Tod in der Hasenheide. Connie Roters. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Connie Roters
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783863270667
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der Notarzt eingetrof fen war, und stellte sich neben ihn.

      »Die Frau steht unter Schock«, sagte der Mediziner. »Sie hört uns nicht und kann sich nicht bewegen. Ich werde ihr eine Beruhigungsspritze geben, damit sich der Stupor löst. Ihr müsst sie sofort in ein Krankenhaus bringen.«

      »Können wir sie nicht mit ins Revier nehmen? Nach der Spritze, meine ich?«, fragte Breschnow.

      Der Arzt schüttelte den Kopf.

      »Auf gar keinen Fall. Sie muss schleunigst in ein Krankenhaus. Wie ist sie eigentlich in diesen Zustand geraten?«

      Breschnow erzählte es ihm.

      »Heißt das, dass ihr sie in U‑Haft nehmen wollt?«

      Breschnow nickte. »Können wir sie dann wenigstens ins Haftkrankenhaus bringen?«

      »Wenn’s unbedingt sein muss«, willigte der Arzt ein und rief zwei Sanitäter in die Küche.

      Breschnow drängte sich leise fluchend an ihnen vorbei. Die Ärzte im Haftkrankenhaus würden sich querstellen und ihn nicht zu ihr lassen. Er kannte das schon. Man musste betteln, drohen, reden und noch mehr reden, bis man sie manchmal von der Notwendigkeit, eine Verdächtige schnell zu vernehmen, überzeugen konnte. Durch diese Verzögerung hatte er einen wichtigen Trumpf verloren. Jetzt konnte sich die Frau genau überlegen, was sie sagen wollte.

      Er musste in Ruhe nachdenken. Als er den Flur betrat, sah er die zwei Polizisten, die Cosma Anderson ins Revier fahren sollten, dort stehen.

      »Was macht ihr denn noch hier?«, pflaumte er sie an.

      »Wir hatten die Order, die Verdächtige ins Revier zu bringen, und warten auf einen neuen Befehl.«

      Prima, dachte er, und wenn sie keine andere Order bekommen, stehen sie in fünf Jahren noch hier.

      »Fahrt zurück zur Wache!«, befahl er. »Ich brauche euch hier nicht mehr. Die Sanis nehmen sie mit.«

      ***

      Cosma spürte durch den Nebel einen fremden Mann auf sich zukommen. Den habe ich noch nie gesehen, dachte sie. Weit entfernt hörte sie eine Stimme, aber sie konnte nicht reagieren. Sie war ein Stein. Ein Stein auf ihrem Küchenstuhl. Aber was machten all diese Männer hier?

      Sie senkte die Augen und starrte auf ihre Hände. Irgendwie schienen sie nicht zu ihr zu gehören. Sie konnte sie nicht bewegen, konnte auch nicht den Kopf drehen, um zu sehen, wer neben sie getreten war. Sie hörte noch mehr Stimmen. Weit weg. Jemand berührte sie, fasste sie unter das Kinn und hob ihren Kopf. Sie sah in das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes und registrierte, dass er lächelnd auf sie einredete. Verstehen konnte sie ihn nicht. Der Mann wedelte mit einer kleinen Taschenlampe vor ihren Augen herum. Jedes Mal, wenn das Licht die Pupille traf, tat es weh. Sie wollte, dass er damit aufhörte. Dann spürte sie, dass jemand ihren Ärmel hochzog, und einen Stich.

      Sie entspannte sich. Es fühlte sich gut an. Es war nun friedlich um sie herum geworden. Zwei Männer halfen ihr vom Stuhl auf. Eine Liege stand neben ihr, und sie durfte sich hinlegen.

      Wie freundlich, dachte sie und schlief ein.

      ***

       Zufrieden beobachtete er das Geschehen vor Cosmas Haus. Die Polizisten kamen und gingen, die Spurensicherung tat ihren Dienst. Dann sah er den Streifenwagen wegfahren und danach die Sanitäter. Sie bringen sie weg, dachte er. Aber wieso in einem Krankenwagen?

      ***

      Breschnow betrat die Straße. Die kleine Gruppe der Schaulustigen vor der Tür löste sich bereits wieder auf.

      Hier gibt es für die Geier nichts mehr zu holen, dachte er verstimmt, überquerte die Fahrbahn und ging den Weg am Wasser entlang. Der Regen hatte aufgehört. Kleine blaue Flecken zeigten sich am Himmel. Die Sonne stach ihm in die Augen. Er spazierte über die Brücke und holte sich am Uferpavillon eine Cola. Nach ein paar Schritten fand er eine Bank, setzte sich und starrte auf das Wasser.

      Ein anonymer Anrufer. Eine junge Frau neben einer Leiche. Blutige Klamotten. Ein Messer. Und keine Zeugen. Die Verdächtige nicht ansprechbar.

      Er war müde. Gerne hätte er jetzt eine Stunde geschlafen, und er spielte ernsthaft mit dem Gedanken, zurück in die Wohnung zu gehen und sich dort etwas hinzulegen.

      Ein Schlauchboot mit einem Mann und einem Jungen zog vorbei. Die Strömung trieb es voran. Das Kind jauchzte. Ein Rascheln lenkte ihn ab. Neben der Bank versuchte eine schwarze Amsel, ihre Beute aus der Erde zu ziehen.

      Vogel und Wurm, dachte Breschnow und zog, während er den Vogel beobachtete, sein Notizheft aus der Jackentasche.

       Gespannt wie ein Federstahl

       der schwarze Vogel im Gras

       die zarten Beine

       in den Boden gestemmt

       wie Säulen

      Ein Schäferhund ohne Leine raste auf den Vogel zu. Die Amsel flog schimpfend davon.

      Glück gehabt, dachte Breschnow und beobachtete den Wurm, der sich in die Erde zurückbohrte, bis sein Handy schrillte.

      »Wo bist du?«, fragte Manfred. »Soll ich hier noch weitermachen oder ins Labor fahren?«

      »Ins Labor. Aber ruf vorher deine Kollegen an. Sie sollen alles andere stehen und liegen lassen und die Wohnung auf den Kopf stellen!«

      Breschnow schlenderte zurück zum Haus und sah hinauf. Drass stand am Fenster. Ihre Blicke trafen sich.

      Im Treppenhaus kam ihm Manfred voll bepackt entgegen.

      »Ich habe noch den Mülleimer mitgenommen. Mal sehen,ob ich Schätze f inde. Wir sehen uns später?«

      Breschnow nickte.

      Er ging zurück in die Wohnung. Drass stand immer noch am Wohnzimmerfenster und schien in Gedanken versunken.

      »Du fährst ins Haftkrankenhaus und siehst nach, wie es der Anderson geht und wann wir sie sprechen können. Ich warte hier auf die Spurensicherung.«

      Drass warf ihm einen ärgerlichen Blick zu, murrte irgendetwas von »so nicht miteinander reden« und verließ den Raum.

      »Und lass deinen Charme spielen!«, rief ihm Breschnow hinterher.

      Er wartete auf das Klicken der sich schließenden Wohnungstür, trat hinaus in den Flur und steuerte den Schlafraum an. An die Zimmertür gelehnt, starrte er eine Weile auf das Bett, trat dann vor, ließ sich hineinfallen und schlief augenblicklich ein.

      ***

      Als Cosma erwachte, wusste sie nicht, wo sie war, und spürte die Angst irgendwo tief in sich. Sie lag in einem weißen Zimmer in einem weißen Bett und trug ein weißes Hemd. Der Himmel!, dachte sie. Ich bin im Himmel!

      Dann f iel ihr Blick auf das Gitter vor dem Fenster. Aber im Himmel würde man bestimmt nicht eingesperrt. Sie versuchte, sich aufzusetzen, hatte aber keine Kraft. Resigniert schloss sie die Augen, wollte wieder schlafen, und danach würde alles anders sein. Ein Geräusch schreckte sie auf. Jemand war ins Zimmer getreten. Sie sah ihn an. Ein Mann. Ein junger Mann. Er schien sie zu kennen. Er trat an ihr Bett und redete ernst auf sie ein.

      »Cosma. Ich möchte gerne mit Ihnen reden. Es ist wichtig. Hören Sie?«

      Wieder wurde die Tür geöf fnet, und eine hagere Krankenschwester betrat den Raum.

      »Was zum Teufel wollen Sie denn hier?«, rief sie ärgerlich. »Raus mit Ihnen!«

      Cosma versuchte, die beiden zu beobachten, aber ihr f ielen immer wieder die Augen zu. Die Stimmen entfernten sich. Sie sank zurück in den Schlaf.

      Sie lief durch einen Park. Die Sonne schien. Die Vögel sangen. Ein älterer Mann ging neben ihr. Er sah etwas zerknautscht aus. Er lachte sie an. Dann wurde es dunkel. Der Mann neben ihr war verschwunden. Sie stand in einem