Tod in der Hasenheide. Connie Roters. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Connie Roters
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863270667
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Gerichtsmedizinerin, dachte Breschnow.

      »Hast du schon was für mich?«

      »Männlich, weiß, circa vierzig Jahre alt. Keine Papiere. Ich schätze, er ist erst seit zwei bis vier Stunden tot. Drei Messerstiche, zwei von hinten, einer von vorne – direkt ins Herz. Das war wahrscheinlich der tödliche. Aber Genaueres kann ich dir erst nach der Obduktion sagen.«

      »Wann machst du die?«

      »Wenn ich einen Assistenten auftreiben kann, dann noch heute. Der Sonntag ist eh versaut«, antwortete Monika und sah ihren Praktikanten an.

      Breschnow nickte zustimmend und ging wieder zu Manfred.

      »Was gefunden?«

      »Oh ja, jede Menge Glasscherben, Kippen, gebrauchte Spritzen …«

      Breschnow unterbrach ihn. »Irgendetwas, was wir brauchen können?«

      »Woher soll ich wissen, was du brauchen kannst? Ich sammele wie immer den ganzen Kram zusammen und bringe ihn ins Labor. Dann sehen wir weiter.«

      »Wo sind die anderen?«

      Manfred beschrieb mit beiden Armen einen großen Bogen. »Amüsieren sich im Park. Sonntagsausflug. Suchen ein schönes Plätzchen für ein Picknick.«

      Breschnow grinste. Er mochte Manfreds trockenen Humor.

      »Nachher kommen noch Subat und Delego. Hebt ihnen was zu essen auf!«

      »Zeugensuche?«

      Breschnow nickte.

      »Was ist mit der Person, die die Leiche gemeldet hat?«, erkundigte sich der Kriminaltechniker.

      »Ein Mann. Wir versuchen gerade, seine Nummer zurückzuverfolgen. Ich sehe mich hier noch ein bisschen um.«

      Breschnow war froh, wieder ins Freie zu kommen. Eine Leiche in einem Tunnel ist wie eine Leiche in einem Zimmer, dachte er. Zu nah, zu wenig Raum zwischen dem Leben und dem Tod. Langsam ging er den breiten Weg entlang. Der Regen hatte zwar etwas nachgelassen, aber dennoch alle Spuren verwischt.

      Der Täter musste Blut an sich gehabt haben, dachte Breschnow. Man erstach niemanden aus nächster Nähe, ohne sich schmutzig zu machen. Obdachlose und Dealer mussten im Park gewesen sein, vielleicht sogar im Tunnel. Aber die zu finden würde schwierig werden, die wollten nichts mit der Polizei zu tun haben.

      Von Weitem sah er einen weißen Overall im Gebüsch aufblitzen. Kurz darauf bewegten sich die Büsche an einer anderen Stelle. Ein älterer Mann mit einem großen Regenschirm kam ihm entgegen. Als er auf gleicher Höhe war, nickte er kurz zur Begrüßung. Breschnow nickte gedankenverloren zurück und ging weiter. Sein Magen knurrte. Vielleicht sollte er rasch nach Hause fahren, sich umziehen und etwas essen. Als er das Handy herausholen wollte, verwünschte er seine Unkonzentriertheit. Er hatte es bei den nassen Sachen im Zelt liegen lassen. Schnell drehte er um und eilte zurück zum Tunnel.

      Mittlerweile waren zwei weitere Kollegen der Gerichtsmedizin angekommen, um den Toten abzuholen. Sie standen mit verschränkten Armen um die Leiche herum und beobachteten Monika. Den Plastiksarg hatten sie neben sich abgestellt. Sie schienen es nicht eilig zu haben.

      Breschnow nickte ihnen zu, verschwand im Zelt und holte das Handy aus seiner Tasche. Ein verpasster Anruf von Delego. Er rief sie zurück.

      »Was gibt’s?«

      »Cosma Anderson heißt deine Zeugin. Vierunddreißig Jahre alt, keine Vorstrafen. Wir sind auf dem Weg ins Revier. Hast du Verstärkung bekommen?«

      »Nein, stellt euch auf einen langen Tag ein. Versucht jemanden zu finden, der etwas gesehen hat. Dealer, Partyheimkehrer, frühe Gassigänger und die Obdachlosen, die immer im Tunnel übernachten. Und versuch, Schmitti oder Drass zu erreichen. Ich hätte gerne jemanden dabei, wenn ich mit der Frau rede.«

      »Geht klar.«

      Breschnow raf fte seine nassen Sachen zusammen und ging zu Manfred, der noch immer auf dem schmutzigen Tunnelboden herumkroch.

      »Warte auf Subat und Delego. Okay?«

      Der Spurensicherer sah kurz hoch und nickte.

      Breschnow verabschiedete sich und nahm den Weg in Richtung Ausgang. Mittlerweile waren die Uniformierten verschwunden, und vereinzelt trauten sich die ersten Dealer wieder aus ihren Verstecken heraus. Obwohl es aufgehört hatte zu regnen, sah er nur wenige Passanten mit Hunden und einige Jogger.

      Was hatte die Frau im Tunnel zu suchen gehabt? War sie zum Tatort zurückgekommen, oder war sie wirklich nur eine Joggerin? Sie war stehen geblieben. Hatte sie etwas gehört oder gesehen? Hatte sie den Mann gekannt?

      Fast wäre er am Parkausgang zur Fontanestraße, wo sein Auto stand, vorbeigegangen. Er schloss die Fahrertür auf und stieg in den sechzehn Jahre alten ehemaligen Streifenwagen. Er hatte den grünen Passat damals für wenig Geld ersteigert, als der Fuhrpark erneuert worden war. Jetzt war es wieder so weit, dachte er, die grünen Autos werden blau.

      Langsam rollte er rückwärts auf die Straße hinaus und hätte fast einen Radfahrer übersehen, der verkehrswidrig die Fahrbahn überquert hatte. Er fluchte laut.

      Der Regen setzte wieder ein und wurde so heftig, dass die alten Wischer Mühe hatten, die Scheibe freizuhalten. Klimaer­wärmung? Grundwasserprobleme in Brandenburg? Wohl eher eine neue Sintflut, die alles Böse aus der Welt spülte.

      Wieso war die Frau im Tunnel weggerannt?

      Zehn Minuten später erreichte er seinen Wohnblock in der Kreuzbergstraße 49. Ein Neubau, von außen schick anzusehen, aber innen schon leicht baufällig. Der Eigentümer hatte das Haus vor fünf Jahren billig hochgezogen, und nun häuften sich die Mängel. Breschnow fragte sich, ob die ständigen Reparaturen nicht letztendlich teurer waren, als wenn der Bauherr von Anfang an sorgfältiger gebaut hätte.

      Er versuchte die Haustür aufzuschließen, die wie immer klemmte. Im Treppenhaus war es schummerig, die Deckenlampe brannte nicht. Er stieg in den kleinen Aufzug, fuhr in den dritten Stock und schloss seine Wohnungstür auf.

      Er hatte die kleine Dreizimmerwohnung vor zwei Jahren für sich und seine damalige Freundin gekauft. Aber auch diese Beziehung hatte nicht lange gehalten. Nach fünf Monaten war sie gegangen und hatte seine Stereoanlage mitgenommen. In einem kurzen Abschiedsbrief hatte sie erklärt, dass ihr diese, nach der Quälerei mit ihm, zustehen würde. Er konnte es ihr nicht verdenken.

      Als sie damals aus dem kleinen Dorf an der nordfriesischen Küste zu ihm nach Berlin gezogen war, hatte er einfach so weitergelebt wie immer. Er war nie zu Hause, sof f, war schlecht gelaunt, und wenn er mal freie Zeit hatte, verbrachte er sie mit einem Stift und einem Block und schrieb Gedichte. Eigentlich wunderte es ihn, dass sie überhaupt so lange geblieben war. Eine neue Stereoanlage hatte er sich bis heute noch nicht gekauft.

      Er schmiss seine nassen Sachen auf den weiß gekachelten Badezimmerboden, zog den Overall aus und stellte sich unter die Dusche. Das warme Wasser tat gut. Der Overall hatte zwar den Regen abgehalten, ihn aber nicht gewärmt. Er hob das vom Morgen noch feuchte Handtuch vom Boden auf, versuchte, sich damit abzutrocknen, und ging ins Schlafzimmer. Dort sah es aus wie nach einer Hausdurchsuchung. Die Kleidung der letzten Wochen lag über den Fußboden verstreut, der alte Kleiderschrank war fast leer. Breschnow zog ein weißes verknittertes Hemd aus einem der Haufen und suchte nach seiner schwarzen Jeans. Er fand sie unter dem Bett und in der Kommode sogar noch saubere Unterwäsche und Socken.

      Seine Waschmaschine hatte vor vier Wochen den Dienst quittiert und er war bisher noch nicht dazu gekommen, sich eine neue zu kaufen.

      Gleich morgen, dachte er und knöpfte sich auf dem Weg in die Küche das Hemd zu. Er öf fnete den Kühlschrank. Bier, Wein und Schnaps. Mit Essen sah es schlechter aus. Er würde sich beim Bäcker ein belegtes Brötchen holen.

      ***

      Der kleine Transporter brummte zufrieden. Der genießt die Fahrt, dachte Cosma neidisch, und ist wahrscheinlich auch der Einzige. Aus dem iPod drang leise die wärmende Stimme von Leonard Cohen. Cosma hätte das Gerät