Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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kein Synonym für Weltklasse-Eishockey, sie wäre als die größte Pleitengeschichte in die Historie der Sportart eingegangen. Doch dazu kam es nicht, weil die Canadiens einen Mann hinter sich hatten, der das Team sowie die Liga rettete: George Kennedy.

      Als Aktiver war Kennedy Ringer, später organisierte er im französischen Teil Montréals Ringerkämpfe mit Athleten aus aller Welt. Selbst aus der Türkei ließ er sie kommen. Zudem bildete er Boxer aus und ließ sie vor Publikum antreten. Zum Eishockey war er erst später gekommen, verliebte sich aber sogleich in den Sport und kaufte 1910, nur wenige Monate nach deren Gründung, die Montréal Canadiens. Gleich darauf änderte er ihre Farben, kreierte ein neues Wappen und brachte die französischsprachige Arbeiterklasse, die sich jahrelang seine Ringer- und Boxkämpfe angesehen hatte, dazu, auch die Canadiens zu unterstützen. Zudem sorgte er dafür, dass sie in der kleinen Jubilee Arena tief im französischen Teil der Stadt unterkamen. Zwar konnten sie dort nur noch etwas mehr als 4000 Zuschauer begrüßen, hatten nur drei Tage nach dem Brand aber ein neues Zuhause. So kam frisches Geld in die Kasse, die Canadiens lebten im Gegensatz zu den Wanderers weiter. Und so legte Kennedy das Fundament, auf dem der berühmteste Eishockey-Verein der Welt seit nun mehr als 100 Jahren steht.

      Das konnte damals allerdings niemand ahnen. Vielmehr stand die komplette NHL vor dem Aus. Ganze 16 Tage nach dem Saisonstart gab es eine Halle weniger, von den ursprünglich angedachten fünf Teams waren nur noch drei übrig, wovon eins eine viel zu kleine Halle hatte, und nebenbei gab es noch Rechtsstreitigkeiten mit Eddie Livingstone. Zudem waren diverse Spieler auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs in Europa oder längst gestorben. Der „Toronto Globe“ schrieb nicht umsonst: „Das professionelle Eishockey pfeift aus dem letzten Loch.“

      Trotzdem schafften es die drei Teams irgendwie, die erste NHLSaison hinter sich zu bringen. Am Ende standen sich die Montréal Canadiens und die Toronto Arenas im Finale gegenüber, das die Arenas gewannen und sich so für das Stanley-Cup-Finale gegen den Meister der Pacific Coast Hockey Association (PCHA) qualifizierten. Die Liga aus dem Westen bereitete der NHL zusätzliche Sorgen, warb sie doch weiter gute Spieler ab und drehte an der Gehaltsschraube. Trotzdem setzten sich die Arenas gegen die Vancouver Millionaires durch und gewannen den Stanley Cup. Für die NHL die erste gute Nachricht dieser so schwierigen Premierensaison. Und ein Zeichen nach innen und außen, dass es weitergehen sollte.

      Es ging dann auch weiter. Obwohl Livingstone ernst machte. Er hatte schließlich immer noch kein Geld für die Spieler erhalten, die ursprünglich bei seinem NHA-Team gespielt hatten, nun in der NHL aktiv waren und teilweise mit den Arenas Meister geworden waren. Knapp 20.000 Dollar forderte er, bekam vom Arenas-Management aber lediglich ein Angebot über 7000, was er ablehnte. Stattdessen gründete er neue Ligen, die der NHL Konkurrenz machen sollten. Zunächst versuchte er, die NHA wiederzubeleben, dann gründete er die Canadien Hockey Association und verbot einigen seiner Ex-Spieler, weiter in der NHL zu spielen. Stattdessen sollten sie in seiner neuen Liga aufs Eis gehen. Was sie aber nicht taten.

      Trotzdem ging es mit den Toronto Arenas bergab. Sportlich und wirtschaftlich, da die Zuschauer des ersten NHL-Meisters ausblieben. Teilweise kamen nicht mal mehr 3000. Bereits zwei Wochen vor dem Ende der zweiten Saison zogen die Besitzer ihr Team zurück, was Liga-Boss Frank Calder wieder mal seine Flexibilität beweisen ließ: Er legte fest, dass die Finalserie zwischen den übrig gebliebenen Teams aus Montréal und Ottawa einfach verlängert wurde, indem man sie im „Best of seven“-Modus (d. h.: vier Siege sind notwendig) ausspielen ließ. Montréal gewann, konnte den Erfolg der Arenas im Stanley-Cup-Finale gegen den Sieger der PCHA aus dem Westen aber nicht wiederholen. Während der Serie gegen die Seattle Metropolitans brach die Spanische Grippe aus. Diverse Spieler erkrankten, Canadiens-Verteidiger Joe Hall starb gar, beim Stand von 2:2 wurde die Serie abgebrochen, es gab keinen neuen Stanley-Cup-Sieger.

       Im dritten Jahr geht es bergauf

      Im Sommer vor der dritten Saison stand es also erneut nicht gut um die NHL. Von den ursprünglichen fünf Teams waren nun nur noch zwei übrig. Gerüchte um das Ende der Liga machten wieder mal die Runde. Doch Calder schaffte es erneut, sie zu retten. Erst verkauften die Arenabesitzer aus Toronto ihr Team, das von den neuen Bossen in Toronto St. Patricks umbenannt wurde, um die irisch-stämmigen Einwohner Ontarios anzulocken. Parallel bauten die Canadiens in Montréal eine neue Halle für 6500 Zuschauer, während die Québec Bulldogs bekanntgaben, endlich am Spielbetrieb teilzunehmen – und plötzlich lief es.

      Das Land erholte sich langsam vom Weltkrieg, die Menschen interessierten sich wieder mehr für den Sport. Zeitungsartikel aus der damaligen Zeit beschreiben Spiele, bei denen die Polizei einschreiten musste, um die Fans abzuhalten, ins Stadion zu stürmen, weil es keine Tickets mehr gab. Hunderte harrten stundenlang in der Kälte vor den Hallen aus, um wenigstens etwas von der Atmosphäre mitzubekommen. Es gab sogar erste Sonderzüge für Auswärtsfans, die ihren Teams nachreisten. „Montréal ist wie Ottawa und Toronto verrückt nach Eishockey“, fasste der „Montreal Citizen“ die neue Euphorie um die NHL zusammen.

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      Der neue starke Mann: NHL-Präsident Frank Calder.

      Doch wie immer in der Frühphase der neuen Liga: Lange hielt die gute Stimmung nicht an. Québec gab nach nur einem Jahr wieder auf – trotz der 39 Tore, die Rückkehrer Joe Malone für die Bulldogs erzielt hatte. Zudem machte Eddie Livingstone nun ernst mit seiner Canadien Hockey Association. Er plante, zwei Teams in Toronto zu installieren, eins im Norden der USA und eins in Hamilton. Vor allem Letzteres bereitete der NHL Sorgen, Hamilton war eine wichtige Stahlstadt mit einer Eishockey-begeisterten Bevölkerung, erfolgreichen Amateurteams und den fünftmeisten Einwohnern Kanadas. Zudem gab es dort eine brandneue Halle für 7500 Zuschauer.

      Diesen Markt wollte NHL-Boss Frank Calder nicht Eddie Livingstone überlassen. Doch anstatt direkt über Hamilton zu verhandeln, ging er den Umweg über Toronto. Dort sah zunächst alles nach einem Sieg für Livingstone aus, der nach einer weiteren Klage endlich Recht und von den Arena-Besitzern 20.000 Dollar als Kompensation für seine Spieler zugesprochen bekam, die in der NHL gespielt hatten. Weil die Arenabesitzer das nicht zahlen konnten, meldeten sie Konkurs an, was Livingstone dazu veranlasste, einen weiteren Rechtsstreit zu riskieren: Nun wollte er als Kompensation gleich die ganze Arena haben. Dort hätte er seine Klubs spielen lassen und die der NHL ausschließen können.

      Doch den zweiten Rechtsstreit verlor er, der Richter sah ihn als einen von vielen Gläubigern der Konkurs gegangenen Arenabesitzer an, nicht als den wichtigsten. So behielt der Konkursverwalter weiter die Kontrolle über die Arena. Und mit dem hatte NHL-Boss Frank Calder längst einen Vertrag geschlossen. So stand Livingstone plötzlich ohne Eis in Toronto da, was seine komplette Liga scheitern ließ. Der gewiefte Frank Calder wiederum nutzte die Gunst der Stunde und verlegte sein kurz zuvor gescheitertes Franchise aus Québec nach Hamilton, wo es sich fortan Tigers nannte. Ein Sieg auf ganzer Linie für die NHL, die danach für ein paar Jahre Ruhe hatte.

      Sportlich dominierten nun die Ottawa Senators, die binnen fünf Jahren drei Stanley Cups gewannen. Gleichzeitig waren es die letzten Jahre, in denen es für Frank Calder und die Besitzer der NHL-Teams ausschließlich darum ging, irgendwie zu überleben. Mit vier soliden Teams und einer gewachsenen Fanbasis sollte nun das nächste Kapitel aufgeschlagen werden. Eins, das die NHL für immer veränderte: der Gang über die Grenze in die USA.

       Von vier auf zehn: Es geht in die USA

      Bereits während der Saison 1923/24 wurden die Pläne, in den Süden zu expandieren, konkret. Nur brauchte es dafür reiche Geschäftsleute, die willens waren, Teams in ihren Städten zu unterhalten. NHL-Boss Frank Calder hatte sofort ein Auge auf Charles Adams geworfen, einen sportverrückten Millionär aus der Gegend um Boston. Adams, der aus einfachen Verhältnissen stammte, hatte sich über seine Jobs in einer Ahornsirup-Fabrik und in einer Bank zum Besitzer der größten Lebensmittelmarkt-Kette in New England hochgearbeitet. Und da er ein ausgemachter Freund von Pferderennen, Baseball und Eishockey war, lud ihn die NHL im März 1924 zum Finale nach Montréal ein. Zu sehen gab es das Spiel zwischen den heimischen Canadiens und den Ottawa Senators. Was es aber vor allem zu sehen gab: den ebenso jungen wie aufregenden Torjäger Howie Morenz. Adams soll sogleich begeistert