Wildspitz. Monika Mansour. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monika Mansour
Издательство: Bookwire
Серия: Zuger-Reihe
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960416692
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üblichen Tierschützer, Naturheiler und Fanatiker. Sie machen viel Lärm in den sozialen Netzwerken, aber hier? Das kann ich mir nicht vorstellen.»

      «Wie sieht es mit der Konkurrenz aus? Neider mit Zerstörungswut?»

      «Die Biotechnik ist ein hart umkämpftes Business. Wir fassen uns nicht mit Samthandschuhen an, aber Einbruch – nein, kann ich mir nicht vorstellen.»

      «Ich habe Frau Hansen herbestellt.»

      Zach runzelte irritiert die Stirn.

      «Tamara Hansen. Sie arbeitet hier ebenfalls als Nachtwächterin.»

      «Natürlich, Tamara. Wir nennen uns bei Rivoli alle beim Vornamen.»

      «Dr. Weisshaar meinte, Sie hätten Zugriff auf den Überwachungsraum, kennen sich aber mit der Technik nicht aus.»

      Zach nickte. «Ist nicht mein Spezialgebiet.»

      Lind schaute auf seine Notizen. «Ich bräuchte von Ihnen eine Liste aller Angestellten und aller Personen, die Zutritt zu dem Gebäude haben. Auch eine Liste aller ehemaligen Mitarbeiter.»

      «Die kann ich Ihnen gleich ausdrucken.» Zach fuhr seinen Computer hoch.

      Es klopfte an die Tür. Lüscher trat ein. «Frau Hansen wartet im Überwachungsraum.»

      Sara stand auf und folgte ihm aus dem Büro.

      «Sie ist aufgewühlt», sagte Lüscher. «Sie kannte Ramirez gut.»

      Lüscher ging zurück zur Leiche, und Sara marschierte rechts in den Überwachungsraum. Die Tür stand offen. Tamara Hansen weinte. Sie sass auf dem Stuhl vor den Monitoren und blickte mit geröteten Augen auf.

      Sara räusperte sich und trat vor die Frau. «Mein Beileid. Ich bin Sara Jung. Ich leite die polizeilichen Ermittlungen. Kannten Sie den Nachtwächter, ich meine, kannten Sie Pedro Ramirez gut?»

      «Er war ein Freund. Als ich mich bei Safetron bewarb, hat er sich für mich als Frau eingesetzt. Das ist kein einfacher Job. Nachts zu arbeiten isoliert einen von der Gesellschaft. Deshalb sind wir bei Safetron wie eine Familie – und Pedro war der Übervater.»

      Sara musterte die junge Frau, die sie um die dreissig schätzte. Tamara Hansen war nicht gross, aber sportlich. Sie trug Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das deutlich ihre muskulösen Oberarme in Szene setzte. Ihre platinblonden Haare waren kurz geschnitten. Make-up trug sie keines. Ihre fast weisse Haut war makellos, nur die Narbe über der Schläfe irritierte. «Erzählen Sie mir von Herrn Ramirez.»

      «Zweiundvierzig, geschieden, keine Kinder, ehemaliger Automechaniker. Seine Eltern stammen aus Mexiko. Seit über zehn Jahren ist er bei Safetron unter Vertrag, seit zwei Jahren teilen wir uns zusammen mit Jerry den Job hier. Mein Gott, ich muss Jerry anrufen. Er ist auf Mallorca in den Ferien.»

      «Das hat Zeit», versuchte Sara sie zu beruhigen. «Gibt es jemanden aus Ramirez’ Privatleben, den wir benachrichtigen sollten?»

      Tamara schüttelte den Kopf. «Mit seiner Ex hat er seit Jahren keinen Kontakt mehr. Safetron war seine Familie, und die wissen ja bereits Bescheid.»

      Sara legte ihre Hand auf Tamaras Arm. «Ich brauche Ihre Hilfe. Ich muss dringend wissen, mit welchem Badge die Sicherheitstüren oben bei den Labors geöffnet wurden. Dr. Weisshaar meinte, das würde hier aufgezeichnet.»

      «Richtig.» Tamara wischte sich die Wangen trocken und weckte den Computer zum Leben. «Die Auswertung dauert einen Moment, aber hier habe ich die Aufzeichnung der äusseren Videokamera, die sich nur einschaltet, wenn sich etwas bewegt. Wollen Sie das sehen?»

      «Unbedingt.»

      Tamara holte die Bilder auf den Monitor vor sich. Zwei Lichtkegel kündeten an, dass sich ein Wagen näherte. Kurz darauf war auf dem verlassenen Vorplatz beim Haupteingang ein dunkler Van zu sehen, der direkt vor der Flügeltür parkierte. Vier Personen sprangen aus dem Wagen, alle in Schwarz gekleidet, alle mit einer identischen Hundemaske über dem Kopf, eine billige Fasnachtsmaske. Jeder der vier trug zwei Taschen mit sich. Leere Taschen, wie es schien. Sara erkannte, wie einer der Täter einen Badge an die Flügeltür hielt und sich diese zu drehen begann. Die vier Einbrecher verschwanden aus dem Bild.

      «Wir müssen auf die Kamera über dem Empfang wechseln», sagte Tamara, zögerte aber. «Ich kann das nicht sehen.»

      «Laden Sie mir das Video auf den Monitor. Sie können rausgehen, bis es vorbei ist.»

      Tamara tippte einige Befehle in die Tastatur ein, stand rasch auf und rannte aus dem Überwachungsraum.

      Solche Bilder hatte Sara tausendmal in all den Krimis und Thrillern im Fernsehen gesehen, doch das hier war echt. Die Aufnahme war leicht stockend und nur in Schwarz-Weiss gefilmt, was die Szene dramatisch unterstrich. Sara beobachtete, wie die Flügeltüren sich drehten und die vier Täter das Gebäude betraten. Auf dem Monitor war die Zeit eingeblendet. Ein Uhr zweiunddreissig. Die Einbrecher blieben kurz stehen und sprachen sich ab. Plötzlich schnellte der Kopf eines der Täter herum. Coco rannte ins Bild. Er sprang den ersten Mann an, biss ihn in den Unterarm und warf ihn zu Boden. Zwei der anderen Täter erstarrten. Nicht so der Kleinste von ihnen. Den Bewegungen nach zu urteilen, vermutete Sara, dass es sich um eine Frau handeln musste. Sie griff sofort in ihre Tasche, holte einen Gegenstand hervor und rannte zu dem Deutschen Schäferhund, der auf dem Einbrecher lag und an dessen Unterarm riss. Sie rammte dem Hund eine Spritze in die Schulter. Der Hund schien den Stich nicht zu spüren, zu viel Adrenalin musste durch sein Blut jagen. Es dauerte nur Sekunden, bis er zu torkeln begann, dann kippte er zur Seite und blieb auf dem Boden liegen. Sara sah genauer hin. War er tot? Sie wusste es nicht. Der gebissene Einbrecher hielt sich den Unterarm. Er blutete. Es wurde heftig diskutiert, bis der Verletzte das Gebäude verliess. Die Frau kniete sich neben den Hund, strich ihm über das Fell und kontrollierte Augen und die Atmung. Das Tier lebte. Sie hatte es betäubt. Die beiden anderen, vermutlich zwei Männer, einer eher bullig, der andere sportlich, unterhielten sich. Sara stutzte. Der Hund war sofort zur Stelle gewesen. Aber wo blieb Ramirez? Die Antwort folgte wenige Sekunden später.

      Ramirez rannte ins Bild, mit seinem Hosenschlitz beschäftigt. Der Sportliche packte die Frau am Handgelenk und zog sie schützend hinter sich. Oh, ein Gentleman, dachte Sara. Es folgte eine kurze Diskussion. Ramirez hielt einen Schlagstock in der rechten und ein Handy in der linken Hand. Es schien, als wollte er den Notruf wählen. Sara wusste, dass nie ein Anruf eingegangen war. Ihr wurde auch klar, weshalb. Der Bullige stürmte los, rammte Ramirez gegen die Brust, warf ihn zu Boden, entriss ihm den Schlagstock, stellte sich über ihn und schlug erbarmungslos und ohne Vorwarnung zu.

      Sara schnappte nach Luft. Das war eiskalter, brutaler Mord ohne die kleinste Regung von Skrupel. Dieser Mann tötete nicht zum ersten Mal. Sie stoppte das Bild und studierte die Körperhaltung der Täter. Pure Wut und Dominanz zeigte der Mörder. Die Frau hielt sich die Hände vor den Mund – Überraschung? Mit solch einem Akt der Gewalt hatte sie nicht gerechnet. Der Gentleman zeigte kaum eine Reaktion. Mit seiner Maske auf dem Gesicht war es schwer zu urteilen, ob er in Schockstarre verfallen war oder ob ihn der Mord kaltliess. Ein Mensch, der keine Emotionen zeigte, war verdammt schwer einzuschätzen. Sie drückte auf Play. Der Mörder verstaute den Schlagstock in seiner Tasche und ging zurück zu den beiden anderen. Sie unterhielten sich kurz und heftig. Die Frau stürmte mit ihren Fäusten auf den Mörder los, trommelte ihm gegen die Brust. Der Gentleman zog sie zurück und hielt sie fest. Plötzlich lag sie in seinen Armen. Ein Liebespaar, dachte Sara. Der Mörder schaute sich kurz um und marschierte los zu der Treppe. Er hatte eine Mission, die er erledigt haben wollte. War er der Anführer der Gruppe und nicht die Frau, wie Sara zuerst vermutet hatte? Sie und ihr Freund folgten ihm. Im Bild waren nur der regungslose Ramirez und sein Hund Coco zu sehen. Es wurde kurz schwarz auf dem Monitor. Die Kamera arbeitete mit Bewegungsmeldern. Sie nahm nur auf, wenn sich in ihrem Blickfeld etwas bewegte. Sara schaute auf die eingeblendete Zeit: ein Uhr sechsunddreissig. Den Alarm hatten sie um ein Uhr dreiundvierzig ausgelöst, was vermuten liess, dass sie erst oben die Tiere befreiten. Die Kamera zeichnete die nächsten Bilder auf: ein Uhr neunundvierzig. Die drei Täter kamen die Treppe herunter und trugen gefüllte Taschen bei sich, Taschen, die sich bewegten. Die Versuchstiere! Beim Verlassen