Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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war längst nicht der einzige Interessent, der ein neues NHLTeam an den Start bringen wollte. Während derselben Finalserie meldete sich der New Yorker Boxpromoter Tex Rickard zu Wort, er habe mit der Liga verhandelt und werde für die kommende Saison ein Team im Madison Square Garden mitten in Manhattan installieren. Auch aus Providence in Rhode Island, nicht mal 100 Kilometer südlich von Boston, schlug ein Geschäftsmann beim Finalspiel auf und bekundete Interesse. Zudem gab es eine Gruppe Investoren aus Montréal, die ein neues Team für die englischsprachige Bevölkerung der Stadt gründen wollten. Die nötige Halle würden sie gleich selbst bauen, sagten sie. Und als wäre das nicht schon genug, meldeten sich auch noch mögliche Finanziers für ein zweites Team in Toronto sowie eins in Philadelphia.

      Spätestens da wurde es Ligaboss Calder zu bunt, er berief eine Sondersitzung der Teambesitzer ein. Die erteilten ihm die Erlaubnis, mit den vielen potenziellen Investoren zu reden, bevor diese auf die Idee kämen, ihre eigene Liga zu gründen und der NHL vor der Haustür Konkurrenz zu machen. Eine Situation wie im Westen Kanadas, wo sich mit der Pacific Coast Hockey Association und der 1921 gegründeten Western Canada Hockey League zwei große Profiligen um die Vorherrschaft in einer Region stritten, wollten sie im Osten vermeiden.

      Trotzdem wuchs die NHL zur Saison 1924/25 zunächst nur um zwei Teams. Das mögliche neue aus New York musste seinen Start verschieben, weil sich die Besitzer des Madison Square Gardens dazu entschieden, die Halle abzureißen und für knapp 18.000 Zuschauer eine neue zu bauen. Andere Investoren zogen ebenfalls vorerst zurück. Ernst machten lediglich Charles Adams aus Boston und die Gruppe steinreicher Männer aus Montréal. Am 12. Oktober 1924 bekamen sie offiziell den Zuschlag, die NHL bestand nun aus sechs Teams, eins davon kam erstmals aus den USA.

      Die Mannschaft aus Boston verpflichtete gleich den erfahrenen Ex-Spieler Art Ross, der für die folgenden 30 Jahre die sportlichen Geschicke der neuen Bruins bestimmen sollte. Heute ist nach ihm die Trophäe für den besten Scorer der Regular Season benannt. Das neue Team aus Montréal wollte zunächst ohne Spitznamen auskommen und nannte sich schlicht Montreal Professional Hockey Club, wegen der kastanienbraunen (Englisch: maroon) Trikots setzte sich aber schnell der Name Maroons durch.

      Während eben jene Maroons sofort ein Publikumsmagnet für die englischsprachige Bevölkerung Montréals wurden und vor allem die Fans der ehemaligen Wanderers anzogen, hatten die neuen Bruins im knapp 500 Kilometer entfernten Boston große Probleme. Nicht nur sportlich wollte es nicht klappen, es kamen auch kaum Zuschauer. Was daran lag, dass die Halle nur montags frei war, die Begegnungen also zu wenig attraktiven Zeiten stattfanden. Manches Amateurspiel, das am Wochenende in derselben Halle ausgetragen wurde, lockte weit mehr Fans an. Bereits während ihrer ersten NHL-Saison gab es Gerüchte, die Bruins würden nach dem einen Winter gleich wieder aufgeben.

      Doch die Probleme in Boston wurden schnell von weitaus größeren überschattet. Und das ausgerechnet beim Überraschungsteam der Saison. Nach Jahren am Tabellenende standen die Hamilton Tigers plötzlich ganz oben und sorgten für eine wahre Euphorie rund um das Team. Bis ins Finale kämpfte sich die Mannschaft aus der Stahlstadt. Doch kurz vor den wichtigsten Spielen der Vereinsgeschichte gingen die Spieler in den Streik. Sie verlangten ein höheres Gehalt. 200 Dollar mehr sollten es sein, weil sie wegen der beiden neuen Teams nun nicht mehr 24 Spiele wie in den Jahren zuvor, sondern 30 Spiele absolvieren mussten – ohne dafür besser bezahlt zu werden. Das Management lehnte ab und bekam Unterstützung von NHL-Boss Frank Calder. Der Vertrag der Spieler gelte von Dezember bis März, eine konkrete Anzahl Spiele stehe dort nicht drin, ließ er verlauten. Es liege an den Spielern, ob sie antreten, er habe kein Problem damit, wenn sie es nicht täten, sagte Calder.

      48 Stunden später machte er ernst: Er kürte die Montréal Canadiens, die die Toronto St. Patricks im Halbfinale besiegt hatten, zum Meister.

       Glamour und Mafia – die NHL zieht nach New York

      Für die Fans und Spieler in Hamilton kam es noch dicker: Wenige Wochen später war ihr ganzes Team Geschichte. Das Management der Tigers hatte bereits während des Streiks angekündigt, als Vergeltung jeden einzelnen Spieler verkaufen zu wollen. Nun tat es das – für 75.000 Dollar an das neue Team aus New York, das kurz zuvor aus zwei Gründen eine Lizenz aus dem NHL-Büro erhalten hatte: Weil der neue Madison Square Garden fertig war und weil ein alter Bekannter mal wieder auf der Bildfläche auftauchte: Eddie Livingstone.

      Der ließ, all den gescheiterten Versuchen zum Trotz, immer noch nicht locker und wollte erneut seine eigene Eishockey-Liga gründen. Dieses Mal habe er Investoren für Teams in New York, Toronto, Montréal, Pittsburgh und Philadelphia an der Hand, behauptete er. Doch bevor Livingstone Nägeln mit Köpfen machen konnte, nahm die NHL selbst ein Team aus New York auf und begoss das mit einer exklusiven Gala für 300 geladene Gäste im legendären Biltmore Hotel. Dafür schickte jedes Team diverse Repräsentanten nach New York, zudem reisten Dutzende Journalisten an. Nur der Besitzer des neuen Teams kam nicht.

      Der hieß nun doch nicht Tex Rickard. Der Boxpromoter, der den Garden umgebaut hatte, verkaufte die neuen New York Americans noch vor ihrem ersten Spiel an William Dwyer. Dwyer hieß allerorten nur „Big Bill“, und das nicht nur, weil er in der Tat ein großer Mann war. Dwyer galt als eine der bekanntesten Unterweltgrößen New Yorks und war während der Prohibition mit Alkoholschmuggel stinkreich geworden. Er importierte Hochprozentiges aus Europa, Kanada und der Karibik – mit Schnellbooten, die denen der Küstenwache spielend leicht davonrasten. Sein Geld investierte er gern in den Sport. Vor den Americans gehörte ihm eine Rennstrecke, später weitere Eishockeyund Football-Teams.

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      Bei einem prunkvollen Abend gegründet, geführt von einer Unterweltgröße: die New York Americans.

      Boxpromoter Rickard half trotzdem mit, den Sport populärer zu machen. Wegen seiner Kontakte veröffentlichte die „New York Times“ zwei Tage vor dem ersten Spiel die Eishockey-Regeln. Rickard selbst ließ draußen vor der Halle extra ein paar Krankenwagen aufstellen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Seht her, dort drin wird es heute blutig, sollte das heißen. Der Vermarktungsprofi drückte dieselben Knöpfe, die es schon im alten Rom gegeben hatte: Der Kampf um Leben und Tod zog die Massen schon immer in ihren Bann.

      Die Americans blieben nicht das einzige US-Team, das im Sommer 1925 dazukam. Noch am Abend der rauschenden Gala in New York bekam James Callahan, ein Anwalt aus Pittsburgh, dem die örtlichen Yellow Jackets gehörten, die Genehmigung, ebenfalls in der NHL zu starten. Das gefiel zwar nicht jedem, die Delegation aus Ottawa warnte vor zu schnellem Wachstum, konnte sich aber nicht durchsetzen. Pittsburgh war nicht nur einer der Märkte, in denen sich Eddie Livingstone mit seiner Konkurrenzliga tummeln wollte, sondern galt früh als Eishockey-verrückt, außerdem gab es dort eine große Halle. Bereits kurz nach der Jahrhundertwende kamen in Pittsburgh 10.000 Fans, um Testspiele eines Teams aus Toronto zu sehen. Später beheimatete die Stahlstadt eine der ersten Profimannschaften der USA. Nun wurde Pittsburgh der dritte US-Standort der NHL, noch vor dem erstem Spiel änderte Callahan den Namen seines Verein in Pirates, als Hommage an das große Baseball-Team der Stadt.

       Das große Geld

      Mit dem Einstieg der US-Teams Nummer zwei und drei zur Saison 1925/26 änderte sich die Kultur der Liga schlagartig. Noch im selben Sommer begann das große Feilschen um die Spieler. Die Funktionäre aus New York, Boston und Pittsburgh lockten die kanadischen Spieler mit unverschämt wirkenden Summen über die Grenze. 5000, 6000 oder gar 7000 Dollar für die viermonatige Saison waren nun an der Tagesordnung. Ein durchschnittlicher Arbeiter verdiente im ganzen Jahr keine 1500 Dollar. Auch Ablösesummen stellten kein Hindernis dar. Die US-Teams boten einfach 25.000 bis 30.000 Dollar für einen Topspieler, den Kanadiern blieb kaum etwas übrig, als zu verkaufen.

      Schnell kamen in den Zeitungen nördlich der Grenze erste Klagen auf, das alte kanadische Spiel werde amerikanisiert, der Gang in die USA sei ein großer Fehler gewesen, den die NHL noch bereuen werde. Es war der Anfang der Eishockey-Rivalität zwischen den beiden Nationen. Bis heute beschweren sich die Kanadier darüber, die US-Amerikaner würden ihnen die besten Spieler wegnehmen und mit ihnen dafür sorgen, dass die Teams aus dem Mutterland des Sports keinen Stanley Cup mehr feiern