Da wir uns lieben. Marie Louise Fischer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Louise Fischer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711718445
Скачать книгу
vielleicht – daß sie aber nie mehr im Leben eine neue Küche bekommen würde.

      Sabine hätte am liebsten ein Aspirin genommen und sich ins verdunkelte Schlafzimmer gelegt. Keineswegs hatte sie Lust, Kaffee zu kochen und mit unerwünschten Gästen zu plaudern. Als sie gerade begonnen hatte, die Sahne zu schlagen, erschien Sven und fragte: »Kann ich dir helfen?«

      »Ja, bitte.« Sie drückte ihm den Mixstab in die Hand. »Es wird ganz gut sein, wenn du dich nützlich machst. Warum hast du dich nicht um unseren Besuch gekümmert?«

      »Was soll ich mit denen?«

      »Das ist eine Frage! Es sind doch unsere Verwandten!«

      »Aber die Alten spinnen, und die Kleinen gehen einem auf die Nerven!«

      »Sven!«

      »Wenn es doch wahr ist! Nun tu nicht so, als wenn du das nicht wüßtest.«

      »Ich habe Onkel Egon sehr lieb.«

      »Dann sei froh darüber.«

      »Sven«, sagte sie streng, »manchmal bist du wirklich unausstehlich. Wenn dir deine Verwandten so lästig sind, dann brauchst du nicht hierzubleiben, im Gegenteil, ich werde froh sein, wenn ich dich heute nachmittag nicht mehr sehe.« Sie schob ihn beiseite und nahm selbst den Mixstab wieder in die Hand.

      Er lehnte sich, die Hände in den Hosentaschen, mit dem Rücken gegen den Türpfosten. »Wo soll ich denn hin?«

      »Wohin du willst. Du bist ein großer Junge, oder erwartest du, daß ich dich zu einem Spielplatz bringe?«

      Er sah sie ganz erstaunt an. »Jetzt wirst du aber richtig gemein!«

      Sie errötete und lachte, »Entschuldige, wahrscheinlich hast du recht. Ich habe mich über alles Mögliche geärgert und lasse meine Wut an dir aus. Aber warum gehst du nicht fort? Zu Freunden?«

      »Die sind doch jetzt alle verreist.«

      »Alle? Wirklich?«

      »Die meisten jedenfalls. Die haben …« Er stockte.

      Die Sahne war steif, Sabine schaltete den Mixstab aus. »Erzähl mir jetzt bloß nicht, daß deren Eltern mehr Geld haben als wir … oder daß die nicht so ein blödes Haus gebaut haben. Du warst ganz glücklich, als wir hier herauszogen.«

      »Wer sagt dir denn, daß ich es nicht mehr bin?«

      »Dann mach nicht so ein Gesicht. Wenn du hier bleiben willst, dann benimm dich auch … bitte, Sven!« Sie fuhr ihm mit der gespreizten Hand durch die schwarzen Locken und hätte ihm gern einen Kuß auf die braune Wange gegeben, hielt sich aber zurück, weil sie mußte, daß er ihre mütterlichen Zärtlichkeiten in letzter Zeit nicht mehr schätzte.

      »Wie war es denn bei Zinners?« fragte er.

      »Phänomenal. Ich erzähl’s dir ausführlich heute abend. Vati will jetzt nicht so gern mehr etwas darüber hören. Komm, nimm die Kaffeekanne und hilf mir den Tisch decken.«

      Beim sonntäglichen Kaffee wollte keine Gemütlichkeit aufkommen; die Stimmung der Erwachsenen war gestört. Sabine hätte gern über Ilonas Verlobung geredet, verkniff es sich aber, um nicht wieder mit ihrem Mann aneinanderzugeraten. Auch Egon Kasparek wagte auf ihre Warnung hin nicht, das Thema anzuschneiden. Er war so bemüht, den Schwager in gute Laune zu versetzen, daß es schon peinlich wirkte, vor allem, weil es ihm nicht gelang, die eigene Nervosität zu überspielen. Rosy schwieg sich aus, trank den Kaffee schwarz und zerbröselte den Pflaumenkuchen auf ihrem Teller, ohne ihn zu essen. Nur die Zwillinge waren munter. Sie aßen und schwatzten gleichzeitig, traten sich unter dem Tisch gegen die Schienbeine und schlürften ihren Kakao mit Behagen. Als Andreas sich in seinem Becher eine weiße Schlagsahnenase holte, kugelte sich Christian vor lachen, stippte unverzüglich seinen Zeigefinger in die Schlagsahne und begann sich selbst anzumalen, was der Bruder ihm sofort nachmachte.

      Sabine überlegte, ob Knut oder Torsten sich je so aufgeführt hatten – aber natürlich, sie waren ja auch keine Zwillinge, waren fast zwei Jahre auseinander und daher auch leichter zu erziehen gewesen. Aber bestimmt hatte sie es sich mit ihren Söhnen nicht so bequem gemacht wie Rosy, die einfach dasaß und nicht einmal ein mahnendes Wort fand. Sven war übrigens auch keine Stütze; er lachte über die Späße der kleinen Jungen und feuerte sie dadurch nur zu immer neuen Ungezogenheiten an.

      »Andy … Chris!« rief Egon scharf. »Schluß damit! Benehmt euch! Ihr seid hier nicht zu Hause!«

      »Dürfen die denn sowas zu Hause?« fragte Sven und lachte noch mehr.

      »Wenn ihr nicht sofort damit aufhört, gibt es keinen Kuchen mehr!« drohte Egon. Das hatte nur zur Folge, daß Andreas sich rasch noch eindecken wollte und hastig zur Kuchenplatte griff, wobei er seinen Becher umstieß; die dunkelbraune Flüssigkeit ergoß sich über das weiße Tischtuch. Andreas erschrak. Aber Chris konnte der Versuchung nicht widerstehen, seinen Finger in den vergossenen Kakao zu stecken und sich noch ein paar braune Verzierungen aufzumalen.

      Egon tupfte mit seiner Papierserviette an dem sich rasch vergrößernden Flecken herum. »Das ist mir schrecklich, Biene, das schöne Tischtuch.«

      »Ist doch nicht weiter schlimm«, beruhigte sie ihn, »ich stecke es einfach in die Wäsche. Der Tisch ist nicht empfindlich.«

      »Jetzt eßt eure Teller leer, und dann bringe ich euch ins Bad und wasche euch ab«, sagte Egon zu seinen Söhnen. Die Zwillinge blickten sich an, und man konnte die neue dumme Idee förmlich in ihren Augen aufblitzen sehen: sie begannen, sich gegenseitig die Gesichter abzulecken wie zwei Hündchen.

      Arnold Miller konnte sich nicht länger zurückhalten. »Schluß damit!« donnerte er.

      »Ich glaube, sie sind satt«, stellte Sabine fest.

      Egon Kasparek sprang auf, nahm die Jungen beim Kragen und zerrte sie fort. Sven lachte so unbeherrscht, daß er fast mit seinem Stuhl umgekippt wäre.

      »Wenn die beiden sich nicht benehmen können«, schimpfte sein Vater, »ist das schlimm genug! Aber ein großer Junge wie du sollte sich schämen, sich derart aufzuführen.«

      »Aber ich habe doch gar nichts getan«, behauptete Sven mit Unschuldsmiene.

      Sabine trank ihre Tasse leer und stand auf. Als sie den Tisch abgedeckt hatte, kam Egon Kasparek mit den Zwillingen zurück, die jetzt mit blanken Gesichtern und Tränenglanz in den braunen Augen so rührend und bezaubernd wirkten, daß niemand ihnen böse sein konnte.

      »So, Sven, jetzt sei so nett und spiel mit deinen Vettern!« bat Sabine.

      »Was denn?« fragte Sven und lümmelte sich auf seinen Stuhl.

      »Das überlasse ich ganz dir! Verzieh dich mit ihnen in den Garten und paß auf sie auf.«

      »Hopp, hopp!« drängte sein Vater. »Laß dir nicht alles zweimal sagen!«

      Sven gehorchte wortlos, wobei es ihm gelang, mit jeder seiner trägen Bewegungen deutlich auszudrücken, wie verhaßt ihm diese Aufgabe war und wie ungerecht er sich behandelt fühlte.

      »Kann ich dich einen Augenblick sprechen, Arnold?« fragte Egon, kaum daß die Jungen außer Hörweite waren.

      »Schieß los!«

      Egon warf Rosy, die mit leeren Augen vor sich hinstarrte, einen Seitenblick zu. »Unter vier Augen«, murmelte er.

      Sabine hatte durchaus keine Lust, mit der Schwägerin allein zu bleiben. »Aber, Egon, was soll das?« schaltete sie sich ein. »Du wirst doch keine Geheimnisse vor uns haben.«

      »Natürlich nicht«, behauptete er verlegen, »nur … es gibt Dinge, die Männer eben besser unter sich besprechen.«

      Arnold war schon aufgestanden. »Dann komm!«

      Sabine ergab sich in ihr Schicksal. »Na, dann wollen wir es uns beide mal gemütlich machen Rosy«, sagte sie, »nehmen wir uns doch die Liegestühle!«

      Rosy richtete den Blick ihrer starren grünen Augen