Caldera. V. S. Gerling. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: V. S. Gerling
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956691614
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Kreuzberg. Man hatte ihn erstochen.

      »Und«, wollte Rohani wissen. »Wie fühlt sich Gerechtigkeit an?«

      Al Farag hörte in sich hinein.

      Wie fühlte es sich für ihn an, dass man den Mörder seines Sohnes getötet hatte?

      »Sie fühlt sich sehr gut an«, antwortete Al Farag. »Es fühlt sich richtig an.«

      Rohani hatte zufrieden genickt. »Nun geh nach Hause zu deiner Tochter«, riet er ihm.

      Als Al Farag gegangen war, gesellte sich ein anderer Mann zu Rohani.

      Er war Iraner, so wie Al Farag.

      Rohani sah ihn an. »Hast du die nötigen Anrufe erledigt?«

      Der Mann nickte. »Ja. Man wird sie demnächst anrufen, und ihr einen Job anbieten.«

      Rohani wirkte sehr zufrieden. »Gut. Sehr gut.«

      4

      »Das ›Vier Jahreszeiten‹ hat auch eine Bar.«

      Nicolas Eichborn

      Das Hotel »Bayrischer Hof« im Herzen Münchens war eine Welt für sich. Vor allem dann, wenn hier an drei Tagen im Jahr die Sicherheitskonferenz stattfand. Dann herrschte in ganz München Ausnahmezustand. Am Vortag der Konferenz erreichten wir München. Eine Wagenkolonne brachte uns vom Flughafen zum Hotel. Ich bevorzugte ein Zimmer im in der Nähe gelegenen Hotel »Vier Jahreszeiten«. Zwar waren auch dort viele Gäste der Konferenz untergekommen, aber bei ihnen handelte es sich um die zweite Garde der Teilnehmer, was mir nur recht war.

      Ich wollte meine Ruhe haben.

      Meine Assistentin bekam Schnappatmung, als sie von dieser Änderung der Agenda erfuhr.

      »Ich dachte, wir übernachten im gleichen Hotel«, sagte sie.

      »Ich bin verheiratet, Frau Schulz«, sagte ich trocken.

      Der Außenminister, der mir gegenübersaß, war sichtlich bemüht, sein Lachen zu unterdrücken.

      »Sie wissen genau, dass ich das nicht meinte«, sagte sie leise.

      »Ja, ich weiß. Entschuldigung.«

      »Warum tun Sie so etwas?«, wollte sie enttäuscht wissen.

      »Weil ich es kann?«

      »Ich versuche, Sie kennenzulernen, Herr Eichborn. Sie machen mir meine Aufgabe nicht einfacher, wenn Sie mich nicht informieren und ich nicht weiß, warum Sie so was machen.«

      »Okay …«

      Sie sah mich auffordernd an.

      Ich zuckte mit den Achseln. »Was?«

      »Warum haben Sie Ihr Zimmer ins ›Vier Jahreszeiten‹ verlegt?«

      »Weil ich meine Ruhe haben möchte«, erklärte ich. »Ich möchte nicht jeden Abend einem Diplomaten oder, was noch viel schlimmer wäre, einem der Typen aus den USA über den Weg laufen.«

      Fassungslos blickte Schulz zu Außenminister Köhler. »Herr Minister, nun sagen Sie doch auch mal was«, beschwerte sie sich.

      »Was soll ich denn sagen? Er ist alt genug.«

      »Aber gerade am Abend, an der Bar, in ungezwungener Atmosphäre, da entstehen doch die wichtigen Gespräche.«

      »Das ›Vier Jahreszeiten‹ hat auch eine Bar«, erklärte ich ihr.

      »Ja genau. Und da sitzen Sie dann am Abend und reden mit den Dolmetschern oder den Sicherheitsleuten. Herr Eichborn, also bitte …«

      »Okay«, sagte ich und hob abwehrend die Hände, »ich werde jeden Abend an der Bar des ›Bayrischen Hofes‹ sitzen. Aber ich übernachte im ›Vier Jahreszeiten‹.«

      Sie dachte über diesen Kompromiss nach und nickte schließlich. »Einverstanden.«

      Die Kolonne stoppte vor dem »Bayrischen Hof« und als Erstes stiegen die Personenschützer aus. Niemand schoss, keiner warf mit Eiern oder Handgranaten.

      Deshalb durften auch wir aussteigen.

      Ich hatte einen Rollkoffer dabei und zwei Kleidersäcke, in denen meine Anzüge und die dazu passenden Hemden darauf warteten, befreit zu werden.

      Ich wandte mich zum Gehen.

      »Wo wollen Sie hin?«, wollte der Außenminister wissen.

      »In mein Hotel. Ich komme dann gleich wieder hierher zurück und wir können in die Bar gehen.«

      »Sie können nicht zu Fuß ins Hotel gehen«, meinte Köhler.

      »Doch. Das schaffe ich«, widersprach ich.

      »Ich meinte, Sie dürfen nicht zu Fuß gehen.«

      »Ach. Darf ich nicht?«

      Er kam auf mich zu. »Herr Eichborn, Sie sind jetzt Mitglied des Kabinetts der Bundesrepublik Deutschland. Vollkommen egal, wie surreal das für Sie klingt, es ist so. Einhergehend mit der Position des Sicherheitsberaters sind Sie eine Person der Gefährdungsstufe eins.«

      »Also nicht so schlimm, oder?«, fragte ich hoffnungsvoll.

      »Eins ist die höchste Stufe, Herr Eichborn. Sie gehen nirgendwo mehr alleine hin.«

      »Oh … das hat der Kanzler irgendwie vergessen zu erwähnen …«

      Natürlich hatte ich zu Beginn meiner Tätigkeit ein Sicherheits-Briefing erhalten. Ein Beamter der Sicherungsabteilung des BKA hatte mir ausführlich erläutert, was mir alles zustoßen könnte, wenn ich nicht auf meine Personenschützer hören würde. Da ich der Meinung war, genügend Erfahrung im Bereich Bedrohungsszenarien zu besitzen, hörte ich ihm nur mit einem Ohr zu. Er schien das bemerkt zu haben, denn Tage später hörte ich von dem Gerücht, meine Ehefrau Helen hätte meinen Leibwächtern die Genehmigung erteilt, mir ins Bein zu schießen, sollte ich versuchen, abzuhauen. Ich dachte kurz daran, mir eine Waffe zu besorgen, nahm davon aber wieder Abstand, weil ich schon die Schlagzeilen der Boulevard-Presse vor mir sah: Sicherheitsberater des Kanzlers liefert sich Feuergefecht mit eigenen Personenschützern.

      Köhler schüttelte den Kopf. »Es ist ja nicht so, dass Sie diese Position erst seit gestern bekleiden. Sie haben schon längst bemerkt, dass sich Dinge geändert haben. Also, steigen Sie wieder in den Wagen und lassen Sie sich zum Hotel bringen. Wir sehen uns in einer Stunde an der Hotelbar.«

      5

       »Sie sind dieser Eichborn, oder?«

      Samuel McFarlan

      Eine Stunde später war ich wieder im »Bayrischen Hof«. Ich wandte mich an den Concierge, während meine beiden Personenschützer jeden anknurrten, der mir zu nahe kommen wollte. Viele waren das Gott sei Dank nicht.

      »Ich wüsste gerne, wie ich in die Hotelbar komme«, sagte ich.

      »In welche wünschen Sie zu gehen?«

      »Äh …«

      »Wir haben nämlich sechs Hotelbars.«

      »Ach …«

      »Sind Sie verabredet?«

      »Ja.«

      »Und mit wem?«

      »Mit dem Außenminister.«

      »Dem deutschen Außenminister?«

      »Bis vor sechzig Minuten war das so, ja.«

      »Sie finden Herrn Minister Köhler in der ›Falk’s Bar‹.«

      »Ah ja …«

      Er winkte jemanden heran. Meine beiden Personenschützer kamen ein klein wenig näher.

      »Die ›Falk’s Bar‹