»Schon merkwürdig, dass die Holzdiebe immer dort aufgetaucht sind, wo du gerade warst«, sagte Fabia nachdenklich und trank einen Schluck von dem nach Lavendel duftenden Tee.
»Denkst du auch, ich hätte etwas damit zu tun?«, fragte Ingvar und hielt Fabias Blick fest.
»Nein, natürlich nicht. Aber ich muss dem Kommissar recht geben, ein Zufall ist das nicht. Deshalb muss es eine Verbindung geben.«
»Warum haben Sie ihm nicht gesagt, was Sie mit Ihrem Geld gemacht haben?«, fragte Traudel.
»Weil es ihn nichts angeht. Meine Eltern haben bei einem Anlagegeschäft den falschen Leuten vertraut. Ich habe ihnen das Geld gegeben, damit sie ihr Haus nicht verlieren. Sie wollten es erst nicht, deshalb habe ich es abgehoben und ihnen einfach in die Hand gedrückt.«
»Wenn der Kommissar dich nicht in Ruhe lässt, solltest du ihm davon erzählen, und deine Eltern sollten es bestätigen.«
»Ich hoffe, soweit kommt es nicht. Meine Eltern haben sich gerade wieder ein bisschen gefangen. Ich will nicht, dass sie sich jetzt um mich Sorgen machen müssen. Es ist doch verrückt. Ich werde im Wald fast erschlagen, und statt denjenigen zu suchen, der dafür verantwortlich ist, stehe ich unter Verdacht?« Ingvar schüttelte fassungslos den Kopf und schloss für einen Moment die Augen.
»Es wird sich alles aufklären, Ingvar. Sie haben keinen Beweis dafür, dass du mit den Dieben gemeinsame Sache machst«, machte Fabia ihm Mut.
»Ich wäre nicht der erste, der unschuldig ins Gefängnis wandert.«
»So weit sind wir noch lange nicht.«
»Im Moment scheine ich aber der einzige Verdächtige zu sein, und deshalb wird Kommissar Brenner mich erst einmal nicht loslassen.«
»Doch, das wird er, weil du nichts getan hast. Wir fahren jetzt zu dir und überlegen uns, wie wir diesen Kommissar von deiner Unschuld überzeugen«, sagte Fabia.
»Einverstanden, ich würde mich auch gern einen Moment hinlegen. Ich glaube, ich habe eben ziemlich verkrampft dagesessen. Ich wurde bisher noch nie eines Verbrechens beschuldigt. Das Ganze macht mir schon ein bisschen Angst.« Ingvar versuchte, seinen Rücken zu entspannen, damit der unangenehme Druck auf seinen Rippen nachließ. »Vielen Dank für den Tee, Frau Bruckner«, verabschiedete er sich kurz darauf von Traudel.
»Lassen Sie sich nicht unterkriegen. Wir werden uns alle ein bisschen umhören. Vielleicht weiß ja doch jemand etwas, was den Herrn Kommissar auf die richtige Spur führt«, sagte Traudel.
»Das wäre schön, aber im Moment fühle ich mich in die Ecke gedrängt«, entgegnete Ingvar.
»Glauben Sie mir, irgendjemand erfährt immer etwas. Hier im Tal kennen sich die Leute. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass diese Diebe auf Dauer davonkommen«, versicherte ihm Traudel.
»Wuff«, machte Nolan und reckte seinen Kopf in die Höhe.
»Also gut, wenn auch er davon ausgeht, dass die Wahrheit herauskommt, dann will ich das auch tun«, sagte Ingvar.
Während Traudel ihn in den Hof begleitete und ihm noch ein wenig Trost zusprach, holte Fabia ihr Auto, damit Ingvar nicht auf seiner Krücke den abschüssigen Weg zur Straße hinunterlaufen musste.
»Alles wird gut«, sagte Traudel und winkte den beiden noch eine Weile nach.
»Wie ist es gelaufen?«, fragte Sebastian, der auf dem Weg zu einem Hausbesuch aus der Praxis kam.
»Erschreckend, wie schnell jemand unter Verdacht geraten kann. Ein paar Dinge, die ein Außenstehender sich nicht erklären kann, und schon scheint alles zu passen«, seufzte sie.
»Ein guter Ermittler sollte herausfinden, ob etwas nur so scheint oder der Wahrheit entspricht. Hoffen wir, dass Kommissar Brenner ein guter Ermittler ist«, entgegnete Sebastian.
»Wie lange wirst du weg sein?«
»Ich weiß nicht, ich habe mehrere Hausbesuche. In der Praxis ist aber heute ohnehin nicht so viel los. Vater wird das bis zum Mittagessen locker schaffen.«
»Pass auf dich auf, Sebastian«, sagte Traudel.
»Das mache ich doch immer«, versicherte ihr Sebastian und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, bevor er in seinen Wagen stieg.
*
»Was ist denn hier los?« Ingvar konnte nicht fassen, was er sah, als sie in die Straße einbogen, in der er wohnte.
Vor seiner Haustür stand ein Übertragungswagen des regionalen Fernsehsenders, und einige Reporter mit Mikrophonen in der Hand drängten sich vor der Haustür. Frau Bader und ihr Mann standen am Fenster und gaben den Reportern offensichtlich bereitwillig Auskunft.
»Ich denke, sie sind wegen dir hier. Wir sollten umkehren«, schlug Fabia vor, als sich die Reporter in ihre Richtung umdrehten.
»Ja, bitte, bloß weg hier«, bat Ingvar und duckte sich, als Fabia anhielt, wendete und wieder nach Bergmoosbach zurückfuhr.
»Er sitzt in dem Auto, meinen Sie?«, fragte eine aufgeregte Reporterin und hielt Frau Bader ihr Mikrophon vor das Kinn.
»In dem Auto hat ihn heute Morgen eine hübsche junge Frau abgeholt. Sie kümmert sich wohl nach seinem Unfall um ihn. Herr Wering ist ein ganz ein netter Mann, wissen Sie. Deshalb wollen Sie wohl auch alle wissen, was ihm zugestoßen ist.«
»Ja, genau, deshalb sind wir hier«, versicherte ihr die Reporterin. »Wie heißt denn die junge Frau und wo wohnt sie?«, fragte sie gleich nach.
»Das tut mir sehr leid, das weiß ich nicht«, bedauerte Frau Bader.
»Ich denke, das reicht, meine Liebe. Die wollen uns nur aushorchen.« Herr Bader, ein kleiner Mann mit Kugelbauch, der in einer Cordhose mit Hosenträgern steckte, zog seine Frau vom Fenster weg und schloss es.
»Hat jemand das Nummernschild von dem Wagen gerade eben erkannt?!«, rief die Reporterin, die mit Frau Bader gesprochen hatte, in die Menge. Sie erntete nur Achselzucken. Wie es aussah, hatte niemand auf das Kennzeichen geachtet.
*
»Was ist passiert? Sie sehen beide so aus, als hätten Sie gerade etwas Unangenehmes erlebt«, stellte Sabine Mittner fest, die mit Bastian auf dem Arm im Hof stand, als Fabia und Ingvar aus dem Auto stiegen.
»Wir hatten einen aufregenden Vormittag«, sagte Fabia.
»Wollen Sie darüber reden?«
»Ja, unbedingt, weil sich die Sache vermutlich ausweitet und Sie die Wahrheit kennen sollten, bevor die Gerüchte die Runde machen. Oder bist du anderer Meinung?«, wandte sich Fabia an Ingvar.
»Nein, ich bin auch dafür, dass Frau Mittner wissen sollte, was sich um mich herum zusammenbraut.
»Setzen wir uns«, sagte Sabine.
Sie gingen zu dem Tisch auf der Wiese. Sabine setzte Bastian in den Sandkasten, gab ihm ein Fläschchen mit Bananensaft und holte für sich und ihre Gäste drei Gläser Orangensaft aus der Küche.
»Zwei Polizeibeamte aus Garmisch sind vorhin in der Praxis Seefeld aufgetaucht und haben Ingvar beschuldigt, mit den Holzdieben, die seit einigen Wochen in der Gegend die Waldbesitzer bestehlen, gemeinsame Sache zu machen«, sagte Fabia.
»Und in ihren Augen gibt es schwerwiegende Hinweise, die das bestätigen«, gestand ihr Ingvar und erzählte ihr von der Überprüfung seiner Konten und seiner Internetseite.
»Und jetzt stehen bereits die Reporter vor seiner Tür«, fügte Fabia schließlich noch hinzu.
»Dann sollten Sie erst einmal hier bleiben. Wenn Sie etwas richtigstellen möchten, Herr Wering, dann spreche ich mit dem Bergmoosbacher Tagblatt, dass sie jemanden herschicken. Unsere Zeitung lässt sich zwar auch ungern eine aufregende Neuigkeit entgehen, aber sie beteiligen sich eigentlich nicht an wilden Spekulationen«,