FREMDE HEIMAT. Petra E. Jörns. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Petra E. Jörns
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783957658920
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wurden, ein Detail, das Bolden fasziniert zu haben schien, da er sich wunderte, wie sie auf diese Weise eine funktionierende Gesellschaftsstruktur aufrechterhalten konnten. Er beschrieb auch den theoretischen Ablauf eines Duells, das in einem zehn Meter durchmessenden Kreis stattfand, dessen vorzeitiges Verlassen den Tod bedeutete. Die Waffe, die im Bericht abgebildet war, glich einer kurzen Ausgabe der japanischen Naginata. Die Waffe der Krail-on, Dakka genannt, besaß nur am unteren Ende eine Spitze anstatt eines Knaufs. Aber eine Naginata war etwas, womit Alan etwas anfangen konnte. Damit hatte er schon geübt.

      Der Gedanke, jemanden damit töten zu müssen, lähmte ihn. Er versuchte, sich vorzustellen, wie es sich anfühlen würde, wenn die Klinge in seinen Körper eindrang.

      »Heh, nun red schon«, drängte ihn Dean. Seine Hand legte sich auf Alans Arm.

      »Was, wenn ich das Duell annehmen muss?«

      »Du spinnst.«

      »Ich hab’s Mabuto gerade eben angeboten.«

      Dean stand der Mund offen. »Miss Apilanez schafft das schon«, meinte er dann.

      »Und wenn nicht?«

      Der Griff um Alans Arm verstärkte sich.

      »Sir … Alan, stimmt etwas nicht?« Yaels Lockenmähne beugte sich Alan zu. Sie hatte mit Nguyen den Platz getauscht.

      Alan schaffte es, sie anzulächeln. »Alles in Ordnung.«

      Er dachte an die Fotos in seinem Quartier, an Katsuko, Racek, White und den Commander und die vielen anderen Toten, die sie auf ihrem Weg hinter sich gelassen hatten. Er würde nicht zulassen, dass sich Weitere dazugesellten. Und plötzlich wusste er, dass er gehen würde.

      Zehn Minuten vor Ablauf der Frist kam eine Nachricht aus dem Maschinenraum.

      »Maschinenraum an Brücke. Apilanez spricht. Es gibt Probleme. Es gab ’nen Kurzschluss, als wir ein Relais austauschen wollten. Ich muss ein paar verschmorte Verbindungsstellen überbrücken. Wird mindestens zwanzig Minuten dauern, eher ’ne halbe Stunde, Sir.«

      Alans Eingeweide verknoteten sich.

      Keiner auf der Brücke rührte sich.

      Alan wollte sich gerade einmischen, als Yael das Wort ergriff. »Brücke an Maschinenraum. Hattab spricht. Der leitende Offizier Mister Mabuto befindet sich im Bereitschaftsraum. Ich stelle Sie durch.« Yaels Stimme schwankte.

      »Oh, das wusste ich nicht. Apilanez Ende.«

      Schweigen lastete auf der Brücke. Niemand hatte den roten Alarm aufgehoben. Noch immer war alles in rotes Licht getaucht.

      Als das Schott zischte, stand Alan auf und ging darauf zu. »Übernehmen Sie das Steuer, Miss Skobzewa«, sagte er. Vor Mabuto blieb er stehen.

      Einen Herzschlag lang sahen sie sich an, bis Mabutos Blick auf den Bereitschaftsraum wies. »Ich muss mit Ihnen sprechen, Mister McBride.«

      Als sie allein im Besprechungsraum waren, standen sie sich noch immer gegenüber. Alan wartete.

      Mabuto holte tief Luft und ging um den Tisch herum. Mit dem Rücken zu Alan blieb er stehen. »Ich weiß, dass der Commander Ihnen meinen Platz angeboten hat. Er hat mich darüber informiert. Die Frist, die er mir gab, lief heute ab. Wären die Krail-on nicht dazwischen gekommen, wären Sie jetzt wahrscheinlich Zweiter Offizier.« Mabuto drehte sich um und sank in den Stuhl. »Ich trage Ihnen nichts nach, Mister McBride. Ich … glaube nicht, dass Berechnung im Spiel war.«

      »Nein, Sir«, würgte Alan hervor.

      »Gut, dass das geklärt ist.« Mabuto presste die Lippen aufeinander. »Ich habe beschlossen, an Ihrer Stelle zu gehen.«

      »Sir, mit Verlaub, aber entweder denken die Krail-on dann, ich schicke … äh … einen Untergebenen, was uns in ihren Augen automatisch unglaubwürdig erscheinen lässt. Oder sie erfahren auf diese Weise, dass ich geflunkert habe, was Sie wiederum in schlechtem Licht erscheinen lässt.«

      Mabutos Fäuste schlossen sich wie im Krampf.

      »Sir, ich habe vierzehn Jahre Aikido gemacht und zehn Jahre Training in Kendo hinter mir. Ich kenne die Art von Waffe, mit der die Krail-on kämpfen. Wenn Sie gehen, wäre das glatter Selbstmord.«

      »Wir könnten um eine Verlängerung der Frist bitten.«

      Alan schüttelte den Kopf. »Das käme einer Kapitulation gleich. Wenn wir Schwäche zeigen, greifen sie uns an. Und ich bezweifle, dass wir ihrem Beschuss lange standhalten können, Sir.«

      Mabuto stützte die Stirn gegen seine ineinander gefalteten Hände. »Sie wollen wirklich für uns Ihr Leben riskieren, Mister McBride.«

      »Aye, Sir.«

      Mabuto sah auf. »Niemand weiß, ob die Krail-on Sie gehen lassen, wenn Sie gewinnen.«

      »Wenn ich Doktor Boldens Bericht glauben darf, dann spricht alles dafür, dass sie uns bei … meinem Sieg unbehelligt ziehen lassen. Auch mich.«

      »Sie kennen ihn besser als ich.« Mabutos Blick verlor sich. »Gut«, sagte er. »Ich rufe die Offiziere zusammen.«

      Sie hatten sich umgruppiert, ohne sich abzusprechen. Hayes saß zu Mabutos Linken, der am Ende des Besprechungstisches vor der Kommandotafel stand. Neben ihr saß Nguyen. Zu Mabutos Rechten saß Alan mit Dean an seiner Seite. Der Raum wirkte seltsam leer.

      War er nun sozusagen Mabutos Erster Offizier, wunderte sich Alan.

      Mabuto sah ihn kurz an. Mit aufeinandergepressten Lippen hob er den Kopf. »Die Zeit drängt. Miss Apilanez wird es nicht schaffen, den Hyperantrieb rechtzeitig zu reparieren. Mister McBride und ich haben beschlossen, dass … Mister McBride auf die Duellforderung eingehen wird, um …«

      »Wie bitte?« Hayes erhob sich halb aus ihrem Stuhl. »Sir, mit Verlaub. Aber das ist verrückt. Das … das können Sie doch nicht machen. Ich meine …« Sie breitete die Arme aus, ließ sie dann sinken, als wüsste sie nicht weiter. »… das ist tiefstes Mittelalter. Das …«

      »… um uns mehr Zeit zu verschaffen.« Mabuto fixierte Hayes, bis diese mit einem Kopfschütteln in ihren Stuhl zurücksank.

      »Sir?« Alan sah Mabuto fragend an. Als dieser nickte, erhob er sich. »Es war meine Entscheidung. Ich gehe aus freien Stücken. Ich denke, ich kenne mich etwas besser in dem … äh … Metier aus als Mister Mabuto.« Alan wunderte sich, dass Dean ihm nicht widersprach.

      »Das ist Wahnsinn«, flüsterte Hayes.

      »Ein Ersatz würde genauso wenig akzeptiert werden wie eine Verlängerung der Frist«, fuhr Alan fort. »Beides würde mit großer Sicherheit einen Angriff nach sich ziehen und einem Beschuss würden wir nicht mehr lange standhalten. Es ist unsere einzige Chance und ich bin mir des Risikos durchaus bewusst. Sir.« Alan nickte Mabuto zu und setzte sich wieder.

      Mabuto rang nach Luft. »Sie … haben Mister McBride gehört. Ich kann dem nichts hinzufügen … außer meinen … unseren Dank. Sie können gehen.«

      »Sir, einen Augenblick.« Hayes stützte die Hände auf den Tisch. »Es ist wichtig. Wenn Mister McBride … da rübergeht, sollte er meine Ergebnisse kennen.«

      Mit gerunzelter Stirn setzte sich Mabuto wieder. »Sprechen Sie!«

      Hayes kramte ihr Notepad hervor und scrollte in ihren Daten herum. »Wir haben bei der Obduktion ein Gift gefunden. Es scheint in einer Art Nanokapseln verborgen gewesen zu sein, die sich an die Darmwand hefteten, weswegen …«

      »Kommen Sie zur Sache, Doktor Hayes! Ich glaube nicht, dass das für Mister McBride interessant sein dürfte.«

      »Ich habe ein Gegengift gefunden.« Hayes sah Alan an. Ein paar Locken hatten sich aus ihrem Knoten gelöst und umrahmten ihr erhitztes Gesicht. »Nicht, dass es ein richtiges Gegengift wäre. Es handelt sich um den Abkömmling des Tetanustoxins, das sich mit dem Gift verbindet.