»Die aber nichts mit der Wahrheit zu tun haben muss.«
»Vielleicht wissen sie aber mehr als wir. Ich will, dass die Sache endlich aufgeklärt wird. Ich habe vor, morgen mit Harald zu den betroffenen Sägewerken zu fahren. Da die Polizei die Sache offensichtlich nicht in den Griff bekommt, müssen wir uns zusammenschließen und überlegen, wie wir uns gegen die Holzdiebe schützen können.«
»Wie soll das aussehen?«, fragte Sebastian.
»Das weiß ich noch nicht. Ich werde erst einmal nur mit allen reden.«
»Wäre es dir möglich, während dieser Gespräche auf weitere Anschuldigungen gegen Ingvar Wering zu verzichten?«
»Du und Anna, ihr seid euch mal wieder einig. Sie hält ihn auch für unschuldig, wie sie mir gerade versichert hat. Genauso wie die junge Dame, die dir gerade einen Besuch abstattet«, sagte Miriam und streifte Fabia mit einem kurzen Blick, »was nur allzu verständlich ist, da sie ihn durch die rosarote Brille ansieht.«
»Ich denke, Frau Regners Blick auf Herrn Wering ist trotzdem klarer als dein Tunnelblick auf einen möglichen Täter. Warte einfach ab, bis es echte Beweise gibt, auf die kannst du dann entsprechend reagieren.«
»Meinetwegen«, lenkte Miriam ein, als Sebastian sie ansah.
»Markus kommt nachher vorbei. Wir wollen uns die Filme auf Ingvars Seite noch mal ganz genau ansehen. Vielleicht finden wir etwas, was bisher übersehen wurde«, sagte Emilia, die im Schneidersitz auf dem Boden saß und Nolan streichelte.
»Ich denke, diese Mühe ist vergebens. Die Polizei hat Experten für diese Art der Beweissuche«, sagte Miriam.
»Auch Experten entdecken nicht alles. Manchmal ist es erfolgsversprechender, einfach ganz unbedarft an eine Sache heranzugehen.«
»Da muss ich ihr recht geben«, stimmte Sebastian seiner Tochter zu.
»Du gibst ihr doch immer recht.«
»Das stimmt leider nicht, Miri«, antwortete Emilia mit einem tiefen Seufzer.
Auf jeden Fall hat Sabine Mittner damit recht, dass Miriam und Sebastian ein besonderes Verhältnis verbindet, dachte Fabia. Als Anna kurz darauf auf die Terrasse kam und Miriam ihr sofort den Platz neben Sebastian frei machte, war ihr aber sofort klar, dass Miriam wusste, dass ihr besonderes Verhältnis zu dem jungen Arzt Grenzen hatte.
»Ich mache mich dann wieder auf den Weg«, sagte Miriam und zog ihren Autoschlüssel aus der Tasche ihrer weißen Jeans.
»Sagst du uns Bescheid, was morgen bei deiner Rundreise herauskommt?«, wollte Sebastian wissen.
»Ja, sicher, das mache ich. Bis morgen, einen schönen Abend noch«, verabschiedete sie sich und ging die Treppe durch den Steingarten hinunter zur Straße.
»Bleiben Sie doch zum Abendessen bei uns«, bat Traudel, als sie auf die Terrasse kam und Fabia sich verabschieden wollte.
»Ich überlege gerade, ob ich zu Ingvar fahren sollte, um zu versuchen, ihn aufzuheitern.«
»Geben Sie ihm ein wenig Zeit, über alles nachzudenken.«
»Aber ich möchte, dass er weiß, dass ich zu ihm halte und dass ich keine Angst davor habe, was andere Leute deshalb über mich denken.«
»Das weiß er, da bin ich mir sicher. Er wird sich wieder fangen«, versicherte ihr Traudel.
»Das wünsche ich ihm von ganzem Herzen.«
»Wenn Sie für ihn da sein wollen, dann brauchen Sie Zuversicht. Wenn Sie hier bei uns bleiben, werden Sie nicht die ganze Zeit grübeln, und das wird Ihnen gut tun«, sagte Anna.
»Gut, ich bleibe«, erklärte sich Fabia einverstanden.
Während Emilia und Anna Traudel halfen, den Tisch draußen auf der Terrasse zu decken, dachten Fabia und Sebastian erneut darüber nach, ob ihnen etwas zu Ingvars Entlastung einfiel, aber da war nichts.
Da sich Fabia entschlossen hatte, zum Abendessen bei den Seefelds zu bleiben, lernte sie nun auch Benedikt Seefeld, Sebastians Vater, kennen. Der attraktive ältere Mann hatte den Nachmittag auf dem Golfplatz verbracht und für ein Turnier trainiert, wie sie aus dem Gespräch heraushörte, das er mit seinem Sohn führte.
»Er ist ein echter Champion. Die Konkurrenz fürchtet ihn«, sagte Sebastian und wandte sich Fabia zu, um sie in das Gespräch miteinzubeziehen.
»Ich hoffe nicht, dass sie mich wirklich fürchten, sonst will irgendwann niemand mehr gegen mich spielen«, entgegnete Benedikt lächelnd.«
»Die Konkurrenten werden Ihnen mit Sicherheit nicht ausgehen. Es gibt immer Menschen, die die Herausforderung suchen«, sagte Fabia.
»Die wissen wollen, was möglich ist, und sich nicht mit einer Annahme abfinden. Ist es nicht so?«, fragte Sebastian und sah Fabia an.
»Doch, genauso ist es«, stimmte sie ihm zu, weil sie genau wusste, was er damit meinte. Es war genau das, was sie jetzt hören wollte, weil es ihr Hoffnung machte, dass alles wieder gut wurde.
Zum Abendessen gab es gebratene Knödel mit Rühreiern und Salat. So wie Traudel dieses einfache Essen zubereitete, schmeckte es ebenso köstlich wie der Brombeerkuchen, den es zum Dessert gab.
Nach dem Essen kam Markus. Er und Emilia zogen sich auf ihr Zimmer zurück, und Fabia ließ sich zu einer Partie Schafkopf überreden. Die erste Runde spielte sie noch aus Höflichkeit mit, bei der zweiten hatte sie schon richtig Spaß und ließ sich von der Spielfreude der anderen anstecken.
Als sie sich gegen elf von ihren Gastgebern verabschiedete, hatte sie das Gefühl, wieder klarer denken zu können. Sie hatte Markus angeboten, ihn mit zum Mittnerhof zu nehmen, damit er in der Nacht nicht mit dem Fahrrad unterwegs sein musste. Aber er wollte bei den Seefelds im Gästezimmer übernachten, so wie er es an den Wochenenden hin und wieder tat.
»Markus schläft wirklich im Gästezimmer?«, fragte Fabia leise, als Traudel sie zu ihrem Auto begleitete.
»Vermutlich wird er wieder im Schlafsack auf dem Boden in Emilias Zimmer übernachten, und Nolan wird sich dort auch noch ein Plätzchen suchen. Aber wissen Sie, wir vertrauen Emilia und Markus, und sie vertrauen uns«, antwortete Traudel lächelnd.
»Ich denke, das ist eine hervorragende Ausgangslage. Vertrauen gegen Vertrauen«, sagte Fabia und stieg in ihr Auto. Sie hoffte, dass es Ingvar genauso sah. Sie vertraute ihm, er konnte ihr vertrauen.
*
Miriam und Harald Baumann brachen am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück zu ihrer Rundreise durch das Tal auf. Harald, ein sportlicher junger Mann mit auffällig rotem Haar, war Miriams Assistent im Sägewerk und spielte auch in ihrem privaten Leben eine große Rolle. Wie groß diese Rolle wirklich war, das wusste er selbst nicht so genau. Da er Miriam aber leidenschaftlich liebte und er auch so manche Nacht bei ihr verbringen durfte, hinterfragte er sein Verhältnis zu ihr nicht weiter.
Genau wie Miriam legte auch er viel Wert auf elegante Kleidung. Sie trug an diesem Morgen ein knielanges schwarzweißes Leinenkleid und schwarze Pumps und er einen dunkelgrauen Anzug mit silbergrauem Hemd. Er wusste, dass es ein Vertrauensbeweis war, dass sie ihm das Steuer ihres Sportwagens überließ. Dass sie während der Fahrt ganz entspannt auf dem Beifahrersitz saß, empfand er als zusätzliche Auszeichnung. Sie fühlte sich sicher bei ihm.
Miriam hatte ihren Besuch überall telefonisch angekündigt, und so wurden sie in den Sägewerken und den Forstverwaltungen, die von den Holzdiebstählen betroffen waren, freundlich empfangen. Alle waren genau wie sie der Meinung, dass sie gemeinsam etwas unternehmen mussten, um diesen Dieben das Handwerk zu legen. Wie sie das anstellen wollten, darüber waren sie sich noch nicht einig.
Einige schlugen vor, batteriebetriebene Kameras im Wald