Die Grundlagen der schwedischen Macht Die Partnerschaft zwischen Gustav Adolf und seinem Kanzler Oxenstierna lässt sich grob in fünf Phasen einteilen. In den ersten sechs Jahren ihres Zusammenwirkens waren sie damit beschäftigt, das Land aus den Konflikten zu befreien, in die Karl IX. es hineinmanövriert hatte. Dann folgte eine kurze Phase innerer Reformen, die der schwedischen Militärmacht entscheidenden Auftrieb gab. Auf die Probe gestellt wurde diese neue Schlagkraft erstmals ab 1621, als Gustav Adolf einen langwierigen Krieg mit Polen begann, der bis 1629 andauern sollte (siehe Kapitel 13). Bereits 1630 folgte die Intervention in Deutschland, ehe der Tod Gustav Adolfs in der Schlacht bei Lützen Oxenstierna zwei Jahre darauf als einzigen Mentor für dessen junge Tochter, die Königin Christina, zurückließ.
Die Beendigung der Kriege mit Dänemark und Russland in den Jahren bis 1617 erlaubte es dem König und seinem Kanzler, die schwedische Monarchie durch die bewusste Inszenierung der lange aufgeschobenen Krönung Gustav Adolfs zu stabilisieren. Außerdem hoben sie die autonomen Herzogtümer auf, die verschiedenen Mitgliedern der Königsfamilie verliehen worden waren, damit diese nicht zu Einfallstoren für die Intrigen schwedischer Katholiken im polnischen Exil werden konnten. Auch das schwedische Regierungssystem wurde reformiert, wobei man die Auswirkungen dieser Reformen nicht zu hoch veranschlagen sollte. Es stimmt zwar, dass sie für andere Staaten zum Vorbild wurden, namentlich für Brandenburg-Preußen und das Russland Zar Peters des Großen, doch geschah dies erst später im 17. Jahrhundert und dann infolge der verbreiteten Bewunderung für die schwedischen Siege der 1630er- bis 1650er-Jahre. Die Reformen wurden nach und nach eingeführt; ein klarer Entwurf für rational oder, nach einem Schlagwort der Zeit, more geometrico erfolgende Veränderungen war nicht zu erkennen. Der königliche Rat löste sich langsam aus der adligen Kurie im Riksdag heraus und wurde schließlich zu einem professionell agierenden Gremium, das in einem beinahe modernen Sinne die Regierung verkörperte und nicht mehr eine bestimmte soziale Schicht. Dies hing zusammen mit einer funktionalen Differenzierung nach bestimmten Zuständigkeitsbereichen innerhalb der schwedischen Verwaltung, die zur Schaffung von Reichskollegien im Umfeld der ihnen entsprechenden fünf Reichsämter führte: Kanzlei, Oberstes Gericht, Schatzkammer, Admiralität und Kriegsrat. In der Praxis hatten sich diese Kollegien bereits um 1630 voll ausgebildet; vier Jahre später wurden sie im Zuge weiterer Reformen auch formell festgeschrieben. Keine dieser Veränderungen war sonderlich bemerkenswert. Tatsächlich hatten die meisten deutschen Fürstentümer ganz ähnliche Reformen ihrer Verwaltung schon ein gutes Jahrhundert vorher eingeführt. Doch sobald Schweden erst einmal damit begonnen hatte, drängte es, was die Effizienz der Umsetzung betraf, bald an die Spitze und schuf so die Voraussetzung für weitere Steuer- und Militärreformen.
Die dringende Notwendigkeit, das Lösegeld für die Festung Älvsborg aufzubringen, zwang die schwedische Krone zu einer Revision ihrer Finanzen und bewirkte die Einführung neuer Steuern auf der Grundlage einer Volkszählung, die mithilfe der lutherischen Geistlichkeit durchgeführt wurde. Die neuen Steuerlisten erlaubten von 1620 an die Erhebung permanenter Steuern, die nicht mehr jedes Mal mit dem Riksdag ausgehandelt werden mussten. Der Adel akzeptierte diese Regelung, weil er selbst von ihr ausgenommen war, während seine bäuerlichen Pächter nur die Hälfte der Steuern zu entrichten hatten, die von den Pächtern der Krone erhoben wurden. Schweden modernisierte seine Domänenwirtschaft schneller als der Rivale Dänemark und führte anstelle der alten Pachtzahlung in Naturalien Geldzahlungen ein. Außerdem wurde die Produktion von Handelsgütern für den internationalen Markt vorangetrieben. Niederländische Steuerfachleute halfen 1623 bei der Einführung der Akzise, einer städtischen Verbrauchssteuer, sowie der Doppik (doppelten Buchführung) bei der schwedischen Schatzkammer im Jahr darauf. Bald verfügte die schwedische Verwaltung über das modernste Rechnungswesen in ganz Europa. Andere Experten wurden verpflichtet, um die Bodenschätze und anderen natürlichen Ressourcen Schwedens zu erschließen. Dabei tat sich vor allem das Konsortium der bereits erwähnten Familien Trip und De Geer aus den Niederlanden hervor, das in den 1620er-Jahren quasi im Alleingang den schwedischen Bergbau begründete. Unter niederländischer Anleitung verfünffachte sich über die nächsten 30 Jahre die jährliche Fördermenge an Kupfer auf schließlich 3000 Tonnen; schon 1637 machten Eisen und Kupfer 67 Prozent des schwedischen Exportvolumens aus.147 Die Teilnahme am internationalen Handel war für die weitere militärische Expansion unerlässlich, denn sie öffnete der schwedischen Krone die Tür zu ausländischen Krediten. Schweden knüpfte ein Netz von Handelsagenten, die in allen wichtigen Geschäftszentren vertreten waren – darunter etwa Johan Adler Salvius, der in Hamburg mit den politischen und finanziellen Unterstützern der schwedischen Krone verhandelte. Die Einnahmen aus dem Kupferexport dienten zusammen mit den verlässlicheren Einkünften aus der Domänenwirtschaft als Sicherheit für Kredite, mit denen die schwedischen Agenten Kriegsgüter einkauften und Söldner anwarben.
Große Summen flossen in den Ausbau der schwedischen Kriegsflotte, die bis 1630 auf 31 Segelschiffe mit insgesamt 5000 Mann Besatzung angewachsen war. Die Marine diente Schweden sowohl als Bollwerk wie auch als Brücke.148 Ihre Offensivkapazität lag in der Fähigkeit, ein schwedisches Heer zur südlichen Küste der Ostsee oder auf eine der dänischen Inseln zu transportieren und anschließend von See aus Feuerschutz zu geben. Zugleich bildete sie aber auch die erste Verteidigungslinie, um ein feindliches Heer erst gar nicht in Schweden landen zu lassen. Um mit der vielfältigen Beschaffenheit der Ostsee und ihrer Küsten umgehen zu können, wurden zwei verschiedene Schiffstypen benötigt. Die Gewässer vor der schwedischen Ost- und der finnischen Südküste waren flach, die Durchfahrten zwischen den unzähligen vorgelagerten Inseln eng. Die mecklenburgische Küste bis zur Odermündung war gleichfalls eher seicht; zahlreiche Sandbänke erschwerten die Navigation. Dasselbe gilt für viele Küstenregionen und Häfen im Baltikum. Die Schweden entwickelten deshalb vergleichsweise kleine, mit Rudern versehene Schiffe zur Unterstützung ihrer Heere im unmittelbaren Küstenbereich sowie auf den Flüssen, die in die Ostsee mündeten. Diese Galeeren konnten freilich auch eingesetzt werden, um Schwedens eigene Küsten zu verteidigen. Für die eigentliche Schlachtflotte wurden daneben große Segelschiffe benötigt, mit denen man die stärkeren dänischen Kriegsschiffe noch auf dem offenen Meer abfangen konnte. Für Operationen in den tieferen Gewässern vor der schwedischen Westküste und der norwegischen Küste, wo es ebenfalls zahlreiche Inseln gab, wurden beide Schiffstypen kombiniert. Zwei getrennte Flotten konnte die schwedische Krone sich nicht leisten, und so musste der Bedarf an hochseetauglichen Schlachtschiffen auf der einen Seite und an flachbödigen Galeeren für Landungsoperationen und Küstenverteidigung auf der anderen sorgsam austariert werden.
Die schwedischen Heeresreformen haben in der Forschung größere Aufmerksamkeit auf sich gezogen als die Entwicklungen innerhalb der schwedischen Marine. Das Land wurde 1617/18 in Rekrutierungsbezirke eingeteilt, wobei man auf Meldelisten zurückgreifen konnte, die bereits seit 1544 geführt wurden. Jeder Bezirk sollte aufgrund der regelmäßigen Musterung aller wehrfähigen Männer im Alter von 18 bis 40 Jahren ein Regiment (später mehrere) zur Verfügung stellen. Manche Städte waren von dieser Verpflichtung befreit, dasselbe galt für die Besitzungen des Hochadels sowie all jene Gebiete, in denen Eisen- oder Kupferbergbau betrieben wurde. Wie bei den Verwaltungsreformen dauerte es auch hier mehrere Jahrzehnte, bis das schwedische Militärsystem sich zu seiner vorerst endgültigen Form entwickelt hatte. Fixiert wurde das Ergebnis erst 1634, als die schwedische Armee auf 13 schwedische und 10 finnische Infanterieregimenter festgelegt wurde, zu denen 5 schwedische und 3 finnische Kavallerieregimenter traten; jedes Regiment war nach der Provinz benannt, aus der es stammte. Dieses System blieb im Grunde bis 1925 unverändert. Die Rekruten aus Küstenregionen schickte man zur Marine, obgleich nur wenige von ihnen vor ihrer Musterung zur See gefahren waren. Die Verwaltungsabläufe wurden verbessert, indem man die einzelnen Regimenter dazu verpflichtete, ihre Rekrutenzahlen regelmäßig der königlichen Kriegsakademie zu melden; zudem wurden 1621 und 1632 neue Disziplinarordnungen eingeführt.149 Die Aushebung wurde 1642–44 verschärft durch die neue Verwaltungseinheit der rotar, zu denen noch unter der Gemeindeebene jeweils eine bestimmte Anzahl von Bauernhöfen zusammengefasst wurde. Jede Gruppe