Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter H. Wilson
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783806241372
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sowie das in geringer Entfernung nordöstlich von Glückstadt gelegene Krempe. Auch in Ostholstein, Schleswig und Jütland wurden Befestigungsanlagen errichtet.

      Zwischen 1599 und 1602 wurde das dänische Militärwesen neu organisiert: einerseits, weil für die gerade errichteten Festungen noch Besatzungen benötigt wurden; andererseits als günstige Alternative in der Landesverteidigung im Vergleich zu einem kostspieligen stehenden Heer. Aus dem Wehrdienst der dänischen Ritterschaft (rostjeneste, „Rüst-“ oder „Rossdienst“) entstanden Kavallerieeinheiten, zu deren Aufstellung und Unterhalt alle Inhaber von Kronlehen verpflichtet waren. Unter den Freibauern und Kronpächtern wurden Infanterieregimenter ausgehoben. Die Miliz wurde 1609 in ein landesweit einheitliches System gebracht und nach dem zweiten Krieg mit Schweden in zwei Stufen, 1614 und 1620/21, nochmals umstrukturiert. Am Ende umfasste sie 5400 wehrpflichtige Bauern, deren Dienstzeit drei Jahre betrug. Ihre Einheiten wurden aufgestellt, indem einzelne Musterungsbezirke jeweils ein zugewiesenes Kontingent an Rekruten aufbieten mussten; die Kosten beglich der dänische König aus den Erträgen seiner Krondomäne. Der Adel unterhielt eine ständige Kavallerietruppe aus zwölf Schwadronen. Die Krone akzeptierte gewisse Einschränkungen als Preis für die Kooperation des Adels und sagte deshalb zu, die Miliz ausschließlich zur Landesverteidigung einzusetzen. Die Wehrpflichtigen, die man 1617 zur Errichtung der Festung Glücksstadt abkommandiert hatte, legten diese Bestimmung allerdings wesentlich enger aus als ihr König und desertierten in Scharen. Die Militärreformen Christians IV. hatten unverkennbar dänische Wurzeln, aber bestimmt hatte der König sich von dem nassauischen Milizsystem Graf Johanns VII. inspirieren lassen – jedenfalls überrascht es nicht, dass er Johanns Exerzierbuch in dänischer Übersetzung drucken ließ. Wie Johann von Nassau, so war auch Christian von Dänemark überzeugt, dass zur Stärkung der Truppenmoral neben den neuen Rekruten ein gewisser Kader von Berufssoldaten benötigt wurde. Er begann deshalb, ein Kontingent von etwa 4000 erfahrenen Kräften zu unterhalten, die zu einem großen Teil in Norddeutschland angeworben wurden. Diese bildeten die Kerntruppe des dänischen Heeres in den Jahren 1611 und 1625, in beiden Fällen verstärkt durch weitere Söldner, die man aus der königlichen Barreserve entlohnte, während die Miliz mobilisiert wurde, um die Festungen zu bemannen.

      Christian IV. hatte außerdem erkannt, welch entscheidende Rolle die dänische Marine im Kampf um die Ostsee spielen würde, weshalb er bei ihrem Ausbau keine Kosten und Mühen scheute. Die dänische Flotte war 1588 bereits so groß wie die englische, die im selben Jahr die Spanische Armada besiegte. 1618 waren die Marineausgaben sechsmal so hoch wie die Kosten für das Festungsbauprogramm. Mithilfe derartiger Summen konnte die Gesamttonnage der dänischen Kriegsflotte von 11 000 Tonnen im Jahr 1600 auf 16 000 Tonnen im Jahr 1625 gesteigert werden.

      Noch wichtiger war jedoch, dass der König ganz gezielt in neue Schiffstypen investierte und dass nun größere, stärker bewaffnete Kriegsschiffe die dänischen Werften verließen, darunter etwa das 44-Kanonen-Schiff „Victor“, das 1599 vom Stapel lief, oder die „Store Sophia“ mit ihren 54 Kanonen, die 1627 als Flaggschiff der königlich-dänischen Marine nachfolgte.138

      Dänemark und das Reich Zeitgenossen wie Nachgeborene haben versucht, sich ihren Reim auf diese enormen Rüstungsanstrengungen zu machen, was nicht immer einfach war; schließlich ist Dänemark in den Jahrhunderten seither eher als eine friedliebende, kleinere Macht in Erscheinung getreten. Manche haben dieses spätere Image Dänemarks in die Geschichte zurückprojiziert und argumentiert, der Reichsrat mit seinem Streben nach Frieden und Neutralität habe schon damals die wahren dänischen Interessen vertreten – und zwar gegen das rücksichtslose Machtstreben Christians IV. Die neuere Forschung legt hingegen nahe, dass es auch dem König nicht ausschließlich um den eigenen Ruhm, sondern zugleich immer um die Sicherheit Dänemarks ging, und dass ihn diese Sorge um sein Königreich schließlich in die europäische Politik hineinzog. Der wahre Grund für den Widerstand des Reichsrats lag außerdem darin, dass den Adligen eine Sache klar geworden war: Wenn der König sich auf außenpolitische Abenteuer einließ, gefährdete das ihre eigenen Einkommen und ihren innenpolitischen Einfluss. In dänischen Darstellungen der nun folgenden Ereignisse dominiert in der Regel das Interesse am Ostseeraum. Dabei behielt das Haus Oldenburg doch seine deutschen Wurzeln und damit auch ein gewisses Interesse an den Entwicklungen im Reich. Die ältere Schwester des späteren dänischen Königs Friedrich II. hatte 1548 den sächsischen Kurfürsten geheiratet, was eine enge Verbindung zwischen Dänemark und der lutherischen Führungsmacht Kursachsen etablierte. Zugleich brachte es das nordische Königreich in unmittelbaren Zusammenhang mit dem kursächsischen Eintreten für die 1555 getroffenen Regelungen in Religion und Politik.139

      Die dänische Politik nahm aggressivere Züge an, als 1596 Christian IV., Friedrichs Sohn, volljährig wurde. Nachdem er seinem Vater im Alter von nur elf Jahren auf den Thron gefolgt war, hatte Christian zunächst acht Jahre unter der Anleitung eines Regentschaftsrates aus vier adligen Mentoren regiert. Diese Erfahrung verschaffte ihm wertvolle Einblicke in die Mentalität seines Adels, und er lernte schnell, die Empfindlichkeiten dieses speziellen Menschenschlages für seine Zwecke zu manipulieren. Dänemark war das mächtigste protestantische Königreich neben England, und sowohl Friedrich II. als auch sein Sohn verstanden sich als Hüter und Verteidiger lutherischer Interessen in ganz Europa. Allerdings blieb Christian, der nach außen ein orthodoxes Ideal zur Schau trug, tatsächlich wohl eher gemäßigt, was seinen religiösen Eifer betraf; es war wohl eher das Pflichtgefühl gegenüber seinem Königreich als irgendein konfessionelles Motiv, das ihn zu seinem Handeln bewegte. Er war ein Mann von schier unerschöpflicher Energie und neigte dazu, sich voller Enthusiasmus in ein neues Vorhaben zu stürzen – nur um dann beim ersten Rückschlag in umso tiefere Verzweiflung zu geraten, bevor er sich irgendwann mit frischer Zuversicht wieder ans Werk machte. Zwar war er ein guter Organisator, machte die eigenen Pläne jedoch nicht selten durch Ungeduld oder seine Abneigung gegen das Delegieren von Verantwortlichkeiten selbst zunichte. Trotz bedeutender Niederlagen ist er in das kollektive Gedächtnis der Dänen als der beliebteste König eingegangen, den ihr Land jemals hatte – wohl auch wegen seiner lebhaften Art, seines gesunden Appetits und stürmischen Liebeslebens. Auf eine reine Zweckehe mit der Prinzessin Anna Katharina von Brandenburg folgte eine ganze Reihe von Mätressen, gipfelnd in einer zweiten, morganatischen Heirat mit Kirsten Munk, einer bestens vernetzten, wesentlich jüngeren Tochter aus immerhin adligem Hause, die die Zuneigung ihres Gatten jedoch nicht erwiderte und später sogar ein Mordkomplott gegen ihn anzettelte. Schon Christians erste Ehe hatte, trotz fehlender Leidenschaft, drei Söhne hervorgebracht. Der älteste Prinz hieß Christian wie sein Vater und hatte anscheinend auch dessen Vorliebe für ausgiebige Trinkgelage in die Wiege gelegt bekommen, nicht jedoch den Intellekt und den Elan des Königs. Er starb bereits 1647, einige Monate vor seinem Vater. Ulrich, der jüngste, war schon 1633 im Alter von 22 Jahren verstorben, wodurch beim Tod Christians IV. im Jahr 1648 nur Friedrich, der mittlere der drei Brüder, als Thronfolger übrig geblieben war. Dass gleich zwei seiner Söhne früh sterben würden, hätte natürlich niemand voraussehen können, weshalb sich Christian IV. auch – über einen großen Teil seiner Regierungszeit hinweg und aus einem typisch lutherischen Gefühl familiärer Verantwortlichkeit heraus – für die beiden Prinzen eingesetzt hatte, die, wie er glaubte, sein Königreich nicht würden erben können.

      Die Suche nach einer angemessenen Versorgung seiner nachgeborenen Söhne war denn auch ein Faktor gewesen, der Christian zu seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Reichskirche im Norden Deutschlands bewogen hatte. Es wäre allerdings verfehlt, die strategischen Entscheidungen der dänischen Krone auf eine allzu einfache Gegenüberstellung von „baltischen“ (auf die Ostsee bezogenen) und „deutschen“ (auf das Heilige Römische Reich bezogenen) Optionen zu reduzieren; schließlich verfolgte Christians Politik in der Regel verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Ziele zur selben Zeit. Der Kampf um die Vorherrschaft im Ostseeraum war nicht etwa eine innerskandinavische Angelegenheit, sondern betraf auch Dänemarks Stellung in Europa, und diese hing wiederum mit den Verflechtungen (und Verpflichtungen) des Hauses Oldenburg im römisch-deutschen Reich als dem „Herzen der Christenheit“ zusammen. Die Oldenburger waren mit so gut wie allen protestantischen Fürstenfamilien des Reiches verschwägert. Und obwohl dem Herzogtum Holstein die Kurfürstenwürde abging, ließ ihre königlich-dänische Abstammung die Herzöge doch auftreten, als stünde über ihnen, was Rang und Einfluss betraf, nur noch der Kaiser. Der Einfluss im Reich