GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.R. Shaw
Издательство: Bookwire
Серия: Survivor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354333
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den alten Mann.

      »Schon gut. Ihr beiden müsst endlich aufhören, so einen Aufriss um mich zu machen«, sagte Ennis.

      »Wir machen keinen Aufriss. Wir versuchen nur, uns anständig um dich zu kümmern. Du würdest das gleiche für uns tun«, sagte Graham.

      »Nein, würde ich auf keinen Fall! Ihr macht viel zu viel Ärger, als dass man sich um euch auch noch kümmern sollte«, sagte Ennis neckisch. Er war selbst amüsiert über seine Antwort und lachte laut auf.

      Tala lächelte Graham zu und flüsterte: »Wenigstens reißt er immer noch Witze.« Als der alte Mann sie für einen kurzen Moment nicht ansah, schüttelte Graham den Kopf.

      »Dein Kaffee kommt in einer Minute«, sagte Tala und hob ihre Stimme ein wenig, damit er sie hören konnte. Sie gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Um Ennis' Würde zu wahren, gab Graham ihr zu verstehen, sie eine Weile allein zu lassen. Er wollte von Mann zu Mann mit ihm reden.

      »Ich könnte jetzt ein Stück Bananenkuchen vertragen«, rief Ennis ihr nach. »Bananenkuchen fehlt mir sehr.« Er hielt seine beiden knorrigen alten Hände vor sich, die zitterten, als er damit ein Rechteck formte.

      »Leider werden wir für sehr lange Zeit keine Bananen mehr zu Gesicht bekommen«, sagte Graham. Er befühlte die Stirn des alten Mannes. »Ganz im Ernst, Ennis, du hast Fieber. Und ich denke auch, dass du Schmerzen hast und es nur nicht zeigen willst. Du trinkst auch nichts. Hast du eine Blasenentzündung?«

      Der alte Mann schnaubte und sah nach unten. »Wehe, ihr verschwendet Medikamente an mich. Ich bin längst auf dem letzten Weg nach Hause, Graham. Die Kinder und Tala, sie werden die Medikamente später viel dringender brauchen. Es werden keine mehr hergestellt, das hast du sicher schon mitbekommen?«

      Das Geständnis schockierte und verärgerte Graham. »Wie lange geht das schon, Ennis? Verdammt, wir können jederzeit mehr Medikamente besorgen. Ja, sie werden nicht mehr hergestellt, aber es gibt sicher noch einige Vorräte in der Nähe. Du kannst dich nicht so für uns opfern. Herrgott noch mal, Ennis.« Er streckte wieder die Hand nach dem Gesicht des alten Mannes aus, aber Ennis versuchte, sie beiseite zu schlagen. »Nein, Ennis, lass das, Mann. Gehst du überhaupt noch auf den Topf? Du weißt, was ich meine.« Er versuchte zu flüstern.

      »Nein, kaum. Es schmerzt höllisch«, gab der Alte zu.

      »Verdammt, dass muss doch nicht sein! Tala, bring ihm etwas Wasser und das Antibiotikum«, rief er laut und ignorierte Ennis' Proteste, als er aufstand und Tala das Gewünschte abnahm. »Lass ihm bitte Zeit und bleib ruhig, sonst schaltet er komplett auf stur. Wir haben keine Schmerzmittel, und die Antibiotika brauchen ein paar Tage, um zu wirken«, sagte sie leise.

      »In dem alten Haus in Cascade, in dem vor dem Ende der Welt ein fast genauso alter Arzt gelebt hat, finden wir bestimmt auch Schmerzmittel«, sagte Graham und reichte dem starrsinnigen alten Mann die beiden Tabletten zusammen mit dem Wasser. »Nimm die und trink einen großen Schluck«, befahl er. Dann erinnerte er sich an Talas Worte. »Bitte.«

      Ennis nahm die Medizin, sah zu Graham hoch und sagte stur: »Du bist nicht mein Boss.« Er schüttelte den Kopf, aber schluckte die Tabletten trotzdem. Während er trank, sagte Graham: »Ich bin jetzt dein Boss, und das ist auch gut so. Wir tauschen später, und dann bist du mein Boss.«

      Graham drehte sich um, als Macy mit kalten, rosigen Wangen hereinkam. »Tala, ich bin bereit. Ich funke die Prepper an. Soll ich irgendwelche Neuigkeiten übermitteln?«

      »Ja, sag ihnen, Sam, Mark und Marcy gehen am Morgen auf unsere letzte Hirschjagd in dieser Saison«, sagte Tala. Graham war dankbar, dass sie Ennis' Zustand nicht erwähnte. Am besten, sie behielten es vorerst für sich.

      »In Ordnung«, sagte Macy und verdrehte die Augen. »Ich freue mich schon jetzt, dass sie für ein paar Tage nicht hier herumlungert.« Sie ging in den Schlafraum und setzte sich an den Tisch, auf dem das Funkgerät mit der Verbindung zum Lager der Prepper stand. Die tägliche Kommunikation wurde gerade zu einer ihrer Routineaufgaben. Jeden Morgen kontaktierten sich beide Gruppen, berichteten sich gegenseitig die Lage und tauschten Neuigkeiten aus.

      Macy drückte auf den Knopf des Mikrofons. »Hi, Rick, Macy hier«, sagte sie.

      »Nein, nein, nein, du machst das völlig falsch«, antwortete Rick.

      »Warum muss ich mich unbedingt mit Twin Two melden? Du benutzt nie ein Rufzeichen«, beschwerte sich Macy mit Nachdruck.

      »Rick ist mein Rufzeichen. Ich erfinde die Regeln nicht, ich sorge nur dafür, dass sie eingehalten werden«, zog er sie mit dem alten Klischee auf.

      »Schön. Hier Twin Two«, sagte Macy mit so viel Sarkasmus in der Stimme, wie sie hineinlegen konnte.

      »Viel besser«, sagte Rick. »Was hast du heute Morgen Neues für uns?«

      »Alles ist gut. Sam, Mark und Marcy gehen für drei Tage auf die Hirschjagd. Morgen früh fahren sie los«, sagte sie.

      »Okay. Klingt nach einem Plan. Wir halten uns ab 0800 vom Nordausgang fern. Hier ist alles ruhig, bis auf das Banjo-Turnier, das wir veranstalten. Außerdem haben wir entdeckt, dass es den Bigfoot wirklich gibt, und wir machen eine Pizza-Party. Entschuldigung, aber ihr seid nicht eingeladen«, sagte er frotzelnd.

      Macy biss nicht an. Stattdessen schaffte sie es, ihre Stimme komplett ausdruckslos zu halten. »Ich werde die guten Nachrichten weiterleiten. Macht euch einen spektakulären Tag, Rick. Twin Two out«, sagte sie und wartete Ricks Bye-bye kaum ab, bevor sie auflegte.

      Macy fand den Umgang mit Rick oft anstrengend. Warum sie immer noch an einem toten Verfahren festhalten sollten, verstand sie nicht. Sie mochte diesen Begriff, totes Verfahren, und sie benutzte ihn gern, wenn es um die Themen Schule, Politik und Zahnspangen ging. Bei gerade einmal zwei Prozent der Bevölkerung, die noch am Leben waren, lag die Wahrscheinlichkeit bei nahezu null, dass sich jemand in ihren Funkverkehr hineinschaltete. Nichtsdestotrotz gefiel es ihr, eine Aufgabe im Camp zu haben, die wichtig war, und sie hatte sich freiwillig dafür gemeldet. Nachdem das Funkgespräch beendet war, schrieb sie in ihr Logbuch die Zeit und die ausgetauschten Informationen. Das Wortgeplänkel ließ sie weg. Dann ging sie zurück in die Küche, um nach Tala zu sehen.

      »Ich übernehme jetzt meine Wachschicht«, sagte Macy, als sie die Küche durchquerte. Sie sah, dass Tala sich mit geschlossenen Augen über die Spüle lehnte und tief atmete. »Geht es dir gut?«, fragte Macy alarmiert.

      Tala legte ihr schnell eine Hand auf den Rücken, um Macy aus der Küche zu schieben. »Es geht mir gut. Ich glaube, ich habe nicht genug geschlafen, das ist alles.«

      »Ja, ich habe dich heute schon sehr früh gehört. Hast du vielleicht was gegessen, das seine besten Zeiten schon hinter sich hatte?«

      »Nein, ich glaube nicht. Mir geht es gut, kümmere dich ruhig um deinen Wachdienst.«

      »Okay«, murmelte Macy, machte sich aber immer noch Sorgen. So schwach auf den Beinen hatte sie Tala noch nicht erlebt. Die Krankheit eines jeden von ihnen betraf sie alle. Nach der Pandemie fürchteten sie jede Erkrankung, ob es nun rational war oder nicht. Für den Moment beließ es Macy dabei und ging ihres Weges, aber sie schwor sich, Tala im Auge zu behalten.

      Auf dem Weg nach draußen machte Macy Station bei Ennis. Er blickte zu ihr auf, und als sie ihn anlächelte, streckte er die Hand aus und tätschelte ihren Arm, als wollte er sich vergewissern, dass sie tatsächlich existierte. Nach der Anstrengung blieb ihm keine Kraft mehr für Worte. Geistesabwesend wandte er sich wieder der Glut des Ofens zu. Macy zog seine Decke zurecht und nahm ihren Mantel, den Sam mit Wolfsfell gefüttert hatte, damit er sie in diesem langen, kalten Winter warm hielt. Sie steckte ihre Pistole in das Holster und hängte sich ihren Bogen und den Köcher um.

      Sie küsste ihn auf die Wange. »Mach's gut, alter Herr.«

      Ennis blickte noch einmal nach oben in ihre blauen Augen. »Jawohl. Sei vorsichtig, junges Mädchen. Halte deine Ohren offen, deinen Blick ruhig und vertraue deinen Instinkten. Vertraue immer deinen Instinkten da draußen. Sie werden dein Leben retten.«

      »Das