FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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Aber das Essen in der Kantine ist immer noch nicht viel besser.«

      Eine Weile sahen sie sich nur an, bis Dean grinste. »Du hast mich erwischt. Mir ist tatsächlich der Gesprächsstoff ausgegangen.«

      Rede weiter, dachte Alan. Erzähl mir mehr!

      Als er begriff, dass Dean nach Gründen suchte, um noch bei ihm zu bleiben, wurde ihm eng. Ohne sich dessen bewusst zu sein, verstärkte er den Druck um Deans Handgelenk.

      Du musst nicht reden, wollte er ihm sagen. Es ist schön, dass du da bist.

      Aber Dean gab sich nicht so einfach geschlagen. »Ich hab’s«, sagte er. »Wir könnten Schach spielen. Was hältst du davon?« Er schüttelte Alans Hand ab, kramte ein Notepad hervor und drückte ein paar Tasten. »Okay. Du hast den ersten Zug.« Mit Triumph hielt er Alan das Notepad entgegen.

      Alans Finger bebten, als er das Notepad ergriff. Er drückte das Schachspiel weg und suchte den Eingabemodus. Dann tippte er den Satz ein: »Das Ding hättest du mir gleich geben können.«

      Als er Dean das Notepad zurückreichte, schlug dieser sich mit der Hand gegen die Stirn. »Ich bin ein Idiot. Asche auf mein Haupt. Okay, nein, sag nichts. Ich meine …« Dean grunzte. »Ich labere und labere. Hier nimm!«

      Alan nahm das Notepad und löschte den letzten Satz. »Was ist mit der Frau, die uns aufhalten wollte?«, gab er stattdessen ein. Gespannt sah er Dean an, als dieser den Blick darüber fliegen ließ.

      »Frau?« Dean runzelte die Stirn. »Oh, die Krail-as meinst du. Nachdem sie dir die Hand geschüttelt hatte, wurde sie ziemlich hartnäckig. Sie bestand darauf, mitzukommen. Ich meine, was sollte ich tun? Ich saß da, machte Mund-zu-Mund-Beatmung. Benton suchte das Erste-Hilfe-Set. Wir hatten wirklich keine Zeit, sie aus dem Shuttle zu bitten. Und als Benton dich endlich angeschlossen hatte, kamen die Krail-on. Benton hat versucht, sie … äh … rauszuwerfen. Aber ich dachte mir, dass es nicht klug ist, zu lange zu warten – schon deinetwegen nicht – und bin gestartet. Den Rest kennst du.«

      Alan traute seinen Ohren nicht. Er riss Dean das Notepad aus der Hand. »Sie ist hier?« Mit zitternder Hand hielt er Dean den Satz vor die Nase.

      »Jep. Du hättest Mister Mabutos Gesicht sehen sollen, als sie ausstieg. Ich dachte, er würde gleich explodieren. Er wollte die Krail-on kontaktieren, aber die waren schon abgehauen, bevor er dazu kam.« Dean schnaubte. »Ich dachte, er lässt mich die Kombüse schrubben, als ich ihm alles erzählt hatte. Er war ganz aus dem Häuschen. Aber Doktor Hayes hat ihn zu sich gerufen, bevor er mit mir fertig war. Schien wichtig zu sein. Seitdem hat er sich nicht mehr gerührt.«

      Es schien Alan, als warte Dean immer noch auf seine Hinrichtung. Ungeduldig nahm er ihm wieder das Notepad aus der Hand. »Wer ist sie?«, hielt er Dean entgegen.

      »Keine Ahnung.« Dean breitete die Arme aus. »Ich weiß nur, dass Mister Mabuto sie im Quartier des Commanders untergebracht hat und sie bewachen lässt. Mister Graham hat mir erzählt, dass er sie ein paar Mal besucht hat. Aber der Lieutenant schien nicht glücklich zu sein, als er sie verließ. Graham sagt, sie habe ihn gefragt, wo der Kass-Un sei. Daraufhin hat der Lieutenant ihm verboten, mit ihr zu reden, wenn er ihr das Essen bringt.« Dean gluckste. »Scheint nicht mit ihm reden zu wollen, die Gute.«

      Sie wollte nicht Mabuto, sondern ihn sprechen, erkannte Alan. Und er bezweifelte, dass Mabuto das schmeckte.

      Als sie am Nachmittag die Übungen wiederholten, stellte Hayes die Atemfrequenz um eine weitere Stufe herab.

      »Sie machen das wunderbar«, meinte sie, während sie sein Bein beugte. »Wenn Sie sich weiter so anstrengen, dann können wir morgen bestimmt den Tubus entfernen.«

      Nur um ihr einen Gefallen zu tun, versuchte er ein Lächeln und sie schien es zu bemerken.

      Kuosmanen kam einige Male herein und schenkte ihm jedes Mal ein Hallo, bevor sie wieder hinter dem Vorhang verschwand. Sie brachte Hayes mittags und abends etwas zu essen. Er hörte Geschirr klappern und wie Hayes und Kuosmanen sich leise unterhielten.

      »Wollen Sie sich nicht etwas hinlegen?«, fragte Kuosmanen. »Sie haben die letzten beiden Nächte kaum geschlafen. Sie helfen niemandem damit, wenn Sie sich derart verausgaben, Doktor Hayes.«

      Hayes seufzte. »Sie haben recht, Marja. Ich werde nur noch die Eingabe für diese Simulation beenden, damit ich sie starten kann, bevor ich schlafen gehe. Es muss einfach eine Behandlungsmethode geben.«

      Die Worte ließen Alan aufhorchen. Der Zweifel, den er die ganze Zeit zu ignorieren versuchte, bekam neue Nahrung. Was waren das für Simulationen, die Hayes bis in die Nacht wach hielten? Hatten sie mit seinem »Zustand« zu tun? Wusste Mabuto etwa mehr als er?

      »Gut, dann bringe ich noch schnell das Geschirr in die Kantine und übernehme danach für Sie.«

      Anschließend herrschte Stille, die nur vom Klappern der Tastatur und des Geschirrs unterbrochen wurde. Endlich zeigte das Zischen des Schotts, dass Kuosmanen gegangen war, um kurz darauf zurückzukehren.

      »Fertig«, empfing Hayes sie mit einem Gähnen.

      Der Stuhl quietschte, als sie aufstand, um auf Alans Bett zuzuschlurfen. Er beobachtete, wie sie die Anzeigen der Wandkonsolen studierte, bevor sie sich ihm zuwandte. Schatten umrahmten ihre Augen.

      »Gute Nacht«, lächelte sie ihn an. »Marja wird sich jetzt eine Weile um Sie kümmern. Schlafen Sie gut.«

      Als Antwort zwinkerte er ihr zu. Einen Herzschlag lang war er versucht, sie zurückzuhalten, sie um eine Antwort zu bitten.

      Aber sie berührte nur kurz seine Hand und verließ ihn. »Ich bin nebenan im Quarantänezimmer«, hörte er sie noch zu Kuosmanen sagen.

      Danach entfernten sich ihre Schritte, und ein Schott zischte. Alan fröstelte, als es sich wieder schloss. Es kam ihm vor, als sei es mit einem Schlag kälter geworden im Raum. Das Zischen der Beatmungsmaschine schwoll an, erdrückte ihn, sodass er sich am liebsten den Tubus aus dem Hals gerissen hätte, um es zum Verstummen zu bringen. Doch er zwang sich zur Ruhe, knetete stattdessen den Silikonball, den Hayes ihm gegeben hatte.

      Er musste hier raus. Er musste mit Mabuto sprechen, damit er mit der Fremden reden konnte. Sie war nicht ohne Grund hier. Die Krail-on hatten sie schon einmal hereingelegt. Was, wenn diese Frau nur eine weitere Falle grub, in die sie gerade tappten?

      Morgen, rief er sich Hayes’ Worte ins Gedächtnis. Morgen war er den Apparat los. Die Worte hielten ihn über Wasser, bewahrten ihn davor, die Geduld zu verlieren und sich die Schläuche aus dem Körper zu reißen. Sie begleiteten ihn bis in den Schlaf, der ihn endlich erlöste.

      »Es reicht, es reicht«, winkte Hayes ab. Das morgendliche Muskeltraining mit Alan hatte sie in Schweiß gebracht. »Sie schaffen mich. In zwei Tagen machen Sie wieder Klimmzüge. Aber jetzt muss ich zur Abwechslung noch ein bisschen den Computer quälen.«

      Danach hörte er, wie sie wieder vor ihrer Konsole Platz nahm. Kurz darauf begann die Tastatur zu klappern und die Klänge einer Oper drangen durch den Raum. Sie klang genauso traurig wie die am Tag zuvor.

      Alan knetete den Ball und lauschte, während er seine Zehen und Füße in Bewegung hielt. Versuchte, seine Ungeduld in der Musik zu ertränken, bis das Tastengeklapper abrupt endete.

      »Nein«, murmelte Hayes. Das Geklapper begann erneut, hektischer als zuvor, wurde schließlich mit einem Fluch und einem Knall beendet.

      In diesem Moment zischte das Schott.

      »Ihr Essen, Ma’m«, verkündete ein Bass.

      »Jetzt nicht, Mister Benton.«

      Die Musik wurde abgestellt, während das Schott sich wieder schloss.

      »Soll ich’s hier hinstellen, Ma’m?«

      »Ja, von mir aus.«

      »Stimmt was nicht, Ma’m?«

      »Nichts