GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.R. Shaw
Издательство: Bookwire
Серия: Survivor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354333
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leuchtete auf, als sie ihn entdeckte. »Hi, Daddy!«, rief sie Sam laut über den Fluss zu.

      »Hallo, mein Herz!«, rief Sam zurück. Wie er es schaffte, seinen Schmerz zu verbergen, blieb ihm in diesem Augenblick selbst ein Rätsel. Aber er war froh, dass er immer noch die Kraft hatte, sie vor dem Elend zu schützen, das er in sich spürte.

      »Sieh dir meine Haare an, Daddy«, sagte Addy und zog ihre Strickmütze vom Kopf. Sams erste Reaktion bei diesem Anblick war pures Entsetzen. Es musste ihm anzusehen gewesen sein, denn Clarisse drehte das Mädchen um, damit er den Hinterkopf sehen konnte.

      »Sie wollte meine Frisur nur ausprobieren!«, rief Clarisse. »Sie hat immer noch ihre schönen langen Haare, Sam.«

      »Es sieht fantastisch aus, mein Mädchen.«

      Er erinnerte sich an viele Abende, an denen er sein kleines Mädchen auf dem Schoß ihrer Mutter hatte sitzen sehen, die ihr die Haarbürste durch die Locken gezogen und dazu ein kleines Lied gesungen hatte. Er vermisste es, Addys Haare zu kämmen, wie er es nach dem Tod ihrer Mutter immer getan hatte. Sam erinnerte sich genau, wie gut sie gerochen hatte, mit rosigen Wangen frisch nach dem Bad und in einem sauberen Schlafanzug. Addy und ihre Mutter fehlten ihm sehr, und die immer präsente Erinnerung an beide hielt ihn in einem Zustand beständiger Qual. »Danke, Clarisse, dass du auf sie achtgibst«, sagte er.

      »Oh, kein Problem, Sam. Wir verstehen uns wunderbar.« Clarisse umarmte das Mädchen an ihrer Seite.

      »Ich habe dir eine neue Figur mitgebracht, Addy«, sagte er und warf den geschnitzten Wolf wie immer über den Stumpf einer Kiefer auf dem anderen Ufer.

      Clarisse holte eine Plastiktüte aus ihrer Tasche und gab sie Addy, die schon losrannte, um die Figur zu holen. Das Risiko, sich mit dem Virus von einem Gegenstand zu infizieren, den Sam lediglich in der Hand gehabt hatte, war gering, aber sie waren trotzdem auf der Hut.

      »Danke, Daddy! Er ist wunderschön«, sagte Addy und betrachtete den Wolf in der Plastiktüte genauer.

      »Gern geschehen«, sagte Sam. »Addy, ich gehe ein paar Tage auf die Jagd, aber ich komme bald wieder, okay?«

      »Okay, Daddy.« Sie runzelte die Stirn, als ihr ein Gedanke kam. »Aber du kommst auf jeden Fall zurück, richtig?«

      »Natürlich, Addy. Ich komme immer zu dir zurück. Ich werde dich nie verlassen, mein Herz.«

      »Daddy, ich vermisse dich«, sagte Addy laut genug, dass Sam die Enttäuschung in ihrer Stimme trotz der Entfernung hören konnte. Es klang eher wie eine verwirrte Frage als eine Aussage. Sie hatte noch nicht verstanden, unter welchen Gegebenheiten sie jetzt lebten. Wie konnte sie auch, wenn selbst er wie in einem Zwischenleben gefangen war und ständig im Stillen auf irgendein Heilmittel hoffte?

      »Ich vermisse dich auch, mein Schatz.« Sams Stimme brach. »Ich bin nicht länger als drei Tage weg. Male mir ein paar Bilder, okay?«

      »Okay, das mache ich. Ich liebe dich, Daddy. Sei vorsichtig auf der Jagd«, sagte Addy und winkte mit ihrer kleinen linken Hand, während sie die geliebte Holzschnitzerei mit der rechten an ihre Brust gedrückt hielt. Sie warf ihm einen Kuss über den Abgrund hinweg zu, der zwischen ihnen lag, und Sam fing ihn auf und schickte seinerseits einen Kuss zurück. Es machte ihm ganz und gar nichts aus, ob ihr Ritual auf Clarisse albern wirkte oder nicht.

      »Mach’s gut, Clarisse«, sagte Sam, und er vermutete, dass sie ihrer Stimme nicht traute und sich deshalb ohne Worte verabschiedete. Sie winkte Sam einfach zu, und er sah ihnen nach, bis sie zurück im Wald und außer Sichtweite waren.

      Sam zitterte vor Kummer und Schmerz. »Verdammt«, sagte er leise, während er mit beiden Händen seine Knie umfasste und sich nach vorn beugte, den Blick auf den kalten, verschneiten Boden gerichtet.

      Verzweiflung durchdrang seine Seele mit einer solch unaufhörlichen Qual, wie er sich die Schmerzen bei einer Kreuzigung vorstellte. Jeden Morgen erwachte er und trat den Tag an im vollen Wissen, wo er sich befand und weshalb er seine geliebte Tochter zurückgelassen hatte. Und am Abend nahm er denselben Schmerz mit sich in den Schlaf. Manchmal hielten ihn seine Treffen mit Addy hinreichend am Leben, aber manche Begegnungen, wie diese, ließen ihn wie einen Gefangenen zurück, machtlos und außerstande, sich und seine Tochter vor dem Wahnsinn zu schützen.

      »Ich werde dich nie verlassen«, flüsterte Sam und erneuerte den Schwur. Er nahm sich Zeit, um zu Grahams Camp zurückzukehren.

      Kapitel 4

       Einfach Addy

      Clarisse hielt Addys Hand, als sie zurück ins Lager gingen. »Wie wäre es, wenn du und ich zum Abendbrot gehen, bevor die anderen das Barbecue-Hühnchen alleine aufgefuttert haben?«, schlug Clarisse vor, um Addys mürrisches Schweigen zu brechen. Die meisten mochten das pflanzliche Protein mit Hühnergeschmack, und es war normalerweise schnell alle. Das Mädchen hatte auf ihrem Rückweg kein Wort gesagt, und Clarisse spürte, wie ihre Gedanken auf der Suche nach einer Lösung um das Problem kreisten. Sie gehörte zu den Kindern, die nichts einfach hinnahmen, und Clarisse mochte das. Aber zu viele Überlegungen oder gar riskante Pläne konnten sie in Schwierigkeiten bringen. Wenn Addy einen Weg suchte, um mit ihrem Vater zusammen zu sein, würde Clarisse sie von diesem Weg ablenken müssen, damit sie in Sicherheit blieb. Addy suchte nach einer Lösung, anstatt über Hühnchenersatz nachzudenken.

      »Clarisse, Dad ist doch deswegen nicht bei mir, damit ich das Virus nicht bekomme. Aber kannst du nicht einen Weg finden, dass ich es habe und zu ihm gehen kann? Ich glaube, er ist sehr allein.« Kindliche, aber ernsthafte Sorge zeichneten kleine Linien auf ihre Stirn.

      Clarisse hockte sich auf dem verschneiten Pfad auf Augenhöhe zu dem Mädchen hinunter. »Mein Liebes, ich arbeite jede freie Minute an einer Lösung.« Sie steckte ihr eine eigenwillige Locke zurück hinter das Ohr. »Nichts würde mich glücklicher machen, als dich und deinen Vater wieder zusammen zu sehen, aber ich kann dich nicht mit dem Virus anstecken. Verstehst du, dass du ziemlich sicher stirbst, wenn du es bekommst?«

      »Dad ist nicht gestorben. Er ist wieder gesund geworden.«

      »Für die meisten Menschen gilt das nicht. Und wenn ich zulasse, dass du stirbst, wäre dein Dad sehr, sehr unglücklich. Ich weiß, dass er jetzt unglücklich ist, und du bist es auch, aber ihr seid beide am Leben und könnt euch sehen, miteinander reden. Ihr dürfte euch nur nicht berühren, weil es für dich gefährlich ist. Ich verspreche dir, dass ich alles gebe, einen Impfstoff zu finden. Aber ich weiß nicht, ob es überhaupt möglich ist. Bitte, du musst verstehen, dass ich alles tue, was ich kann. Aber ich möchte nicht, dass du dir zu große Hoffnungen machst.« Sie umarmte das Mädchen, sowohl um Addy zu trösten, als auch um ihre eigene Traurigkeit zu verbergen.

      »Und nun komm, lass uns essen gehen. Du kannst Dalton dein neues Tier zeigen!«

      ***

      Die Wache ließ surrend das Schloss am Eingangstor aufschnappen und Clarisse und Addy gingen in das Herz ihres Lagers, zum Speisezelt. Es war ein Ort der Gemeinschaft, an dem sich die Prepper am Ende des Tages trafen, Zeit miteinander verbrachten und Neuigkeiten austauschten. Dalton wartete mit offenen Armen, um das Mädchen zu begrüßen. Addy rannte nicht in seine Umarmung wie bei ihrem Vater, aber sie lehnte sich lange an ihn. Die Linien auf ihrer Stirn blieben.

      Dalton spürte die Melancholie in Clarisse und Addy sofort. Er warf Clarisse einen fragenden Blick zu. Sie lächelte traurig und zuckte mit den Schultern, als wollte sie sagen: Was, als ein trauriges kleines Mädchen, sollen wir in dieser Situation sonst erwarten?

      »Hey, Addy, was hat dir dein Dad diesmal geschnitzt?«, fragte Dalton. Addy hielt den Beutel hoch und zeigte den Wolf. Als ihre traurigen braunen Augen seinen Blick trafen, sagte er: »Wow, ich bin beeindruckt, wie der flauschige Schwanz aus dem Holz gearbeitet ist. Das Schnitzen gelingt ihm immer besser. Willst du es den Jungs zeigen?«

      Sie schüttelte den Kopf und zog den Beutel näher an ihre Brust. Ihre Reaktion und der Grund dafür sorgten für einen harten Kloß in Daltons Hals. Er war sich ziemlich sicher, woran