Wildspitz. Monika Mansour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Mansour
Издательство: Bookwire
Серия: Zuger-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416692
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ihr Hunde oder Katzen nicht erlaubt. Zu gefährlich für ein zartes Schmetterlingskind. Das war natürlich Bullshit, aber so war Harri. Natalie konzentrierte sich wieder auf das, was Tom ihr bisher erzählt hatte. «Diese Tierschützerin hat ein Motiv, aber weshalb Paps mit reinziehen? Wie könnte sie an seinen Badge und den Sicherheitscode gekommen sein? Und die Viren in unserem Haus? Die Sache stinkt zum Himmel.»

      «Waren Angestellte von Rivoli kürzlich bei euch zu Besuch?»

      «Letzten Monat. Fast die ganze Belegschaft war hier. Paps gab eine kleine Cocktailparty zu seinem Abschied.»

      «Könnte ihm jemand bei dem Anlass die Viren untergejubelt haben?»

      «Möglich. Sein Arbeitszimmer ist nie abgeschlossen.»

      «Ich brauche eine Liste von allen, die hier waren.»

      «Kriegst du.»

      «Hatte Harri Probleme mit jemandem von Rivoli?»

      «Er und Günter, der Direktor, waren keine besten Freunde, aber sie respektierten sich. Sonst wüsste ich niemanden, mit dem er nicht auskam.» Natalie fühlte, dass Tom sie anstarrte. «Was?»

      «Versprichst du mir etwas? Keine Recherchen auf eigene Faust. Keine gefährlichen Alleingänge. Und keine Lügen. Ich will nicht, dass sich das Drama vom letzten Sommer wiederholt.»

      «Da durfte ich die Heldin spielen.»

      «Du wirst immer meine Heldin bleiben.»

      «Tatsächlich?» Sie spielte mit ihrem silbernen Armband.

      «Du trägst es?»

      «Du hast es mir geschenkt.»

      «Ja, das habe ich.»

      «Tom?»

      «Hm?»

      Schweigen.

      Alexandra klopfte an die Glastür und trat ein. «Ihr habt Besuch. Die Frau Kripochefin wartet drinnen. Sie hat miese Laune.»

      Natalie würgte bei den Worten. Die Psychobitch konnte ihr gestohlen bleiben. «Schick sie weg, Alex.»

      Zu spät. Sara Jung stand bereits vor dem Papiliorama. «Keine Sorge, Frau Krieger, Sie will ich nicht behelligen. Aber Ihrem hinterhältigen Bodyguard werde ich die Leviten lesen. Tom, wir müssen reden. Unter vier Augen.»

      Natalie schaute ihn herausfordernd an. Er sollte es nicht wagen, sie aus dem Spiel zu nehmen.

      Tom stand auf. «Hat dich Linn De Luca mit ihren hypnotischen Augen überzeugt?»

      «Du hast dich als Journalist ausgegeben?»

      «Sie sollte mich unvoreingenommen kennenlernen. Ich dachte, mit einem Journalisten würde sie offener sprechen als mit einem Privatschnüffler. Wie hast du uns gefunden?»

      «Tamara Hansen hat mir von der Tierschützerin erzählt. Ich habe ihr Mobiltelefon orten lassen.» Sara nickte Natalie zu. «Du arbeitest wieder für das Fräulein Tochter, wie ich sehe?»

      «Behandeln Sie mich nicht wie ein dummes Kind. Ich will meinen Vater zurück. Sie können ihn nicht festhalten.»

      «Im Moment schon. Frau De Luca hat ein wasserfestes Alibi, das der Herr Journalist nicht überprüft hat. Sie war letzte Nacht bei ihrem Freund. Er gehört nicht der Tierschutzorganisation an und arbeitet für den Kanton Zug im Amt für Wald und Wild. Seine Aussage ist glaubwürdig.»

      «Mist!», sagte Tom. Die Enttäuschung war ihm anzusehen.

      «Andere Frage: Wo warst du letzte Nacht?» Sara verschränkte die Arme vor der Brust.

      Natalie schaute Tom überrascht an. «Weshalb will sie das wissen? Ist das relevant?»

      «Ja, ist es», antwortete Sara.

      «Ich war aus», sagte Tom. «In der Stadt.»

      «Welche Zeit?»

      «So ab neun. Zurück war ich gegen zwei.»

      «Mit wem warst du aus?», fragte Sara.

      Tom schaute Natalie an. «Mit Musa.»

      «Mit Musa?» Natalie holte tief Luft. «Seid ihr zwei jetzt beste Kumpel und feiert die Nächte durch? Mich hast du das letzte Mal nach Weihnachten besucht.»

      «Von dem kindischen Eifersuchtsdrama will ich nichts wissen», sagte Sara harsch. «Tom, ich brauche dein Alibi schriftlich auf Papier. Komm morgen bei uns vorbei.» Sara machte wortlos auf dem Absatz kehrt, und weg war sie.

      Alexandra schloss leise die Glastür zum Papiliorama und ging rasch zurück ins Haus.

      Innerlich kämpfte Natalie gegen die Tränen an. «Du holst Musa hier ab, gehst mit ihm aus und hältst es nicht für nötig, mir kurz Hallo zu sagen? Ich dachte, wir seien Freunde.»

      Tom trat einen Schritt zurück. Er ging auf Distanz. Wie hatte sie so blöd sein können, zu denken, er könnte etwas für sie empfinden?

      «Sorry», sagte er. Das war alles.

      «Geh einfach und lass mich in Ruhe.»

      «Natalie.»

      «Hau ab!»

      ***

      Ausgelaugt betrat Sara ihre kleine Wohnung. Dieser Fall ging ihr unter die Haut. Sie mochte Harri Krieger und traute ihm den Einbruch und Totschlag nicht zu. Es ergab keinen Sinn. Er wollte sein eigenes Labor eröffnen. Weshalb sollte er Rivoli zerstören und die Versuchstiere befreien? Wäre es möglich, dass er geheime Unterlagen mitgehen liess und mit der Aktion dies vertuschen wollte? Nein, so dreist konnte Harri nicht sein.

      Sara seufzte, als sie die Unordnung in der Küche sah. Im Kühlschrank herrschte Giftalarm und Gefahrenstufe fünf: Vergammeltes Gemüse, schimmliger Käse und pilzbefallene Nudeln rotteten vor sich hin. Rasch schloss Sara die Kühlschranktür. Sie griff zum Telefon und wählte die Nummer des Pizzakuriers. Ihr Lebensstil würde sie eines Tages umbringen. Doch Mörder hatten Vorrang vor der leidigen Hausarbeit. Es war Samstagabend, der letzte im August. Die Putzfrau würde erst am Mittwoch vorbeikommen. Sara ging in ihr Schlafzimmer und öffnete den Schrank. An den Kleiderbügeln hingen die weissen Blusen, auf dem Regal darüber lagen fein säuberlich gefaltet die schwarzen Hosen. Ihre Putzfrau holte die Wäsche jeden Mittwoch aus der Kleiderreinigung ab. Auf dem obersten Regal lagen einige T-Shirts und Trainingskleider. Sara zog sich aus und gönnte sich eine kühle Dusche. Das kalte Wasser tat gut. Sie war aufgewühlt. Sara hatte Tom lange nicht gesehen. Er sah gut aus, auch wenn sie seine Grübchen in den Wangen heute nicht zu sehen bekommen hatte. Sie musste wieder an das Essen bei ihm zu Hause mit seinem dementen Vater denken. Diese familiäre Atmosphäre hatte sie seither nicht mehr erlebt. Familie, das war für sie ein absolutes Fremdwort. Sara fasste sich an den Bauch. Ein eiskalter Schauer überkam sie, und sie stellte die Temperatur des Wassers auf heiss. Meine Güte, nahm das nie ein Ende?

      Nach der Dusche schlüpfte sie in Trainingshosen und T-Shirt. Es klingelte an der Tür. Der Pizzakurier brachte das Abendessen. Sie setzte sich mit der Pizza und einem Glas billigen Rotweins aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein. Ein amerikanischer Blockbuster flimmerte über den Bildschirm, doch Sara war mit den Gedanken weit weg.

      Ein leises Kratzen am Fenster ihrer Parterrewohnung holte sie in die Realität zurück. Draussen war es bereits dunkel. Der Herr Geheimrat war spät dran. Sie schaute auf die Uhr, es war kurz vor elf. So spät klopfte er sonst nie bei ihr an. Keine Ahnung, was der alte Kerl draussen auf der Strasse getrieben hatte. Junge Damen beglückt, vermutete Sara. Wenigstens er hatte Spass.

      Sie stand auf und schlurfte zum Fenster. Kaum öffnete sie es einen Spalt, sprang er in die Wohnung und rannte direkt in die Küche. Herr Geheimrat musste hungrig sein. Kein Wunder. Sie folgte ihm. Er wartete vor dem Kühlschrank und starrte sie an. Eine üble Kratzwunde zierte seine Nase. Einmal mehr hatte er sein Revier verteidigt. Er konnte es nicht lassen. Sara holte eine Dose Katzenfutter aus dem Schrank und füllte den Fressnapf des roten Katers. Er war ein beachtliches Tier, die grösste Katze im Quartier.