Savoyen und Mantua Der Kampf gegen die Korsaren war zugleich Bestandteil von Lermas genereller Neuausrichtung der spanischen Außenpolitik auf den Mittelmeerraum, den er als den wahren Aufgabenbereich Spaniens in Europa ansah. Lerma hatte sich in den Kopf gesetzt, Savoyen für sein Überlaufen ins französische Lager zu bestrafen und so die spanische reputación wiederherzustellen; außerdem wollte er erreichen, dass die Spanische Straße in die Niederlande wieder freigegeben würde. Der Marqués de Hinojosa, ein Verwandter und politischer Verbündeter Lermas, wurde nach dem Tod des Grafen Fuentes zum Gouverneur von Mailand ernannt und bekam die umgehende Anweisung, den Druck auf Savoyen zu erhöhen. Durch unvorhergesehene Entwicklungen kam es zu einem Krieg, den eigentlich niemand gewollt hatte und der als erster in einer ganzen Reihe von Konflikten um das Herzogtum Mantua stehen sollte. Die strittige mantuanische Erbfolge, um die es dabei ging, sollten wir uns genauer anschauen – nicht nur, weil sie die Bedeutung dynastischer Fragen als Casus Belli veranschaulicht, sondern weil ohne ihr Verständnis die gesamte italienische Dimension des Dreißigjährigen Krieges unverständlich bleiben muss.
Als 1612 der Herzog Francesco IV. Gonzaga von Mantua nach einer Regierungszeit von unter einem Jahr starb, riss sein Bruder Ferdinando die Macht an sich und jagte seine noch trauernde Schwägerin Margarete von Savoyen unter dem Vorwand aus der Stadt, dass sie seinem verstorbenen Bruder keinen männlichen Erben geboren hatte. Margarete war die älteste Tochter von Karl Emanuel von Savoyen, der in diesem Vorfall eine Gelegenheit sah, die östliche Grenze seines Herzogtums zu arrondieren, und nun die Markgrafschaft Montferrat als Entschädigung verlangte. Anders als Mantua selbst, das ein Mannlehen war (also nur in männlicher Linie vererbt werden konnte), stand die Erbfolge von Montferrat auch Frauen offen, was es Karl Emanuel gestattete, die Markgrafschaft im Namen seiner Tochter einzufordern. Die Angelegenheit hätte eigentlich durch den Kaiser geklärt werden müssen, weil sowohl Mantua als auch Savoyen Teile Reichsitaliens waren, also zu den italienischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches zählten. Allerdings ließ der habsburgische Bruderzwist dem Kaiser zur betreffenden Zeit nur wenig Raum, sich um seine italienischen Herrschaftsgebiete zu kümmern, weshalb der Herzog von Savoyen im April 1613 kurzerhand in Montferrat einmarschierte und so den ersten größeren Krieg in Italien seit 1559 auslöste. Der spanische Gouverneur Hinojosa in Mailand hatte eigentlich Instruktion, sich aus militärischen Konflikten herauszuhalten, fühlte sich aber zum Eingreifen verpflichtet, weil das umstrittene Territorium genau zwischen den Herzogtümern Mailand und Savoyen lag. Madrid stellte das spanische Handeln als eine Parteinahme für den rechtmäßigen Erben Ferdinando dar, und nach langem Hin und Her eröffnete Hinojosa schließlich 1614 einen Gegenangriff, durch den die savoyischen Truppen aus Montferrat vertrieben wurden, hielt dann aber keineswegs inne, sondern marschierte gleich in das Piemont ein. Lerma wollte einen großen Krieg vermeiden und war auch eher pessimistisch, was Hinojosas Aussichten auf einen völligen Sieg über Savoyen betraf. Auf ein französisches Vermittlungsangebot ging Hinojosa aber ein und schloss im Juni 1615 in Asti ein vorläufiges Friedensabkommen, das ihn zum Rückzug aus dem Piemont verpflichtete und das Schicksal Montferrats vollkommen offenließ.
Der Krieg erhöhte den Druck auf Lerma am spanischen Hof, insbesondere da sein Sohn, der Herzog von Uceda, sich die Strategie seines Vaters zu eigen machte, die Freundschaft des Kronprinzen zu erlangen suchte und sich auch mit allen anderen gut stellte, die auf einen Machtwechsel in Madrid spekulierten. Persönliche Rivalitäten mischten sich mit Grundsatzdiskussionen darüber, was für Spanien das Beste wäre. Nachdem Lerma immer schärfer kritisiert wurde, verweigerte Philipp III. dem Friedensschluss von Asti seine Zustimmung, und Lerma sah sich gezwungen, den Sündenbock Hinojosa durch dessen Absetzung zu opfern, um seine eigene Position zu retten.
Die Position Karl Emanuels wurde indes durch Unterstützung von außen gestärkt. Frankreich hatte es zwar nicht auf einen Krieg abgesehen, nutzte allerdings die spanische Schwäche nur zu gern aus, um seine eigene internationale Stellung zu verbessern, und entsandte Hilfstruppen bis zu 10 000 Mann zur Verstärkung des savoyischen Heeres.131 Auch die Venezianer sahen in Savoyen vor allem den potenziellen Stachel im Fleisch der Habsburger und kamen 1616/17 für ein Drittel der savoyischen Militärausgaben auf. Unter anderem durch diese großzügige Beihilfe war es Karl Emanuel möglich, 4000 deutsche Söldner unter dem Kommando Ernsts von Mansfeld anzuwerben, die rechtzeitig zur Kampagne von 1617 in Oberitalien eintrafen. Savoyen hatte den Krieg bereits 1616 wieder eröffnet und sogar Montferrat zurückerobert, obwohl der Großteil der französischen Hilfstruppen noch auf sich warten ließ. Die Venezianer waren inzwischen in ihren eigenen Krieg mit dem Erzherzog Ferdinand verstrickt (siehe Kapitel 8) und lehnten es deshalb ab, eine zweite Front gegen Mailand zu eröffnen. Zudem stieß die Rhetorik von einem unabhängigen Italien, deren sich Karl Emanuel bediente, bei den benachbarten Herrschern nicht gerade auf Begeisterung; in ihren Augen war noch immer Spanien die beste Garantiemacht für den Frieden in der Region. Als neuer Gouverneur traf der Marqués de Villafranca in Mailand ein und begann umgehend mit einer Reorganisation der spanischen Truppen. Die katholischen Schweizer stellten ihre Bedenken in puncto einer spanischen Nutzung der Gotthardstrecke über die Alpen vorübergehend hintan, was das Eintreffen von Verstärkungen aus der Flandernarmee sowie von deutschen Rekruten ermöglichte. Nach einer sechsmonatigen Belagerung nahm Villafranca das piemontesische Vercelli ein, was eine Lücke in die Grenzbefestigungen des Piemont riss. Da der Krieg sich nun zu ihren Gunsten zu wenden schien, erneuerten die Spanier ihre Bemühungen um einen (für sie möglichst vorteilhaften) Friedensschluss, der durch die Vermittlung der französischen Krone sowie des Heiligen Stuhls zustande kommen sollte. Im Herbst 1617 wurde ein Doppelfrieden geschlossen: Der Vertrag von Pavia beendete die Auseinandersetzung um die mantuanische Erbfolge; Innerösterreich und Venedig einigten sich im Frieden von Paris. Im Gegenzug für einen savoyischen Abzug aus Montferrat, das Herzog Ferdinando von Mantua überlassen wurde, gaben die Spanier Vercelli an Savoyen zurück.
Keine dieser Regelungen war sonderlich zufriedenstellend, und Savoyen sollte die mit Blick auf Montferrat getroffene Vereinbarung schon 1627 wieder infrage stellen. Allerdings gab es in den Beziehungen zwischen den europäischen Herrschern der Frühen Neuzeit immer ein gewisses Maß an Spannungen. Wichtiger ist deshalb, dass 1617 eigentlich nichts auf einen großen, auf einen unvermeidlichen Konflikt hinwies. Der Waffenstillstand mit den Niederländern hatte ein Drittel seiner Laufzeit noch vor sich, und die Regierung in Brüssel war ebenso wie viele Verantwortliche in Madrid durchaus der Meinung, dass er verlängert werden sollte – gesetzt den Fall, dass die Niederländer sich auf eine Änderung der Vertragsbedingungen einlassen würden. Aber vor allem waren auch im westlichen und südlichen Europa keinerlei Anzeichen dafür zu beobachten, dass binnen Jahresfrist in Mitteleuropa ein furchtbarer Krieg losbrechen würde.
6. Dominium Maris Baltici
Dänemark
Die skandinavische Beteiligung am Dreißigjährigen Krieg verband mitteleuropäische Probleme mit dem