Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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reichte es dennoch nicht für den großen Wurf eines US-Teams. Zwar ließen alle drei sofort die Montréal Canadiens und die St. Pats aus Toronto hinter sich, gegen die Montreal Maroons und die Ottawa Senators hatten sie aber keine Chance. Am Ende gewannen die Maroons die Meisterschaft und holten gegen die Victoria Cougars aus der PCHA auch den Stanley Cup.

      Doch was den Glamour-Faktor angeht, standen die Americans ganz oben. Eine Halle wie den von Boxpromoter Tex Rickard umgebauten Madison Square Garden hatte die Welt noch nicht gesehen. Spiel für Spiel traf sich die Prominenz der Stadt auf den Tribünen. Für die wurde der Garden extra auf 15 Grad geheizt, man wolle ja nicht, dass „die Damen frieren, wenn sie hier in ihren luftigen Abendkleidern sitzen ohne einen Umhang auf den Schultern“, hieß es. Das machte sich allerdings in Sachen Eisqualität bemerkbar, was die Spieler immer wieder kritisierten, erst spät lenkte Rickard ein. Trotzdem wurden die Americans, die zu einem Großteil aus dem Hauptrunden-Meisterteam aus Hamilton aus dem Vorjahr bestanden, nur Fünfte in der auf sieben Teams angewachsenen NHL.

      Tragisch verlief die Saison derweil für die Canadiens aus Montréal. Nicht nur, dass sie den letzten Platz belegten und mitansehen mussten, wie ihr neuer Konkurrent aus der eigenen Stadt den Titel gewann, sie verloren auch ihren Startorhüter Georges Vézina. Der infizierte sich mit Tuberkulose und starb während der Saison. Ihm zu Ehren ist bis heute die Trophäe für den besten Goalie der Saison benannt.

      Finanziell ging es der Liga trotzdem immer besser. Der Gang in die USA war ein Erfolg für die NHL und die Vereine an sich. Da überraschte es wenig, dass im folgenden Sommer 1926 die nächsten Investoren anklopften, um in die Liga zu kommen. Die 1920er, „das goldene Zeitalter des Sports“, wie sie in Nordamerika genannt werden, waren in vollem Gange. Der gestiegene Wohlstand der Bevölkerung sorgte für volle Stadien, die immer populärer werdenden Medien – vor allem Radio und Zeitungen – taten ihr Übriges. In zahlreichen Sportarten wuchsen Helden heran, erste Legenden und Mythen entstanden, allerorten wurden neue Stadien gebaut und Teams gegründet. Allein im Madison Square Garden fand fast jeden Abend etwas anderes statt: Boxkämpfe, Rad- und Motorradrennen, Basketball- und Eishockey-Spiele.

      Selbst die 50.000 Dollar, die die NHL von neuen Teams mittlerweile als Eintrittsgeld verlangte, schreckten niemanden mehr ab. Obwohl das im Vergleich zu den 15.000 Dollar, die die jüngsten Mitglieder des exklusiven Eishockey-Zirkels zahlen mussten, mehr als dreimal so viel war. Trotzdem kamen Anfragen aus New Jersey, Hamilton, Cleveland, Windsor, Detroit und Chicago. Auch Garden-Besitzer Rickard wollte plötzlich wieder mehr sein als nur der Mann, dem die Halle gehörte. Die Americans waren ein so großer Erfolg, dass er überlegte, ein zweites Team in Manhattan zu installieren. Und so kam es dann auch: Die New York Rangers waren geboren.

      Weitere Zuschläge sollten nur noch zwei andere Städte erhalten: Detroit und Chicago, die Metropolen an den großen Seen im Zentrum des Landes. Wieder gab es Kritiker, die Liga übernehme sich, wenn sie gleich die nächsten drei Teams dazu hole. Doch erneut zog das alte Argument, dass sich sonst eine andere Liga die wichtigen Märkte sichern würde. Also bekamen auch Chicago und Detroit den Zuschlag. Black Hawks und Cougars wurden die NHL-Teams neun und zehn. Erstmals gab es mehr Teams aus den USA als aus Kanada. Ein Umstand, der sich bis heute nicht geändert hat.

       West-Ligen geben auf – die NHL setzt sich endgültig durch

      Ein Problem war allerdings nicht wegzudiskutieren: Wo sollen all die Spieler herkommen? Gibt es überhaupt genügend Talente? Helfen sollten ausgerechnet die zwei Brüder, die der NHL in den Jahren zuvor so viel Kopfzerbrechen bereitet hatten: Frank und Lester Patrick und ihre Profiliga im Westen. Die beiden Funktionäre hatten längst erkannt, dass sie den Kampf gegen die Teams aus den einwohner- und wirtschaftsstarken Metropolen aus dem Osten nicht gewinnen konnten. Bereits 1924 hatten sie ihre Pacific Coast Hockey Association aufgelöst und die übrigen beiden Teams in die 1921 gegründete Western Canada Hockey League integriert. Doch auch das half nichts, die Spieler verlangten NHL-Gehälter, die die Teams der mittlerweile in Western Hockey League umbenannten Liga nicht zahlen konnten. Nun stand auch die WCHL vor dem Aus.

      Bereits während des Stanley-Cup-Finals 1926, das die Montreal Maroons gegen die Victoria Cougars gewannen, kontaktierten die Pat-rick-Brüder ihren alten Freund Art Ross von den Boston Bruins. Ross vermittelte ein Treffen mit Bruins-Besitzer Charles Adams, der nicht lange zögerte und für 250.000 Dollar gleich die ganze West-Liga kaufte. Einige Spieler behielt er für sein Team, den Rest versteigerte er, vor allem unter den neuen Teams aus Chicago und Detroit. So wechselten Spieler wie George Hainsworth, Herb Gardiner, Eddie Shore, Dick Irving, Frank Frederickson oder Frank Boucher Richtung Osten. Die NHL hatte erneut auf ganzer Linie gesiegt.

      Symbolisch dafür stand der Stanley Cup. Ab 1927 musste ihr Meister nicht mehr mit dem einer anderen Liga um die berühmte Trophäe spielen, nun bekam sie der NHL-Sieger automatisch. Zehn Jahre nach ihrer Gründung hatte sie den Verlust mehrerer Teams, eine abgebrannte Halle, den Stress mit Eddie Livingstone und die Kämpfe mit Konkurrenzligen überlebt, sie war auf zehn Teams angewachsen und in vielen der wichtigsten Städte Kanadas und der USA zu Hause.

      Mit der neuen Größe änderte sich erstmals auch das Format der Liga. Ab der Saison 1926/27 sollte es zwei regionale Gruppen geben: die „Canadien Divison“ mit Ottawa, den beiden Teams aus Montréal, Toronto und den New York Americans sowie die „American Division“ mit den Rangers, den Bruins sowie den Teams aus Pittsburgh, Chicago und Detroit. Um mehr Geld zu verdienen, wurde mal wieder die Anzahl der Spiele erhöht. 44 Spiele hatte nun jedes Team, deswegen ging es erstmals bereits im November los.

      Das ließ sich auch gut an, vor allem in Chicago, wo das neue Team eine Attraktion wurde. Ebenso in New York, wo es mittlerweile normal war, dass Filmstars und sonstige Prominente das symbolische erste Bully ausführten. Probleme gab es eher nördlich der Grenze. Und das ausgerechnet beim Serienmeister und Topteam aus Ottawa. Während die Senators auswärts eine Attraktion waren, lockten sie zu Hause kaum noch mehr als 3500 Zuschauer an. Also forderten sie von der Liga, den Satz, der das Auswärtsteam an den Ticketverkäufen beteiligt, von 3,5 auf 15 Prozent zu erhöhen, doch das lehnten die anderen Teambesitzer ab. Zuschauer- und dadurch finanzielle Probleme gab es auch in Toronto.

      Die aktuellen Besitzer der St. Pats hatten nach Jahren des sportlichen Misserfolgs genug gesehen und waren kurz davor, das Team für 200.000 Dollar nach Philadelphia zu verkaufen. Wäre da nicht der umtriebige Conn Smythe gewesen, 1926 für einige Monate Trainer der New York Rangers. Smythe trommelte öffentlich für den Erhalt des Teams, verhandelte mit den aktuellen Besitzern und versprach nicht nur, neue Investoren zu finden, sondern sich persönlich um die sportlichen Geschicke des Teams zu kümmern. Ende Januar 1927 hatte er das Geld beisammen.

      Als Zeichen des Neuanfangs änderte er gleich auch noch Namen und Wappen, um nicht nur die irisch-stämmigen, sondern alle Einwohner zu erreichen. Außerdem klang ihm der alte Name zu katholisch, was nicht gut ankommen würde unter den sich überlegen fühlenden Protestanten. Um an deren Patriotismus zu appellieren, sollte das Trikot künftig das kanadische Ahornblatt zieren, was auch auf Landesfahne und Soldatenuniform zu sehen ist. So wurden aus den grünen St. Patricks die blauen Maple Leafs – der bis heute wohl aufregendste Eishockey-Verein der Welt war geboren.

       Die Zeit der Riesenarenen

      Es folgte eine kurze Phase der Stabilität. Über drei Jahre kam kein neues Team dazu, kein bestehendes musste aufgeben. Zudem eröffneten ständig neue Hallen, bei deren Planung Eishockey eine große Rolle gespielt hatte: Nach dem Neubau Ende 1925 in New York (17.500 Plätze) folgten Ende 1927 Detroit (16.700 Plätze), im Herbst 1928 Boston (13.900), ehe im Frühling 1929 die spektakulärste Halle von allen kam: das Chicago Stadium für 20.000 Zuschauer, größer als der Madison Square Garden und mit allem Komfort ausgestattet, den man sich nur vorstellen kann. Während in Europa selbst Jahrzehnte später meist pragmatische Hallen mit nichts als Tribünen gebaut wurden, entstanden in Nordamerika bereits solche, die an heutige Multifunktionsarenen erinnern. Mit Polstersesseln, exklusiven Bereichen für die Betuchten, aufwendigen Licht- und Soundanlagen sowie Anzeigetafeln.

      Die Fans liebten die neuen Hallen vom ersten Tag an und strömten zu den Spielen. In Chicago rettete das die Black Hawks, die in ihrer alten Halle jedes Jahr Verluste gemacht hatten. Nun konnten sie ihre