Wildspitz. Monika Mansour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Mansour
Издательство: Bookwire
Серия: Zuger-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416692
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verletzlich und würde seine Geste falsch deuten. «Schlaf jetzt. Ich hole die Informationen ein, und am Abend setzen wir uns alle gemeinsam an den Küchentisch und überlegen uns einen Schlachtplan, Deal?»

      «Deal.»

      Tom stand auf, zog die Vorhänge zu und verliess Natalies Zimmer.

      Die Fahrt an diesem Samstagnachmittag von Walchwil dem See entlang nach Zug hinein dauerte keine fünfzehn Minuten. Er parkierte den Peugeot im Parkhaus Neustadtplatz und marschierte auf direktem Weg zur Polizeizentrale. Am Empfang verlangte er nach Sara Jung und blieb hartnäckig, bis der junge Polizist endlich nach ihr rufen liess. Während Tom auf sie wartete, musste er an den Fall im letzten Sommer zurückdenken, an die verschwundenen Blutdiamanten und die Höllgrotten. Klar, Sara hatte sich meist kalt, berechnend und emotionslos verhalten, mit wenig Feingefühl gegenüber ihren Mitmenschen. Tom wusste, dass sie kein schlechter Mensch war, nur eine Frau, die Gefühle nicht zulassen wollte. Nach dem Drama in den Höhlen, das fast tödlich geendet hatte, hatte sie ihm und Natalie beigestanden. Das rechnete er ihr hoch an. Auch wenn es ihr an menschlichen Qualitäten mangelte, sie war eine gute Polizistin mit dem richtigen Instinkt.

      «Hat das Fräulein Tochter gleich ihren Bluthund von der Leine gelassen?»

      Tom drehte sich zu der Stimme um. Sara stand hinter ihm, die Hände in die Hüften gestützt. Sie trug wie gewohnt schwarze Hosen und eine weisse Bluse. Er grinste breit. «Hallo, Sara.»

      «Oh, spar dir deinen falschen Charme. Was willst du? Ich habe zu tun, und über laufende Ermittlungen plaudere ich bestimmt nicht mit dir bei einem Kaffeekränzchen. Ausserdem ist Harri Kriegers Anwalt bereits bei ihm. Wir legen ihn nicht auf die Streckbank, die Zeiten sind vorbei, aber wir sind mitten im Verhör, und du kannst nicht zu ihm.»

      Tom trat vor sie. «Ich bin hier, um dir meine Hilfe anzubieten.»

      «Kein Interesse.»

      «Ich könnte nach dem entführten Hund suchen. Für den hast du bestimmt keine Ermittler zur Verfügung.»

      «Du hältst dich für besonders clever, was? Bolander ist an dem Hund dran.»

      «Und wo steht der auf dessen Prioritätenliste? Ganz unten? Komm schon, du weisst, dass ich gut bin. Ich habe als Sicherheitsmann auch eine Ausbildung als Hundeführer. Du kannst mich als externen Berater dazuziehen. Wir wissen beide, dass Harri niemals in sein ehemaliges Labor einbrechen würde. Das ist Blödsinn. Und ganz bestimmt ist er kein Mörder. Er kannte den Nachtwächter.»

      «Tom, ich kann dich nicht in den Fall mit einbeziehen. Du stehst der Familie Krieger zu nahe.»

      «Sara!» Ein uniformierter Kollege trat heran. «Frau Hansen ist hier.»

      «Gut. Sie muss sich gedulden. Sie soll im Wartezimmer Platz nehmen.» Sara drehte sich zu Tom um. «Ich muss weitermachen. Es …» Sie schaute ihn mit tiefgezogenen Augenbrauen an. «Es geht nicht, dass ich dich mit dem Fall vertraut mache. Aber ich werde dich später informieren, was mit Herrn Krieger geschieht. Warte hier.»

      «Ich soll warten?»

      «Ja. Setz dich.»

      Der Kollege führte eine junge Frau herein. Ihre Augen waren gerötet. Sara ging auf sie zu. «Frau Hansen, ich hoffe, Sie haben sich von dem ersten Schock erholt. Nochmals mein herzliches Beileid zu dem Verlust Ihres Arbeitskollegen. Wir werden alles daransetzen, um den Mörder von Herrn Ramirez zu finden.»

      «Danke.»

      «Und wir lassen nach seinem Hund suchen. Haben Sie Geduld. Wir werden Sie holen lassen, wenn wir für Ihre Zeugenaussage bereit sind. Einen Moment dauert es noch.»

      «Ist gut.»

      «Tom, wir gehen den Fall später gemeinsam durch. Ich verlasse mich auf dich.» Mit diesen Worten liess sie ihn stehen.

      Tom setzte sich ins Wartezimmer. «Hallo», sagte er zu der jungen Frau. «Ich hatte auch einen Hund, Marshall hiess er, ein Schäfermix. Toller Kerl, aber ist ständig ausgebüxt.»

      ***

      Harri Krieger war ein guter Mann. Sara war das bewusst. Es gab Momente, da hasste sie ihre Arbeit, und heute war einer dieser Tage, wo sich ihre Menschenkenntnis nicht mit den belastenden Beweisen vereinbaren liess. Sie war auf dem Weg zurück zum Einvernehmungsraum. Sie zweifelte bereits an ihrem mehr als spontanen Schachzug, Tom und Tamara Hansen zusammenzubringen. Lind würde das nicht gefallen. Egal, es ging ja nur um einen Hund.

      Sara ging erst in ihr Büro und holte zwei A4-Fotos, die auf ihrem Tisch lagen. Bisher hatten sie Harri Krieger nur mit dem Einbruch und Totschlag von letzter Nacht konfrontiert. Er leugnete konsequent, etwas damit zu tun zu haben. Sara wollte ihm gern glauben, gäbe es nicht diese beiden Bilder. Es wurde Zeit, Krieger damit aus der Reserve zu locken. Seine Ausrede musste oscarreif sein, wollte er sich davon distanzieren. Vor dem Einvernahmeraum hörte sie die Männer aufgebracht diskutieren. Ohne anzuklopfen, trat sie ein. «Und, bereits gestanden, Herr Krieger?»

      «Ich kann nichts gestehen, das ich nicht begangen habe», sagte Harri und starrte Sara direkt in die Augen.

      Sie setzte sich neben Bolander. «Ihr Badge und Ihr persönlicher Code wurden benutzt, um die Türen zu öffnen.»

      «Den Badge habe ich im Büro der Personalabteilung abgegeben.»

      «Es war aber niemand dort, der ihn entgegengenommen hat.»

      «Ich habe ihn auf den Tisch gelegt.» Harri wechselte einen Blick mit seinem Anwalt, der neben ihm sass und fleissig Notizen machte.

      «Ihren Badge hat niemand auf dem Tisch gefunden. Haben Sie ihn nicht zufällig doch mitgenommen?»

      «Nein.»

      «Wer war noch im Labor, als Sie es verliessen?»

      «Viele. Wir haben im Büro von Günter auf meinen letzten Arbeitstag angestossen. Fast alle waren dort. Auch Rosanna von der Personalabteilung. Ich sagte ihr, dass der Badge in ihrem Büro liegt.»

      «Ja, haben wir überprüft», sagte Bolander. «Sie weiss nichts von dem Badge.»

      «Dann lügt sie! Das –»

      Sara brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. «Neue Frage: Sie behaupten, Sie haben letzte Nacht zur Tatzeit in Ihrem Bett geschlafen, richtig? Allein. Es war ruhig in der Villa, und Ihnen ist nichts Verdächtiges aufgefallen?»

      «So ist es.»

      «Ihre Villa ist mit einer Alarmanlage gesichert?»

      «Ja.»

      Sie legte die beiden Fotos mit der Bildseite nach unten auf den Tisch. «Was würde geschehen, wenn ein Einbrecher ins Haus wollte?»

      Der Anwalt schaltete sich ein. Martin Fetsch war ein gut genährter Mittvierziger, eine ruhige Person, was Sara in diesem Fall begrüsste. «Weshalb ist diese Frage relevant? Es wurde nicht in die Villa der Kriegers eingebrochen.»

      «Hm.» Sara tippte auf die Bilder. «Sie ist äusserst relevant. Bitte beantworten Sie meine Frage, Herr Krieger.»

      «Das Eingangstor ist gesichert, ohne Code kommt niemand rein. Der Einbrecher müsste über den Zaun klettern, was kein grosses Problem sein dürfte. Das Grundstück ist mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Das Flutlicht geht an, wenn sich jemand draussen herumtreibt. Gleichzeitig schalten die Überwachungskameras ein. Die Türen am Haupteingang und auf der Terrasse sind ebenfalls gesichert. Die Fenster nicht. Er könnte eines einschlagen.»

      «Wir haben die Aufnahmen der Überwachungskameras durchgesehen. Um zehn nach neun hat Musa Achebe das Grundstück zu Fuss verlassen. Ein Freund hat ihn mit seinem Wagen abgeholt. Um zwei Uhr kam er zurück und ging direkt ins Pförtnerhaus. Dazwischen ist nichts. Alles dunkel.»

      «Bei uns wurde nicht eingebrochen», sagte Harri, die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben.

      «Wenn sich jemand mit Ihrem Alarmsystem auskennt, könnte er unbemerkt einbrechen, ohne von den Kameras erfasst zu werden?»