Die stärkste Liga der Welt. Bernd Schwickerath. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Schwickerath
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783730704271
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der Bruins gegen die Canadiens sogar zu chaotischen Szenen: „Tausende wilde Eishockey-Fans, die keine Tickets ergattern konnten, stürmten die Türen, fegten die Polizeiketten beiseite, strömten in das Gebäude, füllten jeden Stehplatz aus und quollen fast aufs Eis. Fenster gingen zu Bruch, Türen brachen bei diesem wilden Sturm auf die Halle auseinander“, hieß es in einem Zeitungsbericht. Andere Artikel aus der Zeit lesen sich wie aus einem Krisengebiet. Denn die Fans, die Tickets hatten, kamen nicht auf ihre Plätze und fingen irgendwann an, sich den Weg freizuprügeln. Obwohl das Eröffnungsspiel um 25 Minuten verschoben wurde, kamen längst nicht alle pünktlich in den neuen Boston Garden. Das ganze Spiel über gab es Tumulte.

      Auch sportlich waren die Bruins eine Attraktion. Dank der klugen Politik von Trainer und Manager Art Ross hatten sie es 1927 als erstes US-Team ins Finale geschafft, 1929 holten sie ihren ersten Titel – gegen die dank Manager Lester Patrick ebenfalls erfolgreichen New York Rangers, die im Jahr zuvor Meister geworden waren. Höhepunkte auf dem Eis waren allerdings rar gesät. Durch die immer besser werdenden Abwehrreihen und Torhüter fielen kaum noch Tore, im Schnitt nicht mal 1,5 pro Spiel. Also übernahm die NHL eine Regel, die es in den westlichen Profiligen schon lange gegeben hatte: Ab der neuen Saison waren auch Pässe nach vorne erlaubt, das Spiel bekam eine ganz andere Dynamik. Die Topteams blieben allerdings dieselben. Auch 1930 dominierte der Titelverteidiger aus Boston die Hauptrunde und kam erneut ins Finale, verlor dort aber überraschend gegen die Montréal Canadiens. Die bis heute größte Rivalität der NHL war geboren.

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      Das neue Chicago Stadium war die modernste und größte Halle ihrer Zeit.

      Weniger zu lachen hatten sie derweil in Pittsburgh. Ohne eine moderne Halle und sportlichen Erfolg – keine einzige Halbfinalteilnahme, im letzten Jahr nur fünf Siege aus 44 Spielen – blieben die Fans weg. Nicht mal der Verkauf an die New Yorker Unterweltgröße „Big Bill“ Dwyer brachte die Wende. Im Sommer 1930 stand das Team aus der Stahlstadt zum Verkauf. Was zunächst aber niemanden nervös machte. Doch was als Ausrutscher in einer ansonsten stabilen Liga angesehen wurde, war nur der Anfang schwieriger Jahre, die durch die weltweite Wirtschaftskrise immer härter wurden. Der Kampf ums Überleben der NHL ging von Neuem los.

       Von zehn auf sechs: Die große Depression

      Fünf Jahre lang war es mit der NHL stets bergauf gegangen, aus der kleinen kanadischen Eishockey-Liga mit drei Vereinen war eine geworden, die in vielen der wichtigsten Städte des Kontinents zu Hause war. Sie war von vier auf zehn Mannschaften gewachsen, spielte in den größten Hallen, kannte Stars auf sowie neben dem Eis und hatte sich ihren Platz im nordamerikanischen Sportkalender erkämpft. Es schien immer weiter bergauf zu gehen, doch gegen Ende der 1920er Jahre bröckelte die Fassade, die Zeit der Stabilität war vorbei.

      Das galt vor allem für den ehemaligen Serienmeister aus Ottawa, der sich vom Schwergewicht zum Sorgenkind gewandelt hatte. Da konnte das Management noch so viele Leistungsträger verscherbeln, Ticketpreise senken oder Heimspiele in andere Städte verkaufen, am Ende jeder Saison stand stets eine rote Zahl in der Bilanz.

      Bereits im August 1929 hatten die Besitzer das Team verkauft, zwei Monate später brach die New Yorker Börse zusammen, die Weltwirtschaftskrise begann. Da half den Senators auch nicht mehr, dass das neue Management es geschafft hatte, wieder mehr Zuschauer anzulocken. Am Ende der Saison 1929/30 hatte es 25.000 Dollar Verlust gemacht. Kurz darauf verkauften die Senators ihren Star-Spieler Frank „King“ Clancy zu den Maple Leafs sowie ihre drei aussichtsreichen Nachwuchstalente zum neuen Team nach Philadelphia. Jeweils für 35.000 Dollar, was sie eine Zeitlang über Wasser hielt, sportlich bedeutete das allerdings ihren Ruin. Die Senators landeten mit nur zehn Siegen aus 44 Spielen auf dem letzten Platz der Canadien Division.

      In Philadelphia war die Freude indes groß. Ursprünglich sollten die kriselnden Pittsburgh Pirates nach Atlantic City verkauft werden, doch der Deal platzte, also ging es nach Philadelphia, fortan nannte sich das Team Quakers und spielte in einer für NHL-Verhältnisse eher kleinen Halle mit nur 6000 Plätzen. Als Trainer verpflichteten die Quakers nicht etwa einen erfahrenen Mann, sondern Cooper Smeaton, der zwar durchaus Bezug zum Profi-Eishockey hatte, allerdings nicht als Coach, sondern als bisheriger Chef der NHL-Schiedsrichter. Trotz der drei neuen Talente aus Ottawa waren die Quakers in ihrer Premierensaison noch schlechter, als es die Pirates in ihrer letzten gewesen waren. Aus den sehr übersichtlichen fünf Siegen aus 44 Spielen wurden vier. Der letzte Platz in der American Divison überraschte niemanden. Schnell war auch das Publikum ernüchtert, zwischendurch lockten die Philadelphia Arrows aus einer der vielen Minor Leagues mehr Zuschauer an als die Quakers aus der großen NHL.

       Auch Toronto braucht eine neue Halle

      Im September 1931 trafen sich die Ligabosse zu ihrem alljährlichen Meeting in New York, um vor allem über die Probleme der beiden Tabellenletzten zu sprechen. Doch es gab weder Käufer vor Ort noch welche in anderen Städten noch sonstige Lösungen. Lediglich für die berühmten Senators gab es eine Idee: Sie sollten für 300.000 Dollar an jemanden verkauft werden, der sie als zweites Team nach Chicago verfrachten wollte, was die Besitzer der Black Hawks allerdings ablehnten, weil sie keine Konkurrenz in der eigenen Stadt wollten. Am Ende des Treffens hatte die NHL nur noch acht Teams. Die Quakers wurden abgewickelt, die Senators setzten aus.

      Die Probleme waren damit aber längst nicht gelöst. Finanzielle Sorgen gab es auch bei den Detroit Cougars. Und selbst die Toronto Maple Leafs mit ihrer aufregenden Mannschaft um Starverteidiger „King“ Clancy und den Stürmern Jackson Busher und Charlie Conacher konnten kaum die Kosten decken. Schuld war ihre Halle. Während die Teams aus Montréal, Boston, Detroit, New York und Chicago in den Jahren zuvor neue große Hallen bekommen hatten, spielten die Leafs noch immer in der kleinen und wenig komfortablen Mutual Street Arena für maximal 7500 Zuschauer.

      Also war mal wieder Conn Smythe gefragt, der es sich mitten in der Wirtschaftskrise zur Aufgabe gemacht hatte, 1,5 Millionen Dollar einzusammeln, um eine prächtige Halle zu bauen. Toronto war in den Jahren zuvor eine Boomtown geworden. Zahlreiche neue Hochhäuser entstanden, zudem das größte Hotel des britischen Empires sowie ein neuer Hauptbahnhof. Doch der Börsencrash hatte alles geändert. Monatelang rannte Smythe quer durch die Stadt, sprach mit Bankern, Industriellen, Medienvertretern und sonstigen einflussreichen Menschen. Doch wo er auch hinkam, überall begegneten ihm Skepsis und Ablehnung.

      In Zeiten, in denen die Regierung knapp 100 Millionen Dollar investierte, um Jobs zu schaffen, war niemand bereit, Geld für die neue Halle eines privaten Eishockey-Vereins auszugeben. Für zahlreiche Menschen im Land hatte sich das Leben durch die Krise binnen weniger Monate schlagartig verändert, Millionen waren arbeitslos geworden, für sie ging es schlicht darum, etwas zu essen auf dem Tisch zu haben. Nicht wenige schafften das nur, indem sie sich bei den vielen Armenspeisungen in die Schlange stellten.

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      Der entscheidende Mann eines der wichtigsten Franchises der NHL: Conn Smythe rettete die Maple Leafs.

      Smythe ließ dennoch nicht locker. Er war schon immer ein Mann der verrückten Ideen gewesen. Abwehrchef „King“ Clancy hatte er vor Jahren nur aus Ottawa zu den Maple Leafs locken können, weil er sein Geld in Sportwetten investiert und gewonnen hatte. Nun sollte der nächste Schritt für die Leafs auf dem Weg an die NHL-Spitze klappen: der Bau der neuen Halle. Dafür tat er alles und konnte im Frühjahr 1931 trotz aller Probleme erste Erfolge verzeichnen.

      Als er mehrere Hunderttausend Dollar zusammenhatte, gründete er die Maple Leafs Gardens Ltd., wohl wissend, dass ihm noch mehrere Hunderttausend Dollar fehlen. Also hatte er erneut eine Idee und verkaufte 70.000 Anteilsscheine zu je zehn Dollar. Weitere 35.000 Anteile gab er mit unbestimmtem Wert heraus. Zugleich verpflichtete Smythe seinen Assistenten Frank Selke, nach dem heute die Trophäe für den besten Defensiv-Stürmer benannt ist, sowie Kapitän Ace Bailey zur Mithilfe. Die beiden mussten sich ans Telefon hängen und die Dauerkartenbesitzer abtelefonieren.

      Einige Wochen später waren zwar sämtliche Anteilsscheine verkauft, trotzdem reichte es noch nicht, das ganze Projekt drohte zu platzen. Da kam Smythe