»Hey, mach mal langsamer!«, rief er ihm hinterher.
Manfred drehte sich um und lachte.
»Eine Schachtel zu viel?«
Breschnow schloss auf und zündete sich demonstrativ eine neue Zigarette an.
»Denkst du, dass es so viel Glück auf einmal geben kann? Eine Täterin, die neben der Leiche wartet, bis wir kommen? Ihre Mordklamotten neben dem Tatort vergraben und in ihrer Wohnung die Tatwaf fe?«, fragte er seinen Kollegen zweifelnd.
»Warum nicht, es ist Sonntag!«, antwortete Manfred und ging auf einen Dealer zu.
Breschnow hörte die beiden flüstern. Der Dealer verschwand im Gebüsch und tauchte kurz danach mit einem kleinen Päckchen auf. Manfred zog seinen Dienstausweis. Der Dealer rannte sofort los, verschwand in den Büschen und mit ihm alle anderen. Manfred lachte. Er liebte solche Scherze.
»Du Hornochse«, schimpfte Breschnow. »Delego und Subat reißen sich den Arsch auf und durchsuchen bei diesem Mistwetter den Park nach Dealern und Pennern als Zeugen, die mit ihnen reden. Und du verschreckst die Kerle. Das nenne ich echte Teamarbeit!«
»Entschuldigung«, murmelte Manfred kleinlaut. »Daran habe ich gar nicht gedacht.«
Schweigend gingen sie weiter zum Auto.
Breschnow schloss auf, und Manfred legte die Tüte mit dem Beweismaterial in den Kof ferraum. Vorsichtig fuhr Breschnow rückwärts auf die Straße. Dieses Mal kreuzte kein Radfahrer seinen Weg.
Manfred rief seine Frau an, teilte ihr mit, dass sie nicht auf ihn zu warten brauchte, und bat sie, ihre Freunde, mit denen sie heute zum Kaffeetrinken verabredet waren, zu grüßen.
Genauso gehen Ehen vor die Hunde, dachte Breschnow. Zu oft kommt etwas dazwischen, zu oft müssen wir plötzlich weg, zu oft enttäuschen wir die Menschen, die uns nahestehen.
Dann war er in Gedanken wieder ganz bei der Arbeit. Schweigend fuhren sie zum Maybachufer. Vor dem Haus stand bereits ein Streifenwagen. Drass rief ihnen vom Fenster aus zu, dass sie in den dritten Stock kommen sollten. Jemand betätigte den Summer. Breschnow musste heftig gegen die Haustür drücken, damit sie sich öf fnete. Die beiden Männer stiegen die schmutzigen Treppen hinauf. Manfred rümpfte die Nase.
»Ganz schön verkommen. Und wahrscheinlich noch teuer dazu. Wegen der tollen Lage am Ufer. Da wohn ich doch lieber in Rudow.«
Die Wohnungstür stand of fen. Zwei Uniformierte hatten sich im Flur positioniert, bereit, niemanden entkommen zu lassen. Breschnow wies sich aus und ging zu Drass, der wieder in der Küchentür stand. Manfred verschwand im Bad.
Fetzige Rockmusik füllte die kleine Küche. Breschnow stellte das Radio ab, ließ sich die Fundstelle zeigen und ging langsam auf den Tisch zu, an dem Cosma Anderson saß. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet. Sie starrte vor sich hin und schien ihn gar nicht wahrzunehmen, als er sich vor sie stellte. Er sah sie nachdenklich an.
Sieht so eine Mörderin aus? Ein Häufchen Elend? Was für idiotische Fragen, als ob Mörderinnen bestimmte Erkennungsmerkmale hätten.
Er ging langsam in die Hocke. Seine Knie knackten. Behutsam sprach er sie an. Sie reagierte nicht.
Manfred betrat die kleine Küche, in der es langsam eng wurde. Er deutete auf die Tüte mit dem Messer, die Drass noch immer in der Hand hielt.
»Wo hast du das gute Stück gefunden?«
Drass zeigte auf die Lücke zwischen Küchenschrank, Boden und Wand. Der Spurensicherer bückte sich, begutachtete Stück für Stück den Fußboden rund um das Möbelstück, fand aber keine Blutspuren. Um sicherzugehen, würde er nachher den Boden mit einer Speziallampe ausleuchten. Er zog sich Plastikhandschuhe über, ließ sich die Tüte geben und zog das Messer vorsichtig heraus.
»Eindeutig Blut. Aber ich glaube nicht, dass wir Fingerabdrücke f inden. Sieht nach Handschuhen aus.«
Breschnow kam herüber und sah sich die Waf fe an. Er nickte und wandte sich wieder der Zeugin zu.
»Frau Anderson, wir möchten uns gerne ein wenig in Ihrer Wohnung umsehen. Ist das für Sie in Ordnung, oder müssen wir uns dazu erst einen richterlichen Beschluss holen?«, fragte er sanft.
Die junge Frau reagierte nicht.
Breschnow setzte sich zu ihr und wiederholte leise seine Frage. Vorsichtig berührte er ihre Hand, die vor ihr, fast wie weggelegt, auf dem Küchentisch lag. Sie zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an. Ihr Blick berührte ihn. Behutsam bat er erneut um ihre Einwilligung. Sie nickte abwesend, senkte wieder den Blick und starrte auf den Tisch.
Drass stellte sich hinter seinen Chef, beugte sich herunter und sagte leise: »Wir müssen den Notarzt rufen, sie steht unter Schock. Ich möchte mir nachher keine Vorwürfe von oben anhören müssen, falls sie zusammenklappt.«
Breschnow nickte und erhob sich langsam. Sein Blick wanderte von Cosma zu Manfred. Der Spurensicherer kniete jetzt vor dem roten Schrank, konservierte mit einem Klebeband vorsichtig den Schmutz daneben und davor und verteilte ihn in kleine Tüten.
Drass lehnte wieder an der Küchentür und telefonierte. »Schauen wir uns ein bisschen um«, sagte Breschnow und ging an ihm vorbei.
Sie betraten das geräumige Wohnzimmer. Breschnow schloss die Tür hinter seinem Kollegen.
»Wieso bist du eigentlich in der Wohnung?«, blaf fte er.
»Weil es so geregnet hat, habe ich sie nach Hause gefahren.Sie hatte ihre Schlüssel vergessen.«
»Und?«
»Sie hat mich auf einen Kaf fee eingeladen«, antwortete Drass trotzig.
»So, auf einen Kaf fee!« Breschnow zog das -ee spitz in die Länge. »Und du hast dir nichts dabei gedacht, mal eben mit einem Dietrich die Wohnungstür zu knacken und dann mit einer Zeugin, die neben der Leiche stand, alleine in ihre Wohnung zu gehen?«
»Sei doch froh! So haben wir vielleicht die Tatwaf fe!«
»Stimmt. Aber das rechtfertigt nicht dein Vorgehen. Hat sie dir den Kopf verdreht?«
Drass rollte genervt die Augen.
»Standpauke zu Ende? Können wir jetzt weitermachen?«
»Noch nicht. Wenn die Staatsanwältin erfährt, wie du das Messer gefunden hast, ist es als Beweis nicht mehr zulässig.«
»Weil ich es dorthin gelegt haben könnte?« Breschnow nickte.
»Und hast du?«, fragte er dann.
»Ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?«
Breschnow brummte etwas Unverständliches und sah sich im Zimmer um. Es war spärlich eingerichtet, wirkte aber nicht kahl. An der rechten Wand stand ein marineblaues Sofa mit einem plüschigen Bezug. Daneben zwei weiße Bücherregale, die bis zur Decke reichten. Sie schienen extra für diesen Raum angefertigt worden zu sein. In einem kleinen Erker unter den zwei Fenstern stand der Schreibtisch. Eigentlich nur eine helle Holzplatte auf vier Beinen. Unter der Platte ein blauer Rollcontainer aus Metall. Breschnow zog sich Handschuhe an und öf fnete eine der Schubladen. Das Übliche: Schreibpapier, Briefumschläge, Klebezettel. Die nächste Lade enthielt Füller, Tintenfässchen, Füllerpatronen, Kugelschreiber und Bleistifte. In einer dritten fand er ihre Kontoauszüge. Er sah sie flüchtig durch. Keine großen Geldüberweisungen. Sie war ziemlich pleite. Auch die anderen Schubladen ergaben keine interessanten Aspekte.
Drass war mittlerweile an das zweite Regal im Raum herangetreten. Dort standen eine teure Stereoanlage von Sony und jede Menge CDs und DVDs.
»Sie hat einen ausgewählten Musikgeschmack«, stellte er bewundernd fest. »Keine Raubkopien, sofern ich das auf den ersten Blick sehen kann. Eine ordentliche Sammlung. Die war teuer!«
»Vielleicht ist sie deswegen pleite. Nach ihren Kontoauszügen zu urteilen, wird sie ein Problem haben, die nächste Miete zu zahlen«, brummte Breschnow. »Lass