FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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stammte. Doch seine Augenlider wollten ihm nicht gehorchen, ebenso wenig wie die anderen Muskeln seines Körpers. Das Einzige, was er fühlte, war sein Herz, das gegen seine Brust hämmerte. Er lebte noch, begriff er endlich, und der Gedanke ließ ihm zur gleichen Zeit heiß und kalt werden.

      Da bemerkte er den Schlauch, der durch seinen Mund in die Luftröhre führte, und plötzlich wusste er, woher das Zischen stammte. Der Moment brach über Alan zusammen.

      Plötzlich war er wieder ein Kind. Er war allein. Vater und Mutter waren nicht bei ihm …

      Sein Schrei wurde von dem Tubus erstickt. Das Piepen wurde hektisch. Er tastete nach dem Schlauch, versuchte, ihn von sich zu reißen, doch jemand hielt seine Arme fest und beugte sich über ihn.

      »Mister McBride! Kommen Sie zu sich! Es ist alles in Ordnung. Sie sind auf der Krankenstation.«

      Nein, wollte er rufen, lassen Sie mich los. Aber der Schlauch hinderte ihn daran. Er kämpfte darum, seine Arme freizubekommen. Tränen rannen über seine Wangen. Hilflos schloss er die Augen. Mit ganzer Willenskraft schaffte er es, die Erinnerungen in sein Gedächtnis zurückzusperren.

      »Beruhigen Sie sich!«

      Das Piepen im Hintergrund nahm wieder einen stetigen Rhythmus an. Als Alan die Augen öffnete, erkannte er Doktor Hayes, die sich über ihn beugte. Scham überflutete ihn.

      Hayes ließ ihn los und fasste seine Hände. »Wenn Sie mich verstehen können, drücken Sie meine Hände. Ja?«

      Er gehorchte, schaffte es, die Finger zu bewegen, und bemerkte seine Schwäche.

      Hayes lächelte ihn an. »Ich wusste, dass Sie es können.«

      Als sie ihn losließ, zuckten Alans Finger und streckten sich nach ihr aus. Sie schien es nicht zu bemerken, legte seine rechte Hand in die ihre und setzte sich auf den Bettrand.

      »Ihre Atmung hat ausgesetzt. Wir mussten Sie zwei Tage beatmen, deshalb sitzt der Schlauch in Ihrer Luftröhre. Haben Sie das soweit verstanden?«

      Zuerst wollte Alan nicken, aber er besann sich und drückte stattdessen ihre Finger.

      »Gut.« Hayes nickte. »Ich habe Sie aufgeweckt, weil ich der Ansicht bin, dass Sie so weit sind, etwas mitzuhelfen. Das heißt, ich werde die Beatmungsmaschine so umstellen, dass Sie ein paar Atemzüge pro Minute selber übernehmen müssen. Es kann sein, dass es nicht sofort klappt. Aber ich bleibe bei Ihnen und passe auf Sie auf. Haben Sie das verstanden?«

      Wieder drückte Alan ihre Hand.

      »Schön! Geben Sie mir ein Zeichen, wenn Sie soweit sind.«

      Einen Herzschlag lang zögerte Alan, bevor er sich erneut darum mühte, seine Finger zu bewegen.

      »Gut, dann versuchen wir es jetzt.« Sie lächelte ihn noch einmal an, ging zu einer Wandkonsole und gab Daten ein. In der Rhythmik des Zischens veränderte sich etwas, er verlangsamte sich und nach einigen Momenten hatte Alan das Gefühl, er müsse nach Atem ringen.

      »Sie machen das wunderbar. Ich wusste, dass Sie es können.« Hayes beugte sich über ihn.

      Erst in diesem Augenblick begriff Alan, dass er selbstständig geatmet hatte. Schweißtropfen standen auf seiner Stirn. Er blickte Hayes an und wusste nicht, ob er sich freuen oder weinen sollte.

      »Ich habe nebenan eine Simulation laufen«, fuhr Hayes fort. »Ich sehe regelmäßig nach Ihnen. Wenn Sie etwas brauchen, müssen Sie nur auf diesen Knopf drücken. Schaffen Sie das?«

      Bei den Worten legte sie ihm einen kleinen Sender mit einem Knopf in die Hand. Er schloss kurz die Augen als Zeichen dafür, dass er verstanden hatte. Doch als er begriff, dass sie ihn verlassen wollte, hörte er, dass das Piepen sich wieder beschleunigte.

      Mit einem Ruck wandte Hayes sich den Kontrollen zu. Nachdem sie sie studiert hatte, trat sie an sein Bett und beugte sich über ihn. »Alles in Ordnung?«, fragte sie.

      Er starrte sie an, kämpfte gegen die Scham darüber, dass er Angst hatte, alleine zu sein. Seine Finger zuckten, verloren den Sender.

      »Hier«, sagte sie und drückte ihn Alan wieder in die Hand.

      Aber Alans Finger wollten nicht gehorchen. Der Sender fiel aus seinen Fingern, rutschte über die Decke, und wäre zu Boden gefallen, wenn sie ihn nicht aufgefangen hätte. In sinnlosem Zorn krampften sich seine Hände zu Fäusten.

      Hayes tat, als sei nichts geschehen und schloss seine Finger um den Sender. Alans Hand zitterte.

      »Sie sind unser Held«, sagte sie.

      Die Worte trieben das Blut in seine Wangen. Er war kein Held. Sein Blick irrte fort von ihrem Gesicht, blieb an der Maschine hängen, die ihn mit Luft versorgte, fand schließlich den Schlauch, der in seiner linken Armvene endete, und einen weiteren, der unter der Decke verschwand. Ihm wurde so elend bei dem Anblick, dass er zu atmen vergaß.

      Hayes runzelte die Stirn. Ihr Blick fiel auf die Apparate. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie schön mitmachen, kann ich vielleicht schon morgen den Tubus entfernen, spätestens übermorgen. In einer Woche sind Sie wieder fit.« Sie lächelte.

      Das Gift fiel ihm ein. Seine Finger umklammerten den Sender. Er hörte, wie das Piepen sich wieder beschleunigte, begriff in diesem Moment, dass es seinen Herzschlag anzeigte, und bemühte sich um Ruhe. Das Piepen verlangsamte sich wieder, nur seine Hand bebte, als Hayes sie zum Abschied tätschelte.

      »Alles in Ordnung?«, fragte sie.

      Als Antwort schloss er kurz die Lider.

      »Schön. Dann bis gleich. Ich bin bald wieder da.« Damit verließ sie seinen Sichtkreis.

      Er betastete den Sender, fühlte den Schweiß, der sich in seinen Handflächen und auf seiner Stirn sammelte. Doch bevor das Piepen sich wieder beschleunigen konnte, zwang er seine Aufmerksamkeit auf Hayes. Er hörte, wie sie sich entfernte, um irgendetwas in einer Computerkonsole einzugeben. Die Tastatur klapperte. Eine Weile herrschte Stille, bis sich ihr ein Fluch entrang. Danach klapperten wieder die Tasten.

      Das Klappern fraß sich in Alans Bewusstsein. Hayes belog ihn. Er wusste es so sicher, als hätte es ihm jemand gesagt. Leere füllte mit einem Mal seine Eingeweide. Er starrte an die Decke, streichelte den Sender in seiner Hand und suchte nach einem Halt, der ihn aus dem Sog retten konnte, der ihn zu erfassen drohte.

      Nein, rief er sich zurecht. Das bildete er sich nur ein. In einer Woche war er wieder fit, hatte sie gesagt. Sie würde ihn nicht anlügen. Nicht Hayes. Er klammerte sich an den Gedanken. Aber der Zweifel blieb.

      Wenig später kam sie zurück. Sie starrte auf den Boden, bis sie bemerkte, dass Alan sie beobachtete. Scheinbar ertappt straffte sie sich und lächelte ihn an. »Sie haben Besuch«, verkündete sie. Als sie an die Wandkonsole trat, um die Daten zu studieren, gab sie den Blick auf Mabuto frei.

      Das Piepen beschleunigte sich wieder.

      Hayes drehte sich zu Alan um. Als das Piepen wieder langsamer wurde, nickte sie den beiden Männern zu. »Ich lasse Sie jetzt allein.« Ihre Schritte entfernten sich.

      Einen Moment lang starrte Mabuto ihn nur an, ehe er auf ihn zutrat. Seine Kiefermuskeln traten hervor. »Ich nehme an, Doktor Hayes hat Ihnen Ihren Zustand erklärt.«

      Alan nickte. Natürlich! Hayes hatte ihm erklärt, dass er seit zwei Tagen künstlich beatmet wurde. Dieser »Zustand« war ja schwer zu übersehen.

      »Mister Fiorentino und Mister Benton haben mir von Ihrem Kampf berichtet. Ich habe Ihren Einsatz in Ihrer Akte lobend erwähnt.«

      Super! Glaubte Mabuto im Ernst, dass er sich irgendetwas aus einem Lob in seiner Akte machte? Kam es in der aussichtslosen Situation, in der sie sich befanden, wirklich noch darauf an?

      »Die … Crew vergöttert Sie …«

      Wie es schien, wollte Mabuto ihm danken.

      »Die