Da wir uns lieben. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711718445
Скачать книгу
Sitzecke und dem Fernseher hin und her zu laufen. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie prekär meine Situation ist. Wenn ich das Geld nicht auftreibe, ist alles aus. Dann bleibt mir nichts übrig, als Schluß zu machen … mit Rosy und den Kindern. Vielleicht ist das überhaupt die einzig richtige Lösung.«

      »Komm, komm, hör auf, so daherzureden. Das ist doch alles Mumpitz, was du da verzapfst. Es gibt kein Problem, für das sich nicht doch eine Lösung finden ließe. Jetzt erzähl mir erst mal, wozu du das Geld überhaupt brauchst.«

      »Sinnlos, wenn du mir doch nicht helfen kannst.«

      »Vielleicht kann ich, wenn ich erst weiß …«

      »Nein. Ich brauche das Geld. Wenn ich es nicht kriege, bin ich verloren.« Egon trat ans Fenster und sah zur Straße hinaus; seine Schultern zuckten.

      Arnold hatte nie große Stücke auf seinen Schwager gehalten. Aber seine Verzweiflung war echt. »Hast du Schulden?«

      »Schulden! Wenn es nur das wäre!«

      »Warum sagst du mir nicht, was mit dir los ist?«

      »Weil ich dich nicht auch noch belasten will.«

      »Als wenn du das nicht schon getan hättest! Glaubst du, es könnte mir gleichgültig sein, wenn du mir drohst, dich mitsamt deiner Familie umzubringen!?«

      »Ich hätte das nicht sagen sollen.«

      »Du solltest mit so einem Gedanken nicht mal spielen.« Arnold stand auf; ihm war die ganze Geschichte höchst widerwärtig, aber er wußte, daß er es sich selbst nie verzeihen könnte, wenn er Egon ungetröstet gehen ließ und wirklich etwas passieren würde. »Sag mir, was los ist, und ich werde sehen, wie ich dir helfen kann.« Da er ein unsentimentaler Mensch war, kostete es ihn Überwindung, seine Hand auf die Schulter des Schwagers zu legen.

      »Ich brauche keinen Rat, ich brauche Geld!«

      »Wahrscheinlich kann ich das immer noch eher auftreiben als du. Selbst wenn ich das Haus verkaufen müßte.«

      Langsam drehte Egon sich zu ihm um. »Und das würdest du tun?«

      »Immer noch lieber, als dich zugrunde gehen zu sehen. Und, was glaubst du wohl, würde Sabine mir dann erzählen? Du weißt, wieviel zu ihr bedeutest.«

      »Und ich habe dir immer nur Ärger gemacht!«

      Zu Arnolds Entsetzen begannen sich Egons dicht bewimperte Augen mit Tränen zu füllen. »Herr des Himmels, laß dich doch nicht so gehen!« rief er. »Erzähl mir lieber genau, was geschehen ist, die ganze Geschichte von Anfang an, und wir werden sehen.«

      »Kann ich noch einen Kognak haben?«

      »Aber ja, setzen wir uns!«

      Es dauerte noch eine Weile, ehe sich Egon zum Sprechen entschloß. Erst nippte er an seinem Kognak, dann suchte er in den Hosentaschen noch einem Zigarettenpäckchen und wußte doch, daß er gar keins dabei hatte, und klopfte zum Überfluß auch noch die Brusttaschen seines Sporthemdes ab.

      »Also komm, komm«, drängte Arnold, »nun reiß dich zusammen … Wieso brauchst du das Geld?«

      »Ich habe spekuliert.«

      Auf die Idee wäre Arnold nicht gekommen. »An der Börse?« fragte er erstaunt. »Aber…«, fügte er hinzu, verstummte dann jedoch, weil ihm bewußt wurde, daß es sinnlos gewesen wäre, dem Schwager jetzt vorzuhalten, daß er von dergleichen Geschäften nichts verstand.

      »Nein, nein, in Grundstücken«, erklärte Egon nicht ohne einen gewissen Stolz, »das scheint dir jetzt weit hergeholt, das verstehe ich schon, und auch ich hätte von mir aus an so etwas nie gedacht, wenn mir nicht Stefan Brandel… wir sind zusammen in die Schule gegangen, du müßtest ihn eigentlich auch kennen…«

      »Der Brandel, der bei der Stadtverwaltung arbeitet?«

      »Genau. Der hast mir… nun eben… den Tip gegeben, und der ist einfach Gold wert, der Tip, meine ich. Er hätte die Sache ja liebend gern allein geschmissen, wenn er nur das Geld gehabt hätte…«

      »Die sechsundfünfzigtausend?«

      »Nein, nein, das war alles, was ich aufbringen konnte, tatsächlich hätte man noch viel mehr anlegen können, bis zu dreihundert-, vierhunderttausend Mark mit garantiert hundertprozentigem Gewinn!« Egons Augen bekamen einen fiebrigen Glanz. »Du weißt, wie lange Riesberg schon eine Umfahrungsstraße plant, und diese Umfahrungsstraße kommt, das ist gar keine Frage, es ist ja auf die Dauer untragbar, daß der gesamte Verkehr der Bundesstraße durch unsere Stadt rattert!«

      »Davon brauchst du mich nicht erst zu überzeugen«, sagte Arnold Miller nüchtern.

      »Ja, aber nun stell dir mal vor, Stefan Brandel weiß, wie diese Straße geleitet werden wird… durch einen Zufall konnte er Einsicht in die im übrigen streng geheimen Münchner Pläne nehmen! Verstehst du jetzt? Es ist eine einmalige Chance! Was hättest du denn getan, wenn man so etwas an dich herangetragen hätte?«

      »Hm, hm…« Arnold Miller massierte sich sein Kinn. »Es hätte mir nichts genutzt, weil ich bekanntlich ein armer Hund bin.«

      »Ich doch auch, Arnold!«

      »Und du brauchst das Geld, um in dieses Geschäft einzusteigen?«

      »Nein, das habe ich längst getan!« Das Bekenntnis kostete Egon Überwindung, dann aber fügte er wieder mit Schwung hinzu: »Ich habe siebentausend Quadratmeter saure Wiesen erstanden, die mindestens den doppelten Wert bekommen, wenn erst die Umfahrungsstraße gebaut wird. Sie führt mitten durch, verstehst du? Die Herren müssen mit mir verhandeln, und ich werde endlich, endlich auch mal einen Happen vom großen Kuchen abkriegen!« Auf seinen Wangen entstanden hektische rote Flecke.

      Arnold verstand immer noch nicht. »Ja, aber… das klingt doch alles ziemlich positiv!«

      »Ist es ja auch! Noch positiver, als du weißt! Nächsten Mittwoch ist nämlich schon die Sitzung des Stadtrates, in der wegen der Umfahrungsstraße entschieden wird, und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis ich die Wiesen mit Gewinn abstoßen kann!«

      Arnold runzelte die Stirn. »Und wo steckt der Pferdefuß?«

      Egon kämpfte mit sich. »Ich habe das Geld aus der Kasse genommen«, gestand er endlich.

      »Bist du wahnsinnig geworden?!« Arnold sprang auf.

      »Es scheint so«, bestätigte Egon.

      »Aber, Menschenskind, wenn man dir drauf kommt, dann bist du nicht nur deine Stellung los… dann kommst du ins Kittchen wegen Unterschlagung! Und wenn du wieder raus bist, kannst du lange warten, bis du je wieder in eine einigermaßen verantwortliche Position gelangst!«

      Egon wurde jetzt ganz ruhig; es war, als wenn alle Nervosität und Hektik von ihm abfiele. »Das«, sagte er, »brauchst du mir nicht zu erzählen, Arnold. Das weiß ich selbst. Oder was glaubst du, das mich dazu gebracht hat, ausgerechnet bei dir Hilfe zu suchen? Obwohl ich immer gespürt habe, wie wenig du von mir hältst.«

      Arnold atmete tief durch. »Entschuldige. Du hast recht. Es war blöd von mir, dir das vorzuhalten. Schließlich bist du ja kein Idiot.«

      »Ich sehe meine Situation vollkommen klar. Wenn ich mir doch bloß was vormachen könnte, dann ginge es mir besser.«

      »Das würde aber wohl kaum was nützen.«

      »Ich weiß nicht. Wenn man nur das Nächstliegende sieht und nicht auch noch die ganze Ausweglosigkeit der Zukunft, hält man es vielleicht durch. Aber ich bin am Ende, Arnold. Für Montag ist eine Finanzprüfung bei mir angesagt. Die ganze vorige Woche bin ich rumgesaust, um Geld aufzutreiben. Ich habe gute Freunde… aber leider zählen sie nicht zur Hochfinanz. Ein paar tausend Mark hätte ich zusammenschrappen können. Aber nicht so eine Summe.« Egon zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, warum ich dir das Ganze erzählt habe. Aber du hast ja drauf bestanden.«

      »Verdammt, verdammt, verdammt!« Arnold schlug sich mit der geballten Faust auf die flache