Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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Wappen abgemalt. Mit Freunden habe ich stundenlang Tischeishockey (Stiga) oder Computerspiele gezockt. Hin und wieder habe ich all mein Taschengeld zusammengekratzt, bin zum Hauptbahnhof gefahren, um mir neben dem damaligen „Eishockey Magazin“ eine „USA Today“ zu kaufen. Ich verstand zwar maximal die Hälfte, aber ich schaute einfach Bilder an und lernte Statistiken. Dazu verschlang ich die leider nur kurzen Kapitel zur NHL in meinen ersten Eishockey-Büchern. Ein ganzes Buch über die NHL auf Deutsch, das wäre es doch, dachte ich mir. Immer wieder ging ich in Buchhandlungen und fragte nach, aber es gab nichts. Bis Klaus Zaugg seine „Liga der Titanen“ veröffentlichte.

      Der Gedanke, dass ich selbst ein NHL-Buch schreiben möchte, reifte immer weiter in mir. Aber irgendwie traute ich es mir nicht zu, also fing ich gar nicht erst an. Und auch, wenn ich immer mehr Bücher aus Nordamerika hatte und schon lange Texte und Links auf meinem Computer sammelte, konnte ich mich nicht dazu aufraffen. Stattdessen startete ich 2014 meinen eigenen NHL-Blog „hockeynight.de“. Ich hielt es knapp zwei Jahre durch, fast jeden Tag etwas zu schreiben: reine News, aber auch aufwändige Analysen und historische Stücke. In dieser Zeit erschienen mehr als 600 Artikel auf dem Blog. Das Problem war nur: Es las fast niemand. Weil ich mit ein paar Freunden parallel den Videoblog „Shorthanded News“ ins Leben rief, wurde das alles neben meiner regulären Arbeit als Journalist zu viel. Also entschieden wir uns, alles neu zu bündeln. Ich stellte hockeynight.de ein, wir begruben den alten Videoblog, vergrößerten den Kreis und gründeten etwas Neues: „Shorthanded News“ als Podcast und Blog für das gesamte Eishockey. Und seitdem funktioniert es. Zudem veröffentlichte ich mit Christoph Ullrich mein erstes Buch, eins über die DEG. Eines Tages schrieb mich unser Agent (ja, ich habe nun einen Agenten!) an, ob ich nicht noch eine Idee für ein Eishockey-Buch hätte. Natürlich hatte ich die. Das Ergebnis davon haltet ihr gerade in euren Händen.

      Also habe ich knapp zwei Jahre recherchiert, Bücher und Zeitschriften gekauft, sie und weitere Texte gelesen, Videos und Filme gesehen, Podcasts gehört, Hintergrundgespräche und Interviews geführt sowie Reisen organisiert. Ich habe NHL-Spiele in den USA, in Schweden sowie Deutschland besucht und bin zu Weltmeisterschaften geflogen, um Spieler, Funktionäre und andere Journalisten zu treffen. Und ich habe geschrieben. Tagelang. Nächtelang. Immer wieder neue Kapitel. Manche sind direkt im virtuellen Papierkorb gelandet, andere habe ich mehrmals umgeschrieben, wieder andere funktionierten gleich beim ersten Mal, ein paar Ideen ließen sich leider nicht umsetzen.

      Herausgekommen ist nun ein dreiteiliges Buch. Es beginnt mit der Historie der NHL, von den ersten organisierten Eishockey-Spielen bis zum Sommer 2018, mit all den großen Namen, Vereinen und Geschichten. Und vor allem den Schwierigkeiten. Die NHL, wie wir sie heute kennen, gibt es erst seit knapp 30 Jahren, andere sagen: seit dem Lockout 2004. Im zweiten Teil folgen einzelne Kapitel zum „System NHL“: Wie funktioniert die Liga heute? Wie kommt man überhaupt rein? Wie laufen Trades ab? Welche anderen Ligen gibt es im nordamerikanischen Eishockey? Wie berichten die Medien? Wie vermarktet sich die NHL international? Hier werden auch dunkle Seiten thematisiert: Gewalt, Doping, Rassismus. Zum Abschluss gibt es ein paar Kurzporträts der berühmtesten deutschen Spieler. Die spielten zwar selten Hauptrollen, haben aber ihre Spuren hinterlassen.

      Was macht man zum Abschluss eines Vorworts? Man dankt, also: Vielen Dank an all die Historiker, deren Bücher ich gelesen und Filme ich gesehen habe. Auch wenn ich diverse Reisen und Dutzende Gespräche selbst geführt habe, ohne die großartige Vorarbeit anderer hätte ich dieses Buch nicht schreiben können. Exemplarisch stehen dafür D’Arcy Jenish, Jonathan Gatehouse und Stan Fischler. Dann bedanke ich mich beim Literaturagenten Martin Brinkmann, der mich bestärkt hat, das Buch auch wirklich zu schreiben. Natürlich gebührt mein Dank auch dem Verlag Die Werkstatt, der das Risiko eingeht, ein NHL-Buch zu veröffentlichen, besonders Lektor Simon Kraßort, der den Text akribisch durchgearbeitet und verbessert hat. Ebenfalls möchte ich mich bei Craig Campbell von der Hall Of Fame in Toronto bedanken, der mir in Sachen Fotos geholfen hat, dasselbe gilt für all die Leute, die ihre Bilder zur freien Verwendung ins Netz gestellt haben. Nicht zu vergessen sind natürlich die Menschen in meinem Umfeld, die mich und meine Launen in den vergangenen Monaten ertragen haben. Ein Buch zu schreiben, gerade ein solches, bedeutet einen ungeheuren Aufwand. Und zu guter Letzt: Vielen Dank an euch, liebe Leserinnen und Leser, sorgt dafür, dass sich all die Mühen gelohnt haben. Kommt gern mit mir ins Gespräch, widersprecht, wenn euch etwas nicht passt. Ihr erreicht mich über die Kanäle der „Shorthanded News“. Und nun: Viel Spaß beim Lesen.

       Bernd Schwickerath im September 2018

      TEIL I: DIE GESCHICHTE DER NHL

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       1840 bis 1917

       Der lange Weg zur NHL

       Wo fand das erste Spiel statt? Wer hat die Sportart in ihren Anfangsjahren geprägt? Die Eishockey-Geschichte beginnt Jahrzehnte vor dem ersten NHL-Spiel, der heutige Sehnsuchtsort aller Spieler war nicht mal die erste Profi-Liga. Und sie war auch alles andere als von langer Hand geplant, sie entstand eher zufällig.

      Wenn die Frage nach den Ursprüngen einer Sportart gestellt wird, gehen mit der ein oder anderen Nation schon mal die patriotischen Pferde durch. Jeder würde gern der Erste sein. Der, der der Welt eine Sportart geschenkt hat. Das ist im Eishockey nicht anders. Auch da werden Ansprüche angemeldet und zur Beweisführung alte Texte oder Zeichnungen hervorgekramt, auf denen Spiele mit Stöcken und Bällen auf Eis beschrieben sind. Da wird großzügig darüber hinweggesehen, dass das meiste eher eine Art Eisgolf darstellt und weder Tore mit Torhütern noch Zweikämpfe zu sehen sind, schreibt Horst Eckert in seiner „Eishockey Weltgeschichte“.

      Der seriöse Teil der Sporthistoriker ist sich spätestens seit der Veröffentlichung des McGill-Reports von 1943 einig, dass die Ursprünge des heutigen Eishockeys in Kanada zu finden sind. Irgendwann zwischen 1840 und 1880. Irgendwo zwischen den alten Freizeitgewohnheiten der nordamerikanischen Ureinwohner und denen der europäischen Siedler. Doch selbst innerhalb Kanadas gab und gibt es Streitigkeiten. War das erste Spiel nun in Kingston, Halifax oder Montreal? Bis heute gehen die Meinungen auseinander. Weil die Sportart wie viele andere an diversen Orten gleichzeitig weiterentwickelt wurde.

      Besonders hervorgetan haben sich dabei die Studenten eben jener McGill-Universität in Montreal. Die schrieben die ersten Regeln auf und führten entscheidende Neuerungen ein: den Torhüter, den neutralen Schiedsrichter, die Anzahl der Spieler, die Zeitbegrenzung, die ersten Linien, die Schutzausrüstung, die Trikots und den Puck. Einiges übernahmen sie vom Rugby wie das frühere Verbot, nach vorne zu passen, oder Verhaltensregeln für Zweikämpfe. Zudem organisierten sie das erste offizielle Eishockey-Spiel in einer Halle – am 3. März 1875 im Victoria Skating Rink in Montreal.

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      Das erste offizielle Eishockey-Spiel der Welt fand 1875 im Victoria Skating Rink in Montréal statt. (Quelle: William Notman & Son)

      Dass es Soldaten und Studenten waren, die entscheidenden Anteil an der Weiterentwicklung und Verbreitung des Eishockeys hatten, ist kein Zufall. So war das bei den meisten modernen Sportarten, die ihre Wurzeln im damaligen britischen Weltreich hatten. Ursprünglich als Disziplinierungsmaßnahme für allzu draufgängerische Privatschüler oder als Training und Zeitvertreib für Soldaten konzipiert, trug die Kolonialmacht sie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Übersee. Dort wurden die Spiele von der oberen Mittelschicht begeistert übernommen, abgeändert und zu eigenen Disziplinen weiterentwickelt.

      Das soll in Nordamerika besonders intensiv verfolgt worden sein, um sich von den ungeliebten Kolonialherren abzugrenzen und die Sportarten als etwas Amerikanisches zu verkaufen. Aus Rugby und Fußball wurde American Football, aus alten Schlagballspielen Baseball, das sehr schnell sehr viel populärer wurde als das urbritische Cricket. Eishockey entstand aus einer ganzen Reihe anderer Spiele: aus dem schottischen Shinty (später Shinney genannt), dem irischen Hurling und dem französischen Hoquet, aus alten Ureinwohner-Spielen, aus