FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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Waffe und dessen Augen. Die Zeit schrumpfte zu dem Augenblick, der die Entscheidung bringen würde.

      Plötzlich schnellte Starks Klinge auf Alan zu. Dies war der Moment, auf den Alan gewartet hatte. Er wich aus und machte einen Schritt auf Stark zu. Er fühlte, wie die Klinge seine Seite streifte, wie Stahl in seine Haut biss und Blut sein Shirt nässte. Sah die Verwirrung in Starks Blick und griff nach dessen Waffe, hebelte sie ihm aus der Hand mit einer kleinen Drehung seines Körpers. Nutzte die Energie, die Stark in seinen Angriff gelegt hatte, um ihn ins Leere taumeln zu lassen.

      Blut tropfte auf den Boden der Halle. Stark riss die Augen auf und starrte auf einen Schnitt in seiner Handfläche. Sein Blick irrte zu Alan, blieb an ihm hängen, wurde groß und leer. Ein Zucken lief durch den Körper des Krail-on. Seine Beine gaben unter ihm nach.

      Alan hatte das Gefühl, Stark wolle auf ihn zugehen, doch da wankte dieser wie ein Baum, der gefällt wird, und stürzte zu Boden. Mit starrem Blick blieb er liegen. Ein Röcheln drang aus seinem Mund. Dann herrschte Stille.

      Stark war tot.

      Gift.

      Alans Blick fiel auf die Waffe in seinen Händen, deren Klinge gerötet war von Blut – Starks und das seine.

      Ungebeten drängte sich die Erinnerung an Whites Tod in sein Bewusstsein. Er dachte an das Entsetzen in ihrem Blick, das selbst der Tod nicht auszulöschen vermochte.

      Nein, war alles, was er denken konnte.

      Voll Abscheu warf er die Waffe von sich, den umstehenden Krail-on vor die Füße. Sie sprangen beiseite, aus Furcht, mit ihr in Berührung zu kommen.

      Alan spuckte aus. »Betrüger«, keuchte er. »Elende, verlogene Bastarde!«

      Mit einem Ruck drehte er sich um und schritt auf den Ausgang der Halle zu, blind für das, was um ihn herum geschah. Ohne an Benton und Dean zu denken, die er in der Menge verloren hatte. Niemand wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Mit geballter Wut stieß er die zweiflügelige Tür auf, sodass die Stahltüren gegen die Wand krachten, und stürmte aus der Halle.

      Das Shuttle, durchschoss es ihn. Er musste zurück zum Shuttle …

      Da packte ihn jemand am Arm und hielt ihn fest. »Alan! Ist alles in Ordnung?« Dean.

      »Gift«, keuchte Alan und riss sich los, »das Shuttle …«

      Aus Deans Gesicht wich alles Blut. »Komm«, sagte er.

      Seite an Seite rannten sie im Laufschritt zurück durch die düsteren Gänge, Benton auf ihren Fersen. Die Wunde an Alans Seite pochte. Er tastete danach, suchte nach der Nässe, die sein Shirt tränkte, aber da war nichts. Seine Finger fühlten nur Leere. Alan strauchelte vor Entsetzen.

      Dean packte ihn am Arm und zog ihn wieder in die Höhe. »Komm«, sagte er. Ohne Alans Antwort abzuwarten, legte er sich dessen Arm über die Schulter und stützte ihn. Wortlos zerrte er ihn weiter, das Gesicht zu einer Maske erstarrt.

      Der Boden unter Alans Füßen schwand. Übelkeit würgte in seiner Kehle. Er wusste nicht mehr, ob er noch lief oder schwebte. Merkte nur, dass der Boden ihm mit einem Mal entgegenkam. Deans Gesicht näherte sich ihm. Jemand schlug ihm ins Gesicht. Den Schmerz zu fühlen, brachte ihn zur Besinnung.

      »Alan, steh auf!«

      Mit Deans Hilfe stemmte er sich wieder auf die Füße. Er lehnte sich gegen ihn, sah, dass sich Dean seinen Arm wieder um die Schultern legte und ihn um die Taille fasste, aber er fühlte seine Hände nicht. Die Luft wurde ihm knapp.

      »Die Tasche, Mister Benton«, schrie Dean den Pfleger an. »Laufen Sie!«

      Alan hörte nur sich entfernende Schritte. Endlich merkte er, dass Dean ihn weiter zog. Die Wände des Ganges wurden zu einem Tunnel aus Schwärze, in der ihre Schritte widerhallten. Aus der Schwärze schälte sich eine weiße Gestalt, die ihnen den Weg versperrte.

      »Kass-Un«, sprach sie Alan an.

      Er starrte sie an, das herzförmige Gesicht mit den dunklen Mandelaugen wurde von Spinnweben aus schwarzer Seide umrahmt.

      »Katsuko«, flüsterte er. Zitternd streckte er die Hand nach ihr aus, wollte fühlen, ob das, was er sah, wirklich der Realität entsprach oder nur einem Traum entsprungen war.

      »Lassen Sie uns vorbei«, schrie Dean.

      Alan hatte nur Augen für die Frau, die aussah wie Katsuko. Diese blickte auf seine Hand. Ihr Mund öffnete sich. Sie griff nach seinen Fingern und sank vor ihm auf die Knie.

      Alan sah es, aber seine Hand fühlte nur Leere. Träumte er etwa? Oder war sie ein Geist?

      Katsuko führte seine Hand an ihre Stirn, bis seine Fingerspitzen sie berührten. »Dersach«, hauchte sie und sah ihn an.

      Aber Dean stieß sie beiseite, zerrte Alan mit sich, dass dieser stolperte.

      »Nein«, keuchte Alan. Mit einer Drehung entwand er sich Deans Griff. Die Welt um ihn kippte. Keuchend fand er sich am Boden wieder.

      »Katsuko …«

      Sein Blick suchte sie. Er wollte sich aufrichten, aber seine Gliedmaßen gehorchten ihm nicht mehr. Watte füllte seine Ohren. Jeder Atemzug verlangte inzwischen seine ganze Kraft. Bald würde sie nicht mehr ausreichen.

      Da dröhnten Schritte in Alans Kopf. Etwas knallte neben ihm auf den Boden. Deans Gesicht füllte sein Sichtfeld aus, versperrte ihm den Blick auf die helle Gestalt.

      »Still«, keuchte Dean, »still. Es ist gleich vorbei …« Seine Stimme schaffte es kaum noch, das Rauschen in Alans Kopf zu übertönen. Deans Hand strich über Alans Stirn.

      Alan fühlte die Berührung nicht. »Katsuko«, ächzte er. Er versuchte, weiter den Atem durch seine Kehle zu zwingen, aber seine Kraft reichte nicht mehr aus. Etwas tropfte auf sein Gesicht.

      »Nun machen Sie doch schon«, hörte er Dean rufen.

      Ein Fauchen ertönte neben Alans Ohr. Etwas biss in seinen Hals. Er stöhnte auf, riss sich aus Deans Griff. »Ka…tsu…ko«, stöhnte er.

      »Sie ist hier«, schrie Dean durch das Rauschen. »Sie ist hier. Alan, hörst du mich?«

      Ein heller Fleck tauchte über dem dunklen auf. Eine Stimme flüsterte etwas in einer Sprache, die er nicht verstand. Da übertönte das Rauschen alle anderen Geräusche, und es wurde still um Alan. Erstickt wollte er nach Atem ringen, doch sein Brustkorb bewegte sich nicht mehr. Der rasende Schlag seines Herzens verlangsamte sich, stolperte.

      Er riss die Augen auf, suchte die Konturen seiner Umgebung auszumachen, doch sie verwischten immer mehr. Das Letzte, was er sah, waren Katsukos Mandelaugen. Dann lösten die Flecken sich auf, wurden zu Grau, das ihn überschwemmte und allein zurückließ. Endlich erreichte das Grau sein Denken und löschte es aus.

      Zwei Tage liegt die Schlacht nun hinter uns. Ich wundere mich, dass wir entkommen konnten. Nur drei Mann fanden die Kraft, mit mir die letzten Tage auf der Brücke auszuharren: White, Harrison und der junge McBride. Insbesondere McBride gilt meine Bewunderung. Zu keiner Sekunde war er bereit aufzugeben, obwohl selbst ich mehr als einmal fast der Versuchung erlag. Wenn unsere Lage nicht so absurd wäre, würde ich ihn zum Lieutenant befördern.

      Persönliches Logbuch, Commander Jean-Pierre Delacroix, Sydney

      4.

      Irgendwann, nach Ewigkeiten oder dem Bruchteil einer Sekunde, änderte sich etwas. Ein Flüstern drang von weit her in Alans Bewusstsein, löste sich langsam aus dem Rauschen. Ein rhythmisches Zischen begleitete es, das in Alan einen Alarm auslöste. Ein leises Piepen ertönte. Er glaubte, eine Hand auf seiner Stirn zu fühlen, aber der Eindruck war so flüchtig, dass er vorüber war, ehe er ihn ausloten konnte. Dann hörte er die Stimme wieder, näher jetzt. Sie schien einer Frau zu gehören.

      »Mister McBride, können Sie mich hören?«