Da wir uns lieben. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711718445
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wurden Entscheidungen getroffen, die doch niemanden mehr betrafen als sie selbst.

      »Heute haben wir den 20. August«, stellte Oswald Zinner senior mit einem Blick auf seine Armbanduhr fest, »bleiben uns also bis zum Tag X … schade, daß wir keinen Terminkalender zur Hand haben … über den Daumen gepeilt hundertzwanzig Tage.«

      »Das haut hin«, bestätigte sein Sohn, »dann haben wir heute X weniger hundertzwanzig Tage …«

      »Erste Begegnung mit der künftigen Schwiegertochter«, ergänzte Helen, die die Art ihrer Männer, Planungen anzupacken, weidlich kannte, gelangweilt und mit geschlossenen Augen.

      »X weniger hundertneunzehn Tage«, fuhr Oswald Zinner senior fort, »Fühlungnahme mit den Eltern der Braut. Am besten findet das bei einem gemeinschaftlichen Mittagessen statt. Ich überlasse das Arrangement dir, Helen.«

      »X weniger hundertachtzehn Tage«, sagte Oswald Zinner junior, »einen Makler mit der Beschaffung einer geeigneten Wohnung beauftragen. Das übernehme ich. Ich werde mich an Bauer wenden, der hat immer seriös für uns gearbeitet. Wir müssen nachher noch alle Einzelheiten genau durchsprechen, Ilo. Schade, daß du nicht dabeisein kannst.«

      Ilona fühlte sich überspielt und in die Enge getrieben, gab aber nicht den Zinners, sondern sich selbst die Schuld daran. »Ich werde gleich Montag kündigen«, sagte sie entschlossen. »Ich habe auch noch fünf Urlaubstage gut …«

      »Bravo, Liebes!« Helen Zinner hob mühsam die schweren Lider. »Also weiter im Text … X weniger hundertzwölf: offizielle Verlobung!«

      »Aber Mutschka!« rief Oswald. »Fängst du schon wieder damit an?«

      »Ja, denn ich halte es nach wie vor für klug und richtig. Gerade weil ihr schon in ein paar Monaten heiraten wollt, empfiehlt es sich, unsere Verwandten, Bekannten, Freunde, Neider und so weiter auf das bevorstehende Ereignis vorzubereiten, sonst könnte es für manche ein echter Schock sein … denk nur an all die Mädchen … nein, nicht, die du enttäuschst, sondern die sich vielleicht immer noch Hoffnungen auf dich gemacht haben, Ossi.«

      »Aber ich lege auf eine offizielle Verlobung wirklich gar keinen Wert«, widersprach Ilona und ärgerte sich, daß es ein bißchen zaghaft herauskam.

      »Deine Eltern würden es bestimmt gern sehen«, beharrte Helen Zinner.

      »Aber, Kinder, warum habt ihr euch eigentlich so?« fragte Oswald Zinner senior. »Was ist denn schon dabei? Eine Anzeige im Merkur und im Oberbayrischen Volksblatt, die erledigt das Büro … gedruckte Verlobungskarten an alle näheren Bekannten, bei der Adressenschreiberei kann meine Sekretärin helfen … ein festliches Essen im allerengsten Kreis, das ist alles. Und ihr tut, als wenn man euch wer weiß wie große Opfer abverlangt.«

      »Es ist nicht so, daß ich etwas gegen eine offizielle Verlobung hätte …«, begann Oswald.

      »Na, immerhin«, warf seine Mutter ein.

      »… mir leuchtet nur nicht ein, wozu das Ganze gut sein soll.«

      »Dann will ich es dir ganz genau erklären!« Helen Zinner griff wieder zu ihren Zigaretten, das fünfte Mal an diesem Nachmittag, und ließ sich von Oswald Feuer geben. »Eine Hochzeit, die wie ein Blitz aus heiterem Himmel kommt, hat immer einen gewissen … Hautgout … einen Beigeschmack …«

      »Aber wieso denn, Mutschka? Das verstehe ich nicht!«

      »Ich aber«, sagte Ilona trocken.

      »Sei nicht beleidigt, Liebes! Ich weiß natürlich, daß du nicht schwanger bist, und spätestens ein paar Monate nach eurer Hochzeit wird das auch aller Welt kund werden. Aber bis dahin kann schon viel, viel Schaden angerichtet sein. Die Leute zerreißen sich nur zu gern die Mäuler. Eine offizielle Verlobung ist die beste Methode, bösartigen Gerüchten von vornherein den Boden zu entziehen.«

      »Mama hat wieder mal recht«, stimmte Oswald Zinner senior ihr zu.

      »Na, großartig!« rief der Junior erbost. »Dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als uns einverstanden zu erklären.« Er leerte sein Glas und machte eine Bewegung, als wolle er es über das Geländer werfen, stellte es dann aber doch auf dem Serviertischchen ab. »Am besten schreiben wir in die Anzeige: Unsere ganz und gar freiwillige, von keinem biologischen Ereignis beschleunigte Verlobung geben hiermit …«

      »Pfui!« tadelte Helen Zinner. »Jetzt wirst du zynisch.«

      »Wenn dir eine offizielle Verlobung so ganz und gar gegen den Strich geht …«, begann Ilona.

      »Tut sie ja nicht! Wie kommst du darauf? Wenn du mich darum gebeten hättest, hätte ich sofort zugestimmt. Es ärgert mich nur, daß man uns zu Äußerlichkeiten zwingen will, auf die wir beide doch gar keinen Wert legen!«

      »Das stimmt, Oswald, ich denke nach wie vor genau wie du.« Ilona erhob sich und trat auf ihren Verlobten zu. »Trotzdem – machen wir unseren Eitern doch die Freude! Es ist ja wirklich nur eine Äußerlichkeit!«

      »Und damit«, erklärte Oswald Zinner senior und stand ebenfalls auf, »wäre das Schlußwort in dieser Angelegenheit gesprochen. Das bedeutet für uns, daß es zwischen Tag X weniger hundertneunzehn und hundertzwölf noch eine Menge zu tun gibt.«

      Helen Zinner hob beide Hände den jungen Leuten entgegen, die nicht umhin konnten, sie zu ergreifen. »Ihr ahnt nicht, wie froh ich bin, daß ihr doch noch Vernunft angenommen habt!« Sie ließ sich hochziehen und fügte in ihrem alltäglichen Ton hinzu: »Ich habe uns übrigens ein paar Häppchen richten lassen. Aber vielleicht gehen wir zum Essen doch lieber hinein, ja?«

      Ilona wäre gern wieder mit ihrem Verlobten allein gerwesen, aber sie genoß auch das angenehme Gefühl, zu den Zinners zu gehören. Es war ihr, als sei sie in den vergangenen Stunden ein anderer Mensch geworden.

      Als Arnold Miller und seine Frau am Sonntag das Gut verließen und durch die Ulmenallee in Richtung Stadt heimwärts fuhren, war es drei Uhr vorbei. Sabine hatte heiße Wangen. Das ausgezeichnete Essen, die vornehme Atmosphäre, das Speisezimmer, fast ein Saal, mit all den dunklen alten Möbeln, dem schönen Porzellan und dem schimmernden Silber, die köstlichen Getränke, vom kleinen Sherry bis zum Champagner, der Mokka, der allzu schnell darauf getrunken worden war, noch ehe die Wirkung des Alkohols nachgelassen hatte – das alles hatte sie in einen Zustand schwindeliger Benommenheit versetzt. Sie kurbelte das Seitenfenster herunter und ließ sich den Fahrtwind durch das Haar blasen. »Hast du je zu hoffen gewagt, daß Ilona so ein Glück haben würde? Natürlich ist sie hübsch, vielleicht sogar eine Schönheit, aber auch Schönheit hat doch heutzutage keinen Seltenheitswert.«

      Plötzlich wurde ihr das Schweigen ihres Mannes bewußt, sie öffnete die Augen und wandte sich ihm zu. »Was hast du denn? Du sagst ja gar nichts.«

      »Es genügt doch, daß du redest.« Er blickte starr vor sich auf die Straße. »Diese Bäume gehörten auch längst weg … sie sind lebensgefährlich.«

      »Nicht, wenn man vernünftig fährt. Und außerdem ist das hier doch Privatstraße. Da vorne kommt ja erst Oswalds kleines Weekendhaus.«

      »Du bist ja blendend informiert.«

      »Hin und wieder erzählt mir Ilona eben noch was. Es kommt selten genug vor. Sie bogen in die alte Landstraße ein, die einige Kilometer weiter zur Bundesstraße und nach Riesberg hineinführte.

      »Ich verstehe, daß dir die Trennung von Ilona schwerfällt«, sagte sie, »sie war ja seit jeher dein Liebling. Männer sind meistens ein bißchen eifersüchtig auf ihre Schwiegersöhne.«

      »In welchem Frauenblättchen hast du das nun wieder gelesen?« fragte er unfreundlich.

      Sie war verletzt, hatte aber gelernt, es sich nicht anmerken zu lassen. »Nun, immerhin arbeitet deine Schwester Ethel an einem Frauenblatt, und das hast du bisher nie als Schande empfunden.« Er schwieg. Sie suchte nach einem günstigeren Thema. »Es war fabelhaft von dir, nicht zuzulassen, daß sie die Verlobungsfeier an sich reißen«, lobte sie ihn, um ihn in bessere Stimmung zu bringen.

      »Das war