FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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      Ein Bild entstand vor Alans Augen. Eine Blutlache überschwemmte den Boden, nässte Katsukos Haar. Schwarz und rot bildeten einen seltsamen Kontrast zu ihrem weißen Gesicht. Wie durch einen Nebel hörte er das hektische Fiepen des Herzmonitors. Mit aller Kraft zwang er sich zur Ruhe.

      Alan ließ den Sender los, den Hayes ihm gegeben hatte, und zwang seine Muskeln, Mabuto die Hand entgegenzustrecken. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Die Hand zitterte.

      Mabutos Griff war so hart, dass es schmerzte. Alan zuckte mit keiner Wimper.

      »Ich danke Ihnen«, keuchte Mabuto. Abrupt ließ er Alans Hand los und eilte aus dem Raum.

      Hayes nahm Alans Hand. »Lust, ein bisschen was zu tun?«

      Er wusste zwar nicht, was sie meinte, aber er war froh, dass sie ihn aus seinen Gedanken riss, und drückte ihre Finger.

      Hayes lächelte. »Gut, dann wollen wir mal.« Bei den Worten winkelte sie seinen rechten Unterarm an. »Jetzt drücken Sie mal dagegen, so fest Sie können.«

      Alan fand zwar reichlich albern, was sie von ihm verlangte, entdeckte aber mit Bestürzung, dass sie seinen Arm ohne Mühe aufs Bett drücken konnte. Für ihn, der sonst mit Leichtigkeit zwanzig Klimmzüge an einer Hand schaffte, war das ein Schlag ins Gesicht. Als sie die Übung wiederholten, biss er die Zähne zusammen und strengte sich so an, dass ihm der Schweiß auf der Stirn ausbrach.

      Hayes lachte und schüttelte seine Hand. »Wir machen kein Armdrücken. Sie dürfen sich nicht gleich überanstrengen. Morgen ist auch noch ein Tag. Verstanden?«

      Als Antwort nickte er. Sie würde sich sicherlich nicht soviel Mühe mit ihm geben, wenn er keine Chance hatte, zu überleben. Der Gedanke gab ihm Kraft. Der Zweifel, der in ihm gewachsen war, schrumpfte in sich zusammen. Mit neuem Mut setzte er die Übungen fort.

      Hayes ließ keine Muskelpartie aus, ging erst zum nächsten Körperteil über, wenn sie wirklich zufrieden war, und bewies dabei so viel Geduld, dass es Alan schwerfiel, sich ihr zu verweigern. Doch die Übungen zeigten ihm seine Schwäche und Hinfälligkeit. Eine Erkenntnis, die ihm umso weniger schmeckte, je länger er sie kosten musste. Wut überfiel ihn, weil sein Körper ihm nicht gehorchte, wie er es wollte, sodass er ihre Hand abschüttelte, als sie erneut nach seinem Bein greifen wollte.

      Sie hielt inne, ging um das Bett herum und blickte auf ihn herab. »Sollen wir aufhören?«

      Aber er weigerte sich, sie anzusehen, starrte stattdessen an die Decke und kämpfte mit seinem Stolz.

      Als er ihr kein Zeichen gab, griff sie nach der Decke und zog sie mit einem Seufzen wieder über seine Beine. »Wie Sie wollen«, sagte sie. »Ich will Sie zu nichts zwingen.«

      Einen Herzschlag lang hatte Alan das Gefühl, sie wolle noch etwas sagen, doch dann kramte sie in ihrer Tasche nach dem Sender und legte ihn in seine Hand. Ihm wurde heiß im Gesicht. Bevor sie die Hand wegziehen konnte, packte er sie und hielt sie fest. Sie wandte sich ihm zu und studierte sein Gesicht, während er ihre Hand umklammerte.

      Eine Weile starrten sie sich an, bis sie plötzlich ihre andere Hand auf die seine legte. »Heißt das, wir machen weiter?«

      Er rang nach Atem und nickte.

      »Das freut mich.«

      Mehr sagte sie nicht, aber Alan hörte den Ernst in ihrer Stimme. Deshalb schwor er sich, sich zusammenzureißen. Er wollte ihr nicht noch einmal seine wunde Seite zeigen.

      Katsukos Bild drängte sich ungebeten in sein Bewusstsein. Hayes hatte schon einmal in sein Inneres geschaut. Damals, als Katsuko starb. Der Gedanke verwirrte ihn. Irgendwo unter der Oberfläche seines Gedächtnisses lauerte eine Erinnerung, die er nicht abrufen konnte.

      Nach einer Weile hielt Hayes inne und wischte ihm den Schweiß von der Stirn. »Es reicht«, sagte sie. »Sonst kriegen Sie Muskelkater. Heute Nachmittag wiederholen wir das Ganze. In Ordnung?«

      Er nickte und hielt ihre Hand fest. Irgendwie wollte er ihr begreiflich machen, dass er sich für ihre Mühe bedanken wollte, doch er wusste nicht wie. Mit einem Schnaufen ließ er ihre Hand endlich wieder los.

      Hayes schien ihn missverstanden zu haben. »Sie wollen weitermachen? Warten Sie einen Moment.« Nach wenigen Augenblicken tauchte sie mit einem Silikonball wieder auf. »Hier«, meinte sie. »Den hat mir mein Mann geschenkt, damit ich meinen Frust abreagieren kann. Trainiert auch die Fingermuskulatur.«

      Gegen seinen Willen musste Alan grinsen, als sie ihm den Ball in die Hände legte.

      Hayes tätschelte seine Schulter. »Viel Spaß beim Trainieren. Wenn Sie mich brauchen, benutzen Sie den Sender. Stört es Sie, wenn ich Musik höre?«

      Alan schüttelte den Kopf.

      »Fein«, meinte sie.

      Wieder hörte er, wie sich ihre Schritte entfernten. Es klackte, bevor sie sich setzte, dann drangen die Töne einer Opernarie an seine Ohren. Ridi, pagliaccio, erkannte er endlich. Aber nach Lachen war ihm wirklich nicht zumute. Er lauschte, während seine Finger mit dem Ball spielten, und hörte, wie Hayes nach einer Weile mitsummte.

      Plötzlich hielt er inne. Ein Bild fiel ihm ein. Eine weiße Gestalt, die Dean und ihm den Weg zum Shuttle versperrte. Katsuko war tot, rief er sich ins Bewusstsein. Es musste ein Traum gewesen sein, mehr nicht. Aber Dean hatte sie beiseitegeschoben. Oder irrte er sich? Aber wenn es nicht Katsuko gewesen war, die Dean beiseitegeschoben hatte, wer war es dann gewesen?

      »Heh, Alter!«

      Der Vorhang, mit dem Alans Bett vom Rest des Zimmers abgeteilt war, raschelte und gab den Blick auf Dean frei, der mit einem Grinsen an das Bett trat. Er sah sich nach einer Sitzgelegenheit um und setzte sich schließlich auf die Bettkante.

      »Du siehst scheiße aus, Alter.«

      Als Antwort hob Alan die Hand und deutete einen Boxhieb in Deans Richtung an.

      »Heh, so dankst du es mir, dass ich dich gerettet habe? Hast du eigentlich eine Ahnung, wie sehr Benton und ich geschuftet haben, damit dir nicht die Lichter ausgeblasen werden?«

      Alans Finger krampften sich in die Decke. Das Zimmer stürzte auf ihn ein, wurde zu einem Tunnel aus Schwärze, aus dem sich eine weiße Gestalt schälte. Das Fiepen des Herzmonitors riss Alan in die Realität zurück. Er schwitzte.

      »Benton hat dich ins Shuttle getragen. Und ich habe mindestens eine Viertelstunde lang Mund-zu-Mund-Beatmung gemacht, bis Benton dich endlich an den Schlauch angeschlossen hatte. Scheiße, Alan, ich hab wirklich gedacht, du springst uns über die Klinge …«

      Deans Augen schimmerten. Er tastete nach Alans Hand und tätschelte sie. Seine Handfläche fühlte sich feucht an.

      »Der Lieutenant hat sich öffentlich bei dir bedankt. Wenn’s die Erde noch gäbe, dann würden sie jetzt bestimmt ’ne Straße nach dir benennen.«

      In Alans Kehle zuckte es. Er keuchte, Lachtränen in den Augen.

      Deans Pupillen weiteten sich. »Heh, alles in Ordnung?«

      Er wollte Alan an den Schultern fassen, doch Alan packte sein Handgelenk und hielt ihn fest. Eine Weile starrten sie sich nur an. Das Beatmungsgerät zischte. Wie um alles in der Welt brachte er Dean dazu, dass er ihm erzählte, was mit der Gestalt in Weiß geschehen war?

      Endlich löste sich Dean aus seiner Starre und richtete sich wieder auf. »Übrigens. Wenn ich gewusst hätte, dass du so gut mit dem Ding umgehen kannst, hätte ich mir nicht vor Angst in die Hosen machen müssen. Das sah aus wie in einem dieser Eastern. Ohne das Gift hätte dieses Affengesicht echt alt ausgesehen. Gut, dass Doktor Hayes ein Gegengift gefunden hat.«

      Hatte sie das? Der Zweifel wuchs wieder.

      Dean grinste. »Wart’s nur ab, bis du wieder auf dem Damm bist. Vielleicht finden wir ja den Whiskey, den Mister Racek im Maschinenraum versteckt hat.« Er setzte sich zurecht. »Dass die Krail-on den Schwanz