Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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drei Teams in einer Liga und bildeten erste regionale Rivalitäten, die die Begeisterung für die Liga noch weiter anheizte.

      Das galt vor allem für Montreal, wo es für die englisch- und französischsprachigen Bevölkerungsteile jeweils eigene Teams gab. Das galt aber auch für Toronto, das mit seinen Vororten bereits um 1900 fast eine halbe Million Einwohner hatte. Mit ihren großen Hallen, ihren vielen potenziellen Zuschauern und Sponsoren, mit ihrem Medienaufkommen sowie ihren Verdienstmöglichkeiten für die spielfreie Zeit hatten die Großstädte unschlagbare Vorteile gegenüber der Provinz.

       Der Westen wacht auf

      Die Welle der Professionalisierung schwappte langsam auch in den Westen Kanadas, der in der bisherigen Entwicklung des neuen Nationalsports eine eher untergeordnete Rolle einnahm. Möglich machten das Joe Patrick und seine Söhne Lester und Frank, die selbst seit Jahren als Profispieler unterwegs waren. Ursprünglich kamen auch die Patricks aus dem östlichen Bundesstaat Québec, doch 1907 brachen sie ihre Zelte in der alten Heimat ab, verkauften ihr kleines Geschäft und nutzten das Geld, um in den weitestgehend unberührten Wäldern von British Columbia eine Holzfabrik zu gründen. Die entwickelte sich schnell zur Goldgrube, nur vier Jahre später verkauften sie die Firma, angeblich für eine Million Dollar, so jedenfalls berichtete es Laine Drewery.

      Doch zur Ruhe setzen wollten sie sich nicht. Jetzt ging es erst richtig los, denn nun hatten die Eishockey-verrückten Söhne endlich das Geld, um sich ihren Traum zu erfüllen: ihre eigene Profiliga. Was allerdings eine riskante Idee war. Erstens regnet es an der Pazifikküste weitaus häufiger, als es schneit, zweitens lebten dort Anfang des 20. Jahrhunderts längst nicht so viele Menschen wie im Osten. Selbst in Vancouver, dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum British Columbias, waren es nach der Jahrhundertwende nur knapp 150.000.

      Lester und Frank ließen sich trotzdem nicht von ihren Plänen abbringen und steckten das Geld ihres Vaters in den Bau zweier Eishallen in Vancouver und Victoria, die ersten mit Kunsteis in ganz Kanada. Nur einen Monat nach der Fertigstellung der beiden Hallen im Dezember 1911 gründeten sie die Pacific Coast Hockey Association (PCHA) und lockten zahlreiche Spieler aus Ontario und Québec mit dicken Gehaltschecks an. Darunter auch Superstar „Fred“ „Cyclone“ Taylor, der sich wieder mal fürstlich entlohnen ließ. Nicht ganz zufällig nannte sich sein Team Vancouver Millionaires.

      Die PCHA entwickelte sich zu einer der wichtigsten Ligen der Eishockey-Geschichte. Und das nicht nur, weil sie den Westen sowie Teile der USA (Seattle, Portland) eroberte, sondern weil sie das Spiel auf dem Eis für immer verändern sollte. Den Patrick-Brüdern – Spieler, Manager, Trainer, Ligabesitzer in einem – war eins bewusst: Zwei schicke Hallen und mehrere Topspieler würden langfristig nicht reichen, um Profi-Eishockey im Westen zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Also trafen sie sich immer wieder mit „Cyclone“ Taylor, um Regeländerungen zu besprechen, die den Sport für die Zuschauer attraktiver machen sollten. Solche hatten sie bereits früher im Kopf, aber erst jetzt, als Besitzer ihrer eigenen Liga, konnten sie sie auch umsetzen.

      So führten sie Rückennummern ein, damit die Fans immer wussten, welcher ihrer Lieblingsspieler gerade den Puck hat. In ihrer Liga durften sich Torhüter zum ersten Mal auf den Boden fallen lassen, um Schüsse abzuwehren, was deutlich mehr spektakuläre Paraden zur Folge hatte. Sie erfanden den Penaltyshot, weil sie wussten, dass die Zuschauer ein episches Eins-gegen-eins-Duell lieben würden. Sie führten Reihenwechsel und das dritte Drittel ein, damit die Spieler mehr Pausen haben, fitter sind und das Spiel am Ende nicht verflacht. Sie waren die ersten, die den Spielern Scorerpunkte für Assists gaben, und führten detaillierte Statistiken. Sie kamen auf die Idee, dass jedes Team ein Farmteam haben sollte. Sie erfanden die Play-offs, um am Ende der Saison ein paar Entscheidungsspiele mehr zu haben. Und, als wichtigste Neuerung überhaupt, sie erlaubten den Spielern, den Puck nach vorne zu passen, und machten Eishockey damit zum schnellsten Mannschaftssport der Welt.

      Von einem Tag auf den anderen wurde der Pass zur wichtigsten Waffe im offensiven Eishockey. Vorher durfte der Puck wie beim Rugby immer nur nach hinten oder zur Seite gespielt werden. Erst diese entscheidende Regeländerung habe spätere Größen wie „Howie“ Morenz, Guy Lafleur oder Wayne Gretzky möglich gemacht, sagen Historiker. All diese Maßnahmen wurden schnell so populär, dass andere Ligen sie übernahmen. Und trotzdem war auch die Zeit der ersten Profiliga im Westen begrenzt. Zwar hielt die PCHA länger durch als die meisten anderen Profiligen ihrer Zeit, nach etwa zwölf Jahren war aber auch für sie Schluss. 1924 stellte die PCHA ihren Betrieb ein.

       Die Ligen kommen und gehen

      Im Osten lief es ähnlich unbeständig. Dort hatte sich die Eastern Canada Hockey Association (ECHA) aufgeschwungen, die Massen zu begeistern. 1905 ursprünglich für Amateure gestartet, wurde sie ab 1908 zur Profiliga und zur populärsten Liga ihrer Zeit, weil sie prominente Teams aus Montreal, Ottawa und Québec vereinte, die sich um den Stanley Cup stritten. Doch trotz der guten Voraussetzungen existierte auch die ECHA gerade mal vier Jahre. 1909 zerstritten sich die Teambesitzer, lösten die Liga gleich wieder auf und gründeten zwei neue, die sich als erbitterte Rivalen verstanden: die Canadian Hockey Association (CHA) sowie die National Hockey Association (NHA), der direkte Vorgänger der NHL.

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      Gefahr aus dem Westen: 1915 gewannen die Vancouver Millionaires den Stanley Cup.

      Der Wettstreit der beiden neuen Profiligen im Osten dauerte aber nicht mal acht Wochen, dann gab die CHA auch schon wieder auf, weil sie kaum Zuschauer anlockte und drei ihrer fünf Teams nun doch bei der eben noch so verhassten Konkurrenz mitspielen wollten. Die NHA nahm das Angebot dankend an und entwickelte sich in der Folge zur populärsten Profiliga Kanadas. Vor allem, weil sie im Vergleich zur parallel existierenden Ontario Professional Hockey League oder der Ligen im Westen den Vorteil hatte, Teams aus Großstädten zu beheimaten. Darunter so prominente wie die Montreal Canadiens, die damals noch größeren Montreal Wanderers, die alten Ottawa Senators oder bekannte Teams aus Toronto wie die Shamrocks oder Blueshirts, die als Vorgänger der Maple Leafs gelten – auch wenn das nicht ganz stimmt (mehr dazu in Kapitel 3).

      All diese Teams stritten sich zudem um den Stanley Cup. Lange behielt die NHA die begehrteste Trophäe in der Geschichte des Eishockeys aber nicht für sich. Ab 1914 musste sich der Meister der NHA mit dem der neuen Pacific Coast Hockey Association der Patrick-Brüder um den Stanley Cup messen. Und nicht immer gewannen die großen Teams aus dem Osten, es dauerte nicht lange, da konnten die neuen aus dem Westen mithalten. Bereits 1915 gewannen die Vancouver Millionaires den Stanley Cup, 1917 waren die Seattle Metropolitans als erstes US-Team dran.

       Der Anfang vom Ende: Der Streit mit Eddie Livingstone

      Die beliebteste Liga blieb dennoch die NHA mit all ihren Großstadt-Teams aus dem Osten. Doch trotz guter Finanzen und des großen öffentlichen Interesses – nicht selten kamen 6000 oder mehr Zuschauer zu den Spielen – lief auch in der NHA nicht alles rund. Diverse Streitigkeiten, Intrigen und Kleinkriege zwischen den Teambesitzern gaben der Liga manchmal den Charakter einer Seifenoper.

      Besonders ein Mann tat sich dabei hervor: Edward „Eddie“ Livingstone, den Eishockey-Historiker D’Arcy Jenish wie folgt beschreibt: „Ein schmächtiger, bebrillter Mann, der das sanfte Benehmen eines Pfarrers hat, aber die penible Persönlichkeit eines Steuerfahnders oder eines Zöllners. Er war stets von der unweigerlichen Richtigkeit seiner Position überzeugt und bereit, bis zu seinem letzten Atemzug zu kämpfen, um sie zu verteidigen.“

      Von Beginn an war der Sohn eines schwerreichen Unternehmers für immer neue Schlammschlachten und Kleinkriege verantwortlich. Es gab kaum einen Teambesitzer, mit dem Livingstone nicht ständig aneinandergeriet, kaum eine Saison, in der er keine Absprachen brach oder halbseidene Tricks bei Spielerverpflichtungen ausprobierte. Das machte die Konkurrenz regelmäßig rasend, erst recht, wenn Livingstone mal wieder drohte, mit seinen Teams in die USA zu gehen, wenn er nicht das bekam, was er wollte. Hatte er sich für einen Spieler entschieden, scheiterte aber, beschimpfte er ihn über die Presse und stellte öffentlich dessen Charakter in Frage. Auch seine Zahlungsmoral soll nicht immer die beste gewesen sein. Das Problem war allerdings: Es gab keine rechtliche Handhabe,