Caldera. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691614
Скачать книгу
Schritt wird es einer palladiumkatalysierten Hydrierung in Anwesenheit von Acetanhydrid unterworfen. Vier der sechs Benzylgruppen werden zu Toluol reduziert, an ihre Stelle treten schließlich Acetylgruppen.«

      Einer seiner Gäste hob in einer entschuldigenden Geste eine Hand. »Bitte verzeihen Sie uns unsere Unwissenheit. Aber es ist so, dass wir von dem, was Sie uns erzählen, nichts verstehen. Erklären Sie uns in einfachen Worten, warum das alles nötig ist.«

      Ali dachte kurz nach. »Sie möchten einen Sprengstoff mit gewaltiger Kraft. Diese bemisst sich durch die sogenannte Reaktionsgeschwindigkeit, also Kinetik. Sie ist ein Teilbereich der physikalischen Chemie und beschäftigt sich mit dem zeitlichen Ablauf chemischer Reaktionen oder physikalisch-chemischer Vorgänge. Das, was den von Ihnen gewünschten Sprengstoff so leistungsstark macht, ist eben diese heftige, expandierende Wirkung. Es gibt nichts Vergleichbares, außer vielleicht die energetische Wirkung einer Nuklear- oder Wasserstoffbombe. Aber Hexanitroisowurtzitan ist ein künstlich hergestellter Stoff, ein chemischer Cocktail sozusagen. Deshalb der enorme Aufwand.«

      Die beiden Männer hingen an seinen Lippen.

      »Und dieser Sprengstoff wird das von uns gewünschte Zerstörungspotential haben?«

      Ali nickte. »Er wird ihren Erwartungen nicht nur entsprechen, sondern sie weit übertreffen. Diese Substanz ist in der Lage, enormen Schaden anzurichten. Die Menge, die Sie benötigen, kann sogar die Apokalypse auslösen.«

      Das war exakt das, was sie hören wollten.

      10

      »Also, wie ist die Strategie?«

      Melanie Möller

      Zuerst riefen sie die jeweiligen Staatssekretäre der Ministerien an. Die hatten schließlich zu Beginn die Verträge mit ihnen verhandelt. Als sie dort nicht weiterkamen, ließen sie sich zu den Ministern durchstellen.

      Ohne Erfolg.

      Also wählten die Anzugträger die Nummer des Bundeskanzlers.

      Dort wurden sie an mich verwiesen.

      Was zur Folge hatte, dass meine Sekretärin schon um 10:00 Uhr in der Früh vor meinem Schreibtisch stand.

      »Kann es sein, dass Sie sämtliche Verträge, die mit externen Dienstleistern geschlossen worden sind, gekündigt haben?«

      »Nein.«

      »Es kommt mir aber so vor, da deren Vertreter ständig anrufen. Sie wollen mit Ihnen sprechen. Wir brauchen eine Strategie, wie wir mit den Beraterfirmen umgehen wollen.«

      Ich sah sie an. »Also zunächst einmal habe ich keine Verträge gekündigt. Vielmehr habe ich die Verträge, die sehr sensible Bereiche betreffen, ausgesetzt. Das ist ein Unterschied.«

      Sie nickte. »Ja, da gebe ich Ihnen recht. Dennoch brauchen wir eine Strategie.«

      »Das ist die Strategie.«

      »Was ist die Strategie?«

      »Die Verträge auszusetzen.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Das ist keine Strategie. Das ist eine Maßnahme.«

      Ich lehnte mich zurück. »Okay, was schlagen Sie vor.«

      Sie wies mit dem Kinn auf einen der Besucherstühle. »Darf ich?«

      »Frau Möller, Sie müssen doch nicht um Erlaubnis fragen, wenn Sie sich setzen wollen.«

      Ein knappes Lächeln, dann setzte sie sich. »Ich habe von diesen Beraterverträgen gehört«, sagte sie. »Jeder hat das. Und glauben Sie mir, das hat für einiges Kopfschütteln gesorgt. Man sollte doch meinen, dass unter den Zigtausenden von Mitarbeitern in jedem Ministerium auch ein paar darunter sind, die sich auskennen, oder? Die was in der Birne haben.«

      Ich nickte. »Vollkommene Zustimmung.«

      »Also, Sie haben da etwas getan, was schon längst jemand hätte tun sollen. Aber es gibt natürlich einen Grund, warum dieses heiße Eisen von jedem umschifft wurde.«

      »Und dieser Grund ist …?«

      »Deren Verbindungen. Und in Berlin bedeutet Verbindungen zu haben, Macht zu besitzen. Keiner wollte sich mit denen anlegen, weil das gleichbedeutend mit Jobverlust gewesen wäre.«

      »Wow …«

      »Ja.«

      »Mich können die nicht feuern.«

      »Und den Kanzler auch nicht.« Sie sah mich forschend an. »Der Kanzler weiß doch, dass Sie die Verträge ausgesetzt haben, oder?«

      »Der Kanzler weiß eigentlich immer, was ich vorhabe oder tue.«

      Sie atmete erleichtert aus. »Das ist gut.« Dann wurde sie wieder sie selbst. »Also, wie ist die Strategie?«

      »Machen Sie Termine.«

      »Okay … mit wem?«

      »Mit den Bossen der Beraterfirmen. Ich will nur mit denen reden.«

      Sie lächelte. »Ausgezeichnete Idee.«

      Frau Möller rief an und vereinbarte Termine.

      Es kamen aber nicht die Deutschland-Chefs.

      Stattdessen kamen die Verkaufschefs, die wir wieder fortschickten.

      Zuerst riefen die Bosse die jeweiligen Staatssekretäre der Ministerien an, um sich über mich zu beschweren.

      Als sie dort nicht weiterkamen, ließen sie sich zu den Ministern durchstellen.

      Ohne Erfolg.

      Also wählten die Anzugträger erneut die Nummer des Bundeskanzlers.

      Dort wurden sie wieder an mich verwiesen.

      Jetzt riefen die Bosse an, um Termine zu vereinbaren.

      Sie bekamen ihn.

      Alle drei

      Zu selben Zeit.

      Bei mir.

      11

      »Glaubst du wirklich, dass sie die Verantwortlichen sind?«

      Bundeskanzler Schranz

      Sie saßen mir wie Hühner auf der Stange gegenüber. Drei Manager, alle durch ihre Tätigkeit zu Multimillionären geworden.

      Tobias Schultheiß, Europachef von Schultheiß & Partner. Jahresumsatz in Deutschland knapp zwölf Milliarden Euro. Umsatz weltweit fünfundvierzig Milliarden.

      Alexander Dorneburg, Europachef von WMKL, Jahresumsatz in Deutschland rund vierzehn Milliarden Euro. Umsatz weltweit siebenundvierzig Milliarden.

      Sönke Hauptmann, Vice President Europe von Copper, Waxmann und Partner, Jahresumsatz in Deutschland zehn Milliarden Euro. Weltweit dreiunddreißig Milliarden.

      Global betrug ihr Anteil am Gesamtumsatz im Bereich Wirtschaftsprüfung fast siebzig Prozent. Rund um den Globus verteilt arbeiteten mehr als siebenhundertfünfzigtausend Menschen für sie. Die drei waren erstaunlich jung für ihre Posten. Keiner von ihnen war älter als fünfundvierzig. Der Jüngste unter ihnen war Dorneburg mit einundvierzig Jahren.

      Sie waren alle schlank, hochgewachsen, glattrasiert, gebräunt und teuer gekleidet. Als gäbe es irgendwo eine Farm, auf der man solche Manager züchtete. Auch ihr Geschäftsprinzip war identisch. Sie selbst bezeichneten sich als ein globales Netzwerk rechtlich selbstständiger und unabhängiger Unternehmen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Unternehmensberatung. Sie berieten weltweit fast alle börsennotierten Unternehmen.

      Und sehr viele Regierungen.

      Deshalb saßen sie mir nun gegenüber.

      Weil ich das zumindest in Deutschland ändern wollte.

      Was