Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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nächste Saison gesperrt. Livingstone war außer sich, weil ihm langsam dämmerte, was der wahre Plan der Konkurrenz war: Man wollte ihn dauerhaft ausschließen. Als er herausfand, dass die anderen Vereine seinen Spielern bereits Jobs für die spielfreien Sommermonate in ihren Städten besorgt hatten, verklagte er die Liga sowie die restlichen Teambesitzer – das Tischtuch war endgültig zerschnitten. Niemand wollte noch länger mit Livingstone zusammen in einer Liga spielen. Nur war da immer noch der Umstand, dass sie keine Möglichkeit hatten, ihn auf legalem Wege aus der NHA zu werfen.

      Also heckten sie einen raffinierten Plan aus, der bis heute der Gründungsmythos der NHL ist. Am 26. November 1917 trafen sich die übrigen vier Teambesitzer im Windsor Hotel in Montreal und fassten einen weitreichenden Beschluss: Anstatt ihren Widersacher dazu zu bringen, die NHA zu verlassen, verabschiedeten sie sich selbst und gründeten eine neue Liga. Was Livingstones Intimfeind, Sam Lichtenstein, Besitzer der Montreal Wanderers, gegenüber einem Reporter süffisant zusammenfasste: „Wir haben Livingstone nicht rausgeworfen, er hat immer noch sein Franchise in der alten National Hockey Association, er hat sein Team, und wir wünschen ihm alles Gute. Das einzige Problem ist, dass er jetzt in einer Ein-Team-Liga spielt.“ Der Rest startete derweil in einer neuen Liga: Die National Hockey League war geboren.

       1917 bis 1942

       Eine Liga kämpft ums Überleben

       Die NHL war mitnichten von Beginn an eine Erfolgsgeschichte. Nach wenigen Wochen waren nur drei Teams übrig, die neue Liga stand gleich wieder vor dem Aus. Auch danach gab es trotz zwischenzeitlicher Erfolgsphasen und neuen Teams in den USA immer wieder Probleme. Wirtschaftskrisen und Weltkriege brachten sie mehrmals an den Rand ihrer Existenz.

      Ganze 16 Tage war die National Hockey League (NHL) alt, da standen die Zeichen bereits auf Abschied. Hätten die Funktionäre die neue Liga gleich wieder begraben, es hätte ihnen wohl niemand verübelt. Nicht nur, weil es damals ohnehin an der Tagesordnung war, dass professionelle Eishockey-Ligen kamen, gingen und schnell von der nächsten abgelöst wurden, sondern weil eine Liga wohl selten unter so schlechten Vorzeichen gestartet ist wie die NHL.

      Die neue Eliteliga war ja alles andere als von langer Hand geplant und in Ruhe vorbereitet worden, sie war aus der Not geboren, um nach dem Ausscheiden des Armeeteams aus der alten National Hockey Association (NHA) neu anzufangen. Und natürlich um den verhassten Teambesitzer Eddie Livingstone loszuwerden. Ein erfolgreiches Unterfangen, denn in der NHL hatte der streitbare Mann aus Toronto nichts zu melden. Was allerdings nicht bedeutete, dass er sich geschlagen gab.

      Nachdem ihn die übrigen Teambesitzer aus der NHA ausgetrickst und ihre eigene Liga ohne ihn gegründet hatten, zog sich Livingstone nicht etwa zurück, er begann eine Klagewelle, die die NHL über Jahre beschäftigen und an den Rande des Ruins treiben sollte. Und das alles, während die Funktionäre darum bemüht waren, die neue Liga zu etablieren. Was schwieriger war als gedacht, die ersten Bewährungsproben für Frank Calder, den Boss der neuen Liga, ließen nicht lange auf sich warten.

      Calder, nach dem heute die Trophäe für den besten Rookie der Saison benannt ist, entwickelte sich zu einem Glücksfall für die Liga. Schnell erarbeitete er sich den Ruf, ein regelrechter Workaholic zu sein. Über Jahre war er der einzige Angestellte der NHL, er hatte nicht mal eine Bürohilfe. Trotzdem navigierte er die Liga durch die stürmischen ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts mit ihren Weltkriegen und Wirtschaftskrisen.

      Dabei hatte Frank Calder mit Eishockey ursprünglich gar nichts am Hut. Als er 1900 als Engländer mit schottischen Wurzeln nach Kanada übersiedelte, gab es für ihn lediglich Fußball, Rugby und Cricket. Während seiner Zeit als Privatlehrer und später als investigativer Journalist für den „Montreal Witness“ und den „Montreal Herald“ war er bei diversen Teams und Ligen in den Sportarten aus seiner alten Heimat aktiv. Erst 1914 wurde er von den NHA-Bossen verpflichtet, die Finanzen der Liga im Auge zu behalten. Das tat er so umsichtig, dass ihn die neue NHL als Präsident verpflichtete. Für 800 Dollar pro Saison, wie D’Arcy Jenish in seinem Buch über die NHL schreibt.

      Für die musste er mächtig rackern. Als Erstes ging es darum, das Fehlen des verhassten Eddie Livingstone und seiner Mannschaft aus Toronto zu kompensieren. Ohne einen Verein aus einer der wichtigsten Städte Kanadas brauche die NHL gar nicht erst an den Start gehen, hieß es. Also installierte Calder mithilfe der Besitzer der örtlichen Arena einen neuen Verein in Toronto, der sich wenig kreativ Toronto Arenas nannte. Doch das nächste Problem ließ nicht lange auf sich warten: Das Team aus Québec verabschiedete sich noch vor dem ersten Bully. Die Bulldogs hatten finanzielle Probleme und gaben bekannt, gleich in der ersten Spielzeit auszusetzen.

      So blieben nur noch vier Teams übrig, die jeweils 24 Spiele absolvieren sollten, bis der Sieger der Hinrunde im Finale auf den Sieger der Rückrunde trifft: die Montréal Canadiens, die Montréal Wanderers, die Ottawa Senators und die neuen Toronto Arenas. Das waren zwar nicht viele, für die Premierensaison sollte das aber reichen. Zumal sich der Saisonstart am 17. Dezember 1917 verheißungsvoll anließ. Volle Hallen, große Medienaufmerksamkeit und eine Leistung für die Ewigkeit: Joe Malone von den Montréal Canadiens schoss gleich am historischen ersten Spieltag fünf Tore beim 7:4-Sieg über die Senators. Am Ende der Saison hatte Malone sogar 44 Treffer in 20 Spielen erzielt. Die bis heute beste Torquote und eine absolute Zahl, die Maurice Richard erst 25 Jahre später knacken sollte. Für seine 50 Tore brauchte er allerdings 50 Spiele.

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      Gehasst, gefürchtet, ausgetrickst: Eddie Livingstone war der umstrittenste Funktionär der NHL.

       Montréals Halle brennt ab – da waren es nur noch drei

      Doch die gute Laune in der neuen NHL hielt nicht mal drei Wochen. Am 2. Januar 1918 passierte das Undenkbare: Am Morgen des Derbys zwischen den Montréal Canadiens und den Montreal Wanderers brach ein Feuer in einer Kabine der Westmound Arena aus, die bis auf die Grundmauern niederbrannte. Das Stadion, Heimat von Wanderers und Canadiens, war 1898 extra für Eishockey konzipiert worden, bot 10.000 Zuschauern Platz und hatte als erste Halle überhaupt einen knapp 1,20 Meter hohen Zaun um das Spielfeld gespannt, was stilbildend wurde und das Eishockey-Spiel für immer veränderte, weil jetzt über Bande gespielt werden konnte. Nun war das Stadion binnen weniger Stunden Geschichte. Und mit ihm die Wanderers. Vergeblich baten sie die Konkurrenz um finanzielle Hilfe.

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      1898 extra für Profi-Eishockey gebaut: die Westmount Arena in Montréal. (Foto: Arthur Farrell)

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      Am 2. Januar 1918 brannte die Westmound Arena bis auf die Grundmauern nieder. (Foto: Alfred Walter Roper)

      Für die Liga war das eine mittelschwere Katastrophe. Nicht nur, weil nun nur noch drei Teams übrig waren, was nicht mal für zwei Partien pro Spieltag reichte, sondern weil die Wanderers eine Institution waren. Heute sind sie fast vergessen, damals waren sie das erfolgreichste und berühmteste Eishockey-Team der Liga, ja vielleicht ganz Kanadas. Die Wanderers waren eine der ersten Profimannschaften des Landes und hatten nicht nur diverse Ligen durchlaufen und überlebt, sondern zwischen 1906 und 1910 auch viermal den Stanley Cup gewonnen. Während die Canadiens von den französischsprachigen Einwohnern in Montréal geliebt und gefeiert wurden, waren die Wanderers das Team, das die englischsprachigen Fans weit über die Stadtgrenzen hinaus begeisterte.

      Zwar hatten die Wanderers spätestens seit Beginn des Ersten Weltkriegs wichtige Spieler und den Anschluss an die Konkurrenz verloren, ihr Name stand aber weiterhin für Erfolg und Glanz. Folglich spielten sie in den Planungen der NHL eine Hauptrolle: Sie sollten das Zugpferd für die neue Liga werden. Doch kaum hatte die begonnen, waren die Wanderers auch schon wieder weg. Nicht jedoch, ohne sich auf ewig einen Platz im Geschichtsbuch der NHL gesichert zu haben. Einen, der ihnen nicht mehr genommen werden kann: War es doch Dave Ritchie von den Wanderers, der das historische erste Tor der NHL-Geschichte erzielte.

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