Caldera. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691614
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möchte auf jeden Fall diesen Ebel haben«, sagte sie. »Für den Fall, das eine Sprengung des Hauses nicht infrage kommt, überlass ihn mir.«

      »Selbstverständlich«, sagte Jonathan, der ein klein wenig enttäuscht war, dass er die Frau von Eichborn nicht töten konnte. Er hatte bislang noch niemals eine Schwangere getötet. Das übte auf ihn einen großen Reiz aus.

      Der Tag wird kommen, dachte er und widmete seine Aufmerksamkeit wieder dem Grundriss.

      17

      »Wissen Sie, was eine Caldera ist?«

      Thure Ollson

      Alawi flog allein nach Norwegen. Er musste so viel wie möglich über die beiden Personen herausfinden, die mutmaßlich von Moslehi getötet und anschließend in dem Blockhaus verbrannt worden waren. Seine Vorgesetzten würden ihm erst dann grünes Licht geben, wenn eindeutig feststand, dass Moslehi einen Anschlag plante. Vorher wäre es ihm nicht möglich, einzugreifen. Aus diesem Grund benötigte Alawi möglichst schnell Antworten. Daher reiste er auch selbst nach Schweden. Normalerweise hätte er das seinen Männern überlassen. Sein Entschluss, diese Reise anzutreten, hatte aber noch einen weiteren Grund. Niemand würde einem Mann seiner Herkunft Fragen zu zwei Toten beantworten, ohne selbst Fragen zu stellen. Das globale Misstrauen Menschen arabischer Abstammung gegenüber war zu groß. Deshalb hatte er einen ortsansässigen Privatdetektiven mit den Nachforschungen beauftragt. Thure Ollson hatte zwar einen unmoralisch hohen Vorschuss verlangt, aber wie es aussah, war er jeden Euro wert, den Alawi ihm überwiesen hatte.

      Ollson hatte sich bei Alawi gemeldet und ihn gebeten, nach Oslo zu kommen. Er hatte etwas herausgefunden, was zu heikel wäre, um es in einem Telefonat oder in einer Mail zu erwähnen. Zuerst dachte Alawi, dass man ihm eine Falle stellen wollte. Dann aber erinnerte er sich daran, dass sein Land die Dienste dieses Detektivs schon häufiger in Anspruch genommen hatte und Ollson ganz sicher kein Verräter war.

      Also machte er sich auf den Weg nach Norwegen. Er traf dort am frühen Nachmittag ein und ließ sich mit dem Taxi zum vereinbarten Treffpunkt bringen. Hierbei handelte es sich um das »Continental« im Zentrum Oslos, direkt gegenüber vom Nationaltheater. Der Eingang des Hauses war für ein Fünfsternehotel eher unspektakulär. Auch der Empfang war alles andere als beeindruckend. Erst als Alawi die Bar betrat, änderte sich das Bild. Marmor, wohin man sah, teure englische Möbel, extravagante Kronleuchter.

      Obwohl er schon so lange im Westen lebte, wunderte Alawi sich immer noch über die Verschwendungssucht der Europäer. Für das Geld, das hier ausgegeben worden war, hätte man Schulen oder andere wichtige Einrichtungen bauen können. Niemals würde er in einem solchen Haus übernachten wollen. Sein Hotel lag am Stadtrand Oslos. Für eine Nacht reichte ihm eine Unterkunft, die nur zwei Sterne aufwies und dennoch fast einhundert Euro kosten sollte. Er wollte gar nicht wissen, was man für eine Übernachtung in diesem Haus bezahlen musste.

      Als Ollson ihn sah, sprang er auf und kam auf ihn zugeeilt. Überschwänglich begrüßte er Alawi. Geld machte höflich. Viel Geld kriecherisch. Beide nahmen Platz und nach dem

      Austausch von Höflichkeiten zog Ollson seine Notizen zu Rate.

      »Also, die beiden Männer, die bei dem Feuer ums Leben kamen, waren anerkannte Fachleute im Bereich der Entwicklung von Simulationsprogrammen.«

      Alawi, der keine Ahnung hatte, was das bedeutete, sah Ollson stumm an.

      Der räusperte sich. »Okay, stellen Sie sich vor, jemand möchte wissen, was genau geschieht, wenn ein Vulkan ausbricht. Dieser jemand beauftragt Spezialisten damit, eben diesen Ausbruch am Computer zu simulieren. Mit allem Drum und Dran. Genau das haben die beiden getan.«

      »Es geht also um einen Vulkan?«

      »Nein, nein. Das war nur ein Beispiel. Die zwei haben in den letzten Jahren unterschiedliche Simulationen entwickelt. Aber ich habe herausgefunden, was ihre letzte Arbeit war. Dafür musste ich mich in ihre Cloud hacken«, erklärte er stolz.

      »Bitte, erzählen Sie mir von dem letzten Auftrag der beiden Männer.«

      »Wissen Sie, was eine Caldera ist?«, wollte der Detektiv von Alawi wissen.

      18

      »Sie sind definitiv schon auf dem richtigen Kontinent.«

      Clemens Hagedorn

      Einer der Vorteile, wenn man als Nationaler Sicherheitsberater des Bundeskanzlers arbeitete, war die Tatsache, dass ich auf Staatskosten reisen konnte. Ein Nachteil war, dass sich wesentlich mehr Menschen für das interessierten, was ich tat. Vor allem die Medien. Und Aufmerksamkeit war das Letzte, was ich gebrauchen konnte. Daher griffen wir zu einer List, damit ich mich mit Clemens Hagedorn treffen konnte, ohne dass irgendein übermotivierter Journalist Wind davon bekam und Fotos machte. Diese List erforderte jedoch auch eine gewisse Reisebereitschaft des Architekten. Denn ein Trip nach Thailand wäre schwerlich als dienstlich notwendig zu erklären gewesen.

      Ich nutzte also ein Treffen des UN-Sicherheitsrates, um mich mit Hagedorn zu treffen. Meine Assistentin war so aufmerksam gewesen, mir eine Suite im »Millennium Hilton Hotel« zu buchen, deren Kosten wahrscheinlich ein Loch in die Staatskassen riss. Die Suite hatte vierhundertzweiundzwanzig Quadratmeter, und der Blick auf die City war atemberaubend. Leider war Helen nicht mit. Als Schwangere sollte man auf Langstreckenflüge verzichten. Ich machte ein paar Fotos mit meinem Handy und schickte sie ihr. Als Antwort erhielt ich einen Mittelfinger. Dabei wollte ich nur nett sein.

      Am ersten Abend meines dreitägigen Aufenthaltes in New York besuchte mich Hagedorn in meiner Suite. Ich erklärte ihm in wenigen Minuten, um was es ging.

      Wie immer hörte er mir schweigend zu, ohne sich Notizen zu machen. Aus Erfahrung wusste ich, dass er das nicht brauchte.

      Als ich geendet hatte, sah er sich um. »Ich nehme an, Sie haben sich zuvor versichert, dass es hier in Ihrem Zimmer keine Wanzen gibt?«

      »Ja. Das ist inzwischen zu einer Notwendigkeit geworden«, bestätigte ich. Tatsächlich hatten meine Sicherheitsleute das erforderliche Equipment immer dabei.

      »Gut. Also wovon Sie sprechen nennt man imperium in imperio.«

      »Ach …«

      »Im Englischen spricht man vom Deep State.«

      »Das sagt mir schon eher was.«

      »Ich vermute, in Ihren ersten Monaten haben Sie schon Bekanntschaft damit gemacht«, mutmaßte Hagedorn.

      »In der Tat, das habe ich.«

      »Vermutlich war das nur die Spitze des Eisberges. Diese drei Beratungsunternehmen, die Sie erwähnten, ich denke, die befinden sich ganz unten in der Nahrungskette.«

      »Na ja«, sagte ich skeptisch. »Diese Konzerne sind schon groß …«

      »Gemessen am Umsatz vielleicht. Aber hier geht es nicht um Umsatz, hier geht es um Cash, also um liquide Geldmittel. Natürlich erwirtschaften Dienstleistungsunternehmen enorme Gewinne. Aber die können nicht so ohne Weiteres für Dinge verwendet werden, wie Sie sie beschreiben. Konzerne sind gegenüber einem Aufsichtsrat verantwortlich. Und vergessen Sie nicht die Aktionäre, die ihre jährlichen Dividenden haben wollen. Es ist unmöglich, Millionenbeträge aus dem Gewinn einer Aktiengesellschaft abzuziehen, ohne die Bilanz zu fälschen. Und das werden sie nicht tun, weil es zu riskant wäre.

      »Wenn Sie recht haben und diese drei am Ende der Nahrungskette stehen, wo muss ich dann hinsehen?«

      »Sie sind definitiv schon auf dem richtigen Kontinent.«

      »Aber wo genau setze ich an?«

      »Sie wollen doch eigentlich, dass ich das tue, oder?«

      »Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen, ja«, gab ich zu.

      Er nickte, als hätte er das schon gewusst. »Wissen Sie, hier geht es nicht unbedingt darum, die