FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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Erste, was er hörte, als er erwachte, war das Piepen des Herzmonitors. Mit einem Stöhnen wandte er den Kopf zur Seite, wollte zurückfallen in die Schwärze, doch das Piepen ließ es nicht zu. So dümpelte er in einem Meer aus Gleichgültigkeit und stierte an die Decke.

      »Wie geht es Ihnen?«, hörte er Hayes’ Stimme. Eine Hand fasste nach seiner Schulter.

      Alan starrte weiter an die Decke. Aus dem Tümpel in seinem Hirn stieg ein Gedanke an die Oberfläche. Die Krail-on-Frau.

      »Mister McBride, seien Sie vernünftig. Es ist doch nur zu Ihrem Besten.« Hayes’ Stimme klang weich, als bitte sie ihn um Verzeihung.

      »Holen Sie Lieutenant Mabuto.«

      Hayes wich zurück. »Sie brauchen nicht Mister Mabuto. Sie brauchen eine Psycho- oder eine Verhaltenstherapie«, schnappte sie.

      Alan ignorierte sie. »Sie hören mir nicht zu. Ich muss mit Lieutenant Mabuto sprechen. Es ist wichtig.«

      »Beruhigen Sie sich!«

      Ich bin ruhig, hätte er ihr gern ins Gesicht geschrien. Aber er war einfach zu müde, um sich aufzuregen. Langsam drehte er ihr den Kopf zu. »Ich will mit Lieutenant Mabuto sprechen.«

      »Ja, er wusste es«, blaffte sie. »Er ist unser kommandierender Offizier. Ich musste ihn informieren. Das bedeutet nicht, dass ich Sie …«

      »Darum geht es nicht«, unterbrach er sie. »Ich habe wichtige Informationen für ihn, die er erfahren muss. Also rufen Sie ihn endlich!«

      Mit schmalen Lippen stopfte sie ihre Fäuste in die Taschen. »Wie Sie wollen.«

      Hoch erhobenen Hauptes kehrte sie ihm den Rücken zu und stolzierte aus seinem Sichtfeld. Als er hörte, wie sie die Schiffskomm betätigte und nach Mabuto rief, schloss er die Augen. Die Schwärze drohte, ihn wieder zu überwältigen. Keuchend rang er nach Atem. Nur mühsam schaffte er es, seine Augenlider offenzuhalten.

      Währenddessen kehrte Hayes zu ihm zurück und checkte die Kontrollen. Ehe er reagieren konnte, injizierte sie den Inhalt einer Spritze in den Infusionsschlauch, der in seinem linken Arm endete. Sein erster Gedanke war, dass sie ihn wieder zu sedieren versuchte.

      »Nein«, stöhnte er, »bitte. Ich …«

      »Das war ein Mittel zur Stabilisierung Ihres Kreislaufs, Mister McBride. Ich habe es wirklich nicht nötig, zu Tricks zu greifen, um mich Ihnen gegenüber durchzusetzen.«

      Ihm dämmerte, dass die Angst, auf der Krankenstation bleiben zu müssen, ihn in diese Situation gebracht hatte. Wenn er Mabuto davon überzeugen wollte, sie verlassen zu dürfen, musste er wohl oder übel seine Taktik ändern.

      »Es freut mich, Sie bei Bewusstsein zu sehen.«

      Mabuto blieb in der Öffnung des Vorhangs stehen, als habe er es eilig.

      Die Worte trieben Alan das Blut ins Gesicht. »Sir, ich muss mich für mein Verhalten entschuldigen. Es soll nicht wieder vorkommen.«

      »Sagen Sie das Doktor Hayes.« Nun trat Mabuto doch an Alans Bett. »Weshalb wollten Sie mich sprechen?«

      »Mister Fiorentino hat mir von der Krail-on-Frau berichtet, die sich an Bord befindet. Ich wollte Ihnen anbieten, mit ihr zu reden.«

      Mabuto runzelte die Stirn. »Doktor Hayes hat mir bereits vor einigen Tagen Ihren … Zustand geschildert. Ich denke, dass Sie auf der Krankenstation besser aufgehoben sind. Zu Ihrem Besten natürlich.«

      »Sir, bei allem Respekt.« Alan stemmte sich in die Höhe. »Aber ich vermute, sie hat einen guten Grund hier zu sein. Wir sollten sie aushorchen, bevor wir in eine neue Falle tappen.«

      »Der Gedanke ist mir nicht neu. Aber ich sehe keinen Grund, weshalb Sie deswegen die Krankenstation verlassen sollten.«

      »Sir, ich glaube, sie will mit mir reden …« Alan verstummte. Ganz falsch. Wenn er mit ihr reden wollte, musste er es anders anfangen.

      »War das alles, Mister McBride?«

      Das Piepen des Monitors beschleunigte sich. Ruhig, mahnte sich Alan und atmete tief durch.

      »Sir, ich wollte Ihnen nur sagen … Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. Es war meine Entscheidung.«

      Mabuto senkte den Kopf.

      Bevor er etwas erwidern konnte, setzte Alan hinzu: »Sir, mit Verlaub. Ich hätte nur eine Bitte: Lassen Sie mich etwas tun! Meinen Dienst wieder aufnehmen – irgendetwas, damit ich das Gefühl habe, von Nutzen zu sein. Damit … damit mein Kampf nicht sinnlos war.«

      Das Piepen pulsierte in Alans Ohren. Es machte ihn schier wahnsinnig.

      »Sind Sie sich im Klaren darüber, dass das Ihre … Überlebenschance verringern könnte?«

      Das Piepen stolperte, verlangsamte sich.

      »Ja, Sir. Ich bin mir dessen bewusst.«

      Mabuto schwieg.

      »Sir, bitte helfen Sie mir!«

      Mabutos Miene wurde hart. »Glauben Sie, dass Sie eine Schicht durchhalten können?«

      »Ja, Sir.«

      »Gut. Ich werde mit Doktor Hayes reden. Aber nur unter einer Bedingung: Sie werden sich Ihren Anweisungen fügen, egal, was sie von Ihnen verlangt. Wenn Hayes Grund zu Klagen hat, ziehe ich mein Einverständnis zurück. Haben Sie das verstanden?«

      »Aye, Sir.«

      »Ich hoffe, ich muss meine Entscheidung nicht bereuen, Mister McBride.«

      »Nein, Sir. Danke, Sir.« Mit einem Seufzen sank Alan auf sein Kissen zurück.

      Mabuto nickte ihm zu. »Ich zähle auf Sie, Mister McBride.« Mit diesen Worten verließ er den Raum.

      Als das Schott hinter ihm zischte, kam sich Alan mit einem Mal wie ein Betrüger vor. Vielleicht hatte White mit ihren Anschuldigungen nicht so unrecht gehabt.

      »Sind Sie nun zufrieden?«, fragte Hayes.

      Mit verschränkten Armen baute sie sich neben Alans Bett auf.

      Alan schwieg und starrte an ihr vorbei auf die Wand.

      »Ich übernehme keine Verantwortung für das, was daraus erwachsen wird.«

      »Es ist mein Leben«, knurrte Alan.

      »Oh, fein!«, höhnte Hayes. »Sie machen es sich verdammt einfach, Mister McBride. Vielleicht sollten Sie ab und zu auch an die Leute denken, mit denen Sie auf diesem Schiff zusammenleben!«

      »Das habe ich getan!«

      »Sie wissen, was ich meine«, erwiderte Hayes. »Ich bin Ihre Ärztin. Und meine verdammte Pflicht ist es, Ihr Leben zu erhalten. Glauben Sie nicht, dass ich Sie aus der Krankenstation entlasse, bevor Sie wieder halbwegs genesen sind. Zwei Tage werden Sie hier wohl oder übel noch verbringen müssen. Und wenn Sie nicht kooperieren, kann sich die Zeit leicht verlängern.«

      Der Hieb saß. Darauf wusste er nichts zu antworten.

      »Über die Therapie sprechen wir noch. Wenn ansonsten alles geklärt ist, werde ich jetzt Mister Benton zu Ihnen schicken, damit er Ihnen den Blasenkatheter entfernt. Er wird Sie zur Toilette begleiten und danach mit Ihnen trainieren. Noch Fragen?«

      »Nein.«

      »Gut.« Mit diesem Wort kehrte sie Alan den Rücken zu und stolzierte aus dem Raum.

      Ab diesem Zeitpunkt herrschte Krieg zwischen ihnen. Alan bekam Hayes erst wieder zu Gesicht, als sie abends kam, um seine Werte zu kontrollieren. Benton trainierte an ihrer Stelle mit Alan. Da das Muskeltraining alles war, womit er seine Position Hayes gegenüber verbessern konnte, quälte er sich durch die Übungen, bis Benton ihn bremsen musste. Deans Besuch am Abend war der einzige Lichtblick.