.

      Dorneburg ließ diesen Gedanken lange Zeit auf sich wirken.

      Schließlich erhob er sich langsam und streckte sich wie eine Katze. Er ging zum Schreibtisch, startete den Computer und öffnete den Internetbrowser.

      Als er online war, klickte er auf ein Symbol, das eine brennende Flagge zeigte, die sich träge im Wind bewegte.

      Wenige Augenblicke später hörte er die Begrüßung aus dem Lautsprecher.

      »Willkommen in ›World War III‹, Aragon. Wähle deine Optionen.«

      Sofort poppten mehrere kleine Fenster auf, die langsam blinkten.

      Kameraden, die online sind

      Besondere Vorkommnisse

      Admin-Rechte

      Dorneburg wählte die erste Option.

      Sofort konnte er sehen, dass Jonathan bereit war.

      Er wählte Admin-Rechte.

      Jetzt konnte er in dem Onlinespiel in jedes verfügbare Level reisen, ohne sich den Weg freischießen zu müssen. Auch die verborgenen Bereiche waren nun für Dorneburg zugänglich. Das Wichtigste aber war, dass er jetzt mit jeder Person, die über ähnliche Zugangsberechtigungen verfügte wie er, kommunizieren konnte, ohne dass sie Gefahr liefen, abgehört zu werden.

      Den Bormann-Brüdern sei Dank.

      Dorneburgs Avatar trug Tarnkleidung für den Wüstenkampf und war schwer bewaffnet.

      Er bewegte sich schnell durch die zerbombten Überreste einer Stadt.

      Vor einer zerstörten Kirche blieb er stehen.

      Davor stand ein Mann, der eine Zigarette rauchte.

      »Hallo, Jonathan«, begrüßte Dorneburg den Mann.

      Der drehte sich langsam herum und blickte Dorneburg aus zusammengekniffenen Augen an. Die Zigarette klebte lässig im Mundwinkel. »Kennen wir uns?«, wollte er wissen und der Lauf seine Maschinenpistole richtete sich auf Dorneburgs Oberkörper.

      Dessen Avatar lächelte. »Semper fi.«

      Jonathans Avatar entspannte sich und er senkte die MP. »Hallo, Herr Dorneburg.«

      »Jonathan, ich habe einen Auftrag für Sie.«

      13

      »Moslehi plant etwas.«

      Mohammad Alawi

      Al Farag hatte keine Ahnung, dass er seit seiner Ausreise vor zwanzig Jahren von der iranischen Regierung beobachtet wurde. Immerhin hatte er für das iranische Atomprogramm gearbeitet. Einzig die Tatsache, dass er nur Geologe war und es für ihn Ersatz gegeben hatte, sorgte dafür, dass man ihn und seine Familie ziehen ließ.

      Aber sie hatten ihn nie aus den Augen verloren.

      In den ersten Jahren hatten Al Farag und seine Familie unter ständiger Überwachung gestanden. Erst als der Iran merkte, dass von ihm keine Gefahr ausging, wurde die Überwachung stetig heruntergefahren, bis er schließlich nur noch eine Randnotiz war. Natürlich wurde die Sonderabteilung des Ministeriums für Nachrichtenwesen, dem iranischen Geheimdienst, nicht abgezogen. Die Mitarbeiter dieser Einheit widmeten sich nur anderen Aufgaben. Inzwischen war es das zwölfte Team, das in Deutschland aktiv war. Es bestand aus zehn Männern und Frauen, die vollkommen integriert in Deutschland lebten, gute Jobs und eine Familie hatten. Sie als Schläferzelle zu bezeichnen wäre falsch gewesen. Niemals erhielten sie den Befehl, einen Anschlag auf zivile Menschen oder Einrichtungen zu verüben. Hier und da mal ein Mord an einem Gegner des Regimes, der nach Europa geflohen war. Das kam vor. Machten ja alle. Aber ihre primäre Aufgabe war das Beschaffen von Informationen.

      Instabile und/oder unsichere Regierungen hatten alle eines gemeinsam: Sie wollten so viel wie möglich über jeden wissen. Dieses Begehren ging weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus. So erfuhr die iranische Regierung vom Mord an Al Farags Sohn und vom Selbstmord der Ehefrau. Und sie erfuhren, dass sich Al Farag veränderte. Er ging nun regelmäßig in eine Moschee. Hatte neue Freunde gefunden.

      Die Moschee war den Iranern wohlbekannt.

      Sie wussten, dass seit einigen Jahren radikale Imame dort überwiegend junge Männer radikalisierten, um sie dann an Terrorzellen zu vermitteln, die über ganz Europa verstreut waren und auf ihren