Wildspitz. Monika Mansour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Mansour
Издательство: Bookwire
Серия: Zuger-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416692
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eine neue, sondern für eine gute alte Freundin, die ich seit vielen Jahren kenne. Aber ich habe ihren Geburtstag vergessen, also hole ich das nach. Zufrieden?»

      «Wann triffst du sie?»

      «Keine Ahnung. Vielleicht schicke ich das Geschenk per Post zu ihr.»

      «Was ist drin?», fragte Alicia.

      «Eine Uhr.»

      «Und wie alt ist deine alte Freundin?», fragte Lucy.

      «Mitte zwanzig. Mehr verrate ich nicht.»

      «Pa, du bist viel zu alt für sie!», rief Alicia aus.

      «Hey, werd nicht frech! Ich bin erst neununddreissig.»

      Alicia grinste. «Chill your face, Pa. Wenn sie nett ist, darf sie ruhig jünger sein. Ist bei den Stars auch so. Bruce Willis hat eine Freundin, die ist vierundzwanzig Jahre jünger. Und Heidi Klum und Tom Kaulitz –»

      «Ich sage es ein letztes Mal. Wir sind nur Freunde und nicht zusammen. Schluss jetzt.»

      Lucy mischte sich ein und lehnte sich über den Tisch. «Ist das auch keine Ausrede, Dad? Wann hat Natalie Geburtstag?»

      Tom blickte demonstrativ auf seine Armbanduhr. «Wann holt euch eure Mutter ab?»

      «Du weichst der Frage aus.» Lucy genoss das Spiel.

      «Rösli!», rief sein Vater lautstark und liess vor Schreck alle am Tisch zusammenfahren. «Wo bleibst du mit dem Kaffee?»

      Tom seufzte. «Du darfst keinen Kaffee trinken, Paps. Der ist nicht gut für dein Herz. Deine Teetasse ist voll.»

      Sein Vater fuhr sich angewidert mit der Zunge über die trockenen Lippen. «Phä, Tee. Bittere Brühe. Wollt ihr mich vergiften?» Er starrte Tom an und verharrte einen Moment regungslos. «Wer sind Sie? Was machen Sie in meiner Wohnung?»

      Eine halbe Stunde später schlief sein Vater auf dem Sofa ein. Lucy und Alicia erledigten den Abwasch. Es kam viel zu selten vor, dass Tom mit seiner Familie am Tisch sass. Er schaute auf die Uhr. Bald Mittag. Karo würde jeden Moment Sturm läuten, um die Mädchen abzuholen, obwohl das Gericht ihm das ganze Wochenende zugesprochen hatte. Karo wollte natürlich ausgerechnet an seinem Wochenende mit den Töchtern auf die Geburtstagsfeier der Mutter ihres neuen Kerls. Der schleimige Anwalt wusste genau, wie er es anstellen konnte, Tom von seinen Töchtern zu trennen.

      Er wollte in die Küche gehen und den Mädchen helfen, als sein Handy klingelte. Tom zögerte, ehe er den Anruf entgegennahm. «Hallo, Natalie.»

      «Tom.»

      Schweigen.

      «Wie geht es dir?», fragte er vorsichtig.

      «Das ist eine Frage, die du mir nicht stellen solltest.»

      «Ich tu’s trotzdem.»

      «Scheisse.»

      «So schlimm?» Tom zog sich ins Schlafzimmer zurück und schloss die Tür. «Was ist los?»

      «Sara Jung …»

      «Was ist mit ihr?»

      «Sie hat meinen Paps mitgenommen. Einbruch, Diebstahl und Totschlag. Sieht nicht gut aus. Die Bullen stellen gerade unsere Villa auf den Kopf.»

      Eine Stunde später fuhr Tom in Walchwil vom See her die Strasse hoch zu der Villa der Kriegers. Sein roter Peugeot 106 röchelte bedenklich. Lange würde der Wagen nicht mehr durchhalten. Die Scheidung und der Streit um das Sorgerecht seiner Töchter hatten Toms letzte Reserven verzehrt. Vor dem schmiedeeisernen Einfahrtstor tippte er den Code in die Sicherheitsanlage. Es war die gleiche Zahlenkombination, die er vor gut einem Jahr eingerichtet hatte. Die Kriegers sollten vorsichtiger sein und den Code häufiger wechseln. Als er auf den Kiesplatz vor dem Haupteingang fuhr, versuchte Tom, den Neid zu unterdrücken, der schon bei seinem ersten Besuch an ihm genagt hatte: grandiose Aussicht auf den Zugersee, prachtvolle, zweistöckige Villa, hufeisenförmig angelegt und mit blühenden Blumenbeeten geschmückt. Nach hinten versetzt das Pförtnerhaus, wo Musa wohnte, auf der anderen Seite des grosszügigen Grundstücks die Garage mit den vier Wagen. Auch wenn Tom von seinem Standpunkt den Swimmingpool und das Papiliorama nicht sehen konnte, die auf der Seeseite der Villa lagen, so konnte er sich nur zu gut an die paar schönen Stunden erinnern, die er dort verbracht hatte. Tom hatte keinen Monat für Natalie als Personenschützer gearbeitet, aber irgendwie fühlte es sich an wie heimkommen. Er hatte die Kriegers seither nur einmal besucht, das war kurz nach Weihnachten gewesen.

      Bevor er klingeln konnte, riss Alexandra bereits die Tür auf. «Tom! Gut, dass du da bist.»

      «Hallo, Alex. Wie geht es ihr?»

      «Du kennst sie. Sie spielt die Starke, aber sie ist aufgewühlt.»

      Tom warf einen Blick ins Entrée. «Sind sie weg?»

      «Ja, sie haben einzig das Chaos hinterlassen. Sind vor einer Viertelstunde abgezogen.»

      «Musa?»

      «Ist oben bei Natalie. Er hat darauf bestanden, dass sie sich hinlegt. Sie hatte letzte Nacht eine ihrer geheimen Operationen und nicht geschlafen. Ich mache mir echt Sorgen um sie.»

      «Ist Rebecca nicht hier?»

      «Mit Imani bei ihren Eltern in Davos.»

      Tom setzte sich zuerst mit Alexandra in die Küche und liess sich von ihr über die Situation aufklären. Dass Harri so ein Ding abzog, konnte sich Tom unmöglich vorstellen. Was war nur in Sara gefahren, ihn zu verhaften, schliesslich kannte sie die Kriegers?

      Musa kam in die Küche. «Sie weiss, dass du hier bist. Besser, du gehst hoch, oder sie springt mir gleich wieder aus dem Bett. Beruhige sie, sing ihr ein Schlaflied vor, erzähl eine Geschichte, egal was, aber bring sie dazu, wenigstens ein paar Stunden zu schlafen.»

      «Ich bin nicht ihre Nanny», antwortete Tom, stand auf und klopfte Musa zur Begrüssung auf die Schulter. Sie waren mittlerweile dicke Kumpel geworden.

      «Du bist alles für sie», sagte Musa, «Nanny, Bodyguard, bester Freund, und ich vermute noch mehr. Natalie gefällt mir nicht. Sie muss besser auf sich achtgeben.»

      «Ist gut, ich rede ihr ins Gewissen.»

      Als Tom in Natalies Zimmer trat, fand er sie in Gedanken versunken am Fenster vor. Sie trug einen weichen Trainingsanzug in Rosa. Ein ungewohnter Anblick. Tom kannte sie fast nur in afrikanischen Gewändern. «Wow, mein Mädchen trägt eine schicke Kurzhaarfrisur.»

      Sie drehte sich um. Ihr besorgter Gesichtsausdruck wich einem ehrlichen Lächeln. «Echt? Mein Bodyguard ist zurück. Lange nicht gesehen.»

      Tom musterte sie einen Augenblick. Die Frisur stand ihr gut, im Gesicht konnte er keine Verletzungen erkennen, aber die dunklen Ringe um die Augen gefielen ihm nicht. Sie war dünner geworden, seit er sie vor bald acht Monaten das letzte Mal gesehen hatte. «Musa sagt, du gehörst ins Bett. Wir können uns unterhalten, während du in den Federn liegst.»

      «Aus deinem Mund klingt das echt unromantisch.»

      «Ist es nicht. Das ist ein Befehl. Du schläfst nicht, isst nicht und arbeitest zu viel.»

      «Deswegen habe ich dich nicht angerufen. Die Bullen haben Paps verhaftet.»

      «Alexandra hat mich aufgeklärt.» Tom hielt ihr die Decke auf, und sie kroch ins Bett. Behutsam deckte er sie zu. «Es muss ein Irrtum sein, der sich aufklären wird.»

      «Sie haben gefährliche Viren versteckt in Paps’ Arbeitszimmer gefunden.»

      Das war leider eine Tatsache. Tom setzte sich auf die Bettkante. «Was sagt Rebecca dazu?»

      «Ich habe nicht den Mut, sie anzurufen.»

      Tom nickte. «Ich übernehme das. Du schläfst dich aus, und ich fahre auf die Polizeizentrale und spreche mit Sara.»

      «Sie ist ein eiskaltes Biest. Ich hasse sie.»

      «Weiss