GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.R. Shaw
Издательство: Bookwire
Серия: Survivor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354333
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auf dich aufpassen. Ich besuche dich jeden Tag, Liebes.« Er zog sie fester an sich. Er versuchte sein Bestes, um den Schmerz und den Groll aus seiner Stimme zu nehmen.

      »Clarisse ist auch einsam. Ich mag sie«, flüsterte Addy.

      »Ich auch«, sagte Dalton. Seine Stiefel knirschten auf dem schneebedeckten Kiesweg. Dann zeigte Addy mit einem kleinen Finger nach oben. Rauschende Flügelschläge erklangen über ihnen in der sonst fast vollkommenen Stille. Dalton blieb stehen. Beide sahen nach oben in den grauen Morgenhimmel und sahen den Gänsen nach, die in V-Formation in Richtung des Sees flogen und dort langsam heruntergingen. Dalton vermutete, dass sie sich in der Nähe von Grahams Camp sammelten.

      Dalton lächelte Addy an und sie lächelte zurück. Nach dem leuchtenden Vollmond in der Nacht war der Überflug der Gänse das zweite besondere Ereignis, das sie teilten. Sie erreichten die Quarantänestation in einer glücklicheren Stimmung als die, in der sie aufgebrochen waren. Der Anblick von Lebewesen, die trotz der Katastrophe, welche über die Welt – oder besser über die Menschen – gekommen war, den Himmel durchzogen wie eh und je, hatte ihnen gutgetan.

      Dalton, der das Mädchen nach wie vor in seinen Armen trug, nickte der Wache zu, die ihn hereinließ.

      »Sie ist im Labor.«

      »Danke.«

      Clarisse sah auf, als er den Raum betrat. Ihre Blicke trafen sich, noch bevor sie das Mädchen ansah. »Hi«, sagte sie und lächelte um Addys willen. »Ihr zwei seid heute aber zeitig unterwegs. Kommt rein. Addy, ich bin so froh, dass du hier bist«, fügte sie hinzu und zerstreute augenblicklich jeden Zweifel, den Dalton noch gehegt haben mochte. »Ich habe gehört, du wirst meine neue Laborassistentin.«

      Er setzte das Mädchen ab. Die Decke fiel herunter und legte sich auf ihre nackten Füße. Sie trug noch ihr Flanell-Nachthemd, das bis auf den Boden reichte. Ihr braunes Haar stand wild und ungekämmt von Kopf ab. Addy umarmte Clarisse an der Taille.

      Dalton beobachtete, wie Clarisse dieses kostbare Mädchen annahm. Clarisse umarmte sie ebenfalls und strich ihr über die verworrenen Locken. Sie sah kurz zu Dalton, und er verstand die stumme Botschaft, die sie ihm sandte. Sie wusste, dass Dalton sich wünschte, ja es sogar brauchte, dass sie das Mädchen nicht nur zu sich nahm, sondern es liebte. Aber das tat sie ohne Frage und ohne, dass es seines Wunsches bedurfte. Für Clarisse war Addy ein Geschenk, das niemals infrage stand.

      Sie kniete sich zu Addy hinunter und lächelte strahlend. »Lass mich dich frischmachen, und dann frühstücken wir.«

      »Müssen wir zum Essen zurück ins Lager?«, fragte Addy.

      »Nein. Ich habe genug Snacks hier«, antwortete Clarisse.

      Clarisse liebte sie schon jetzt.

      Sie nahm Addys Rucksack. Dalton hatte gar nicht mehr wahrgenommen, dass er auch den Rucksack die ganze Zeit getragen hatte, seit sie von seinem Zelt losgegangen waren. Die Last auf seinem Gewissen war die entscheidendere gewesen. Und jetzt, wo er sah, wie herzlich Addy und Clarisse miteinander umgingen, wurde diese Last leichter.

      »Danke, Dalton, dass du Addy zu mir gebracht hast«, sagte Clarisse.

      Er wusste, dass sie es ernst meinte, und er war sicher, dass sie das Kind als Geschenk und nicht als Belastung empfand.

      Dalton schluckte und bückte sich, um sich von Addy zu verabschieden. Er hielt ihre weichen Hände und sie lehnte sich an ihn. »Ich besuche dich heute beim Abendessen, Miss Addy.«

      Sie küsste ihn sacht auf seine raue Wange, wie ein süßer kleiner Hauch. »Danke, dass du mich zu Clarisse gebracht hast, Dalton.« Er küsste sie auf die Stirn und stand auf. Addy legte ihre Hand in die von Clarisse und beide winkten ihm zum Abschied.

      Als Dalton den Flur entlangging, zerriss es ihm das Herz, aber er wusste, dass Addy jetzt an dem Ort und bei dem Menschen war, wo sie in der gegenwärtigen Lage am ehesten hingehörte. Als er wieder im Lager war, ließ er Kim wissen, dass er es um des Mädchens willen getan hatte, nicht ihretwegen.

      Schon seit einiger Zeit hatte Dalton sich Clarisse gegenüber immer wieder besorgt darüber gezeigt, dass sie die Nächte allein in der Quarantänestation verbrachte, statt mit allen anderen im Lager. Ihr neues Arrangement schlug jedoch zwei Fliegen mit einer Klappe: Clarisse und Addy würden jeden Abend zurückkommen, sodass sie sich in der sicheren Umgebung von Clarisses Schlafzelt und innerhalb der Grenzen des Lagers befanden. Das Mädchen durfte sich geliebt fühlen, und sowohl sie als auch Clarisse waren nachts in Sicherheit. Dalton schämte sich dennoch und hatte das Gefühl, das Kind betrogen zu haben. Aber er wusste, dass er Addy jeden Tag besuchen konnte.

      ***

      Als Clarisse am Abend im Speisezelt an ihm vorbeiging, brachte die Begegnung Dalton zurück in die Gegenwart. Er lächelte sie an; ein Lächeln, das sie erwiderte. Er war froh, dass er zwei Menschen glücklich gemacht hatte. Nun, genau genommen drei, wenn er seine Frau mit einschloss, obwohl diese Tatsache nur ein Nebenprodukt war.

      Clarisse brachte Addy das Tablett mit ihrem Abendessen. Während die meisten sich für den Barbecue-Hühnchenersatz auf Reis entschieden, hatte Clarisse für Addy puren Reis mit etwas Margarine und ein wenig Salz und Pfeffer mitgebracht, da sie wusste, dass das Mädchen die kräftig gewürzte Barbecue-Sauce nicht mochte. Dazu gab es einen Löffel Mischgemüse, das sie getrocknet eingelagert und mit Wasser und Gewürzen wieder aufgekocht hatten. Eine Scheibe hausgemachtes Brot und einige Spalten Mandarinen aus der Dose rundeten die Mahlzeit ab.

      Um die Anspannung ein wenig abzubauen, bemühte sich Clarisse beim Abendessen, mit Kim ins Gespräch zu kommen. Sie wollte gern daran glauben, dass sich Kim von all ihren vielen Aufgaben im Lager überfordert gefühlt und in Addys bestem Interesse gehandelt hatte. Obwohl sie wusste, dass Dalton sie am liebsten bei sich behalten hätte und sie sozusagen nur zweite Wahl war, beschwerte sie sich nicht. Addy machte ihr Leben komplett. Zumindest beinahe.

      Als sie mit ihrem Tablett zurückkam, machte Clarisse Kim ein Kompliment für ihre Kochkünste. »Ich weiß nicht, wie du das machst. Du schaffst es, jeden Abend etwas anderes zu kochen und jedem etwas Schmackhaftes zu bieten, worauf er sich freuen kann.« Obwohl es sie Mühe kostete und ihr Lächeln womöglich etwas gezwungen wirkte, hoffte sie, dass Kim ihr das Lob abnahm. In Wahrheit interessierte sich Clarisse nicht besonders für diese Frau. Sie hatte das Gefühl, dass Kim nicht einmal ihren Ehemann zu schätzen wusste und sich als Mutter des Lagers aufspielte, aber sie behielt ihre leichte Verachtung für sich.

      »Nun, wir alle haben unsere Aufgaben. Ich bin einfach dankbar, dass ich bis auf ein paar Ausnahmen allen ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann«, sagte Kim in ihrem Singsang mit einem kleinen Seitenhieb auf Addy. Dann, als ob sie sich an eine Frage für Clarisse erinnerte – vielleicht wollte sie auch nur um Daltons willen mit ihr mehr als die üblichen Floskeln austauschen – sagte sie: »Clarisse? Tammy und ich haben heute im Gewächshaus gearbeitet, und da ist eine Frage zur Kreuzbestäubung aufgekommen. Tammy sagt, dass man Kürbisse nicht neben artverwandten Pflanzen anbauen soll, aber ich erinnere mich daran, dass ich sie schon einmal problemlos neben Zucchini gepflanzt habe. Weißt du, was genau sie meint?«

      »Die Sache ist nicht ganz einfach«, antwortete Clarisse. »Kürbisse können sich mit verwandten Pflanzen kreuzen und dann kommen manchmal merkwürdige Ergebnisse dabei heraus. Das sieht man nicht gleich bei der nächsten Ernte, da bekommt man noch, was man gepflanzt hat. Aber die Samen in den Früchten, die sind betroffen. Wenn man sie im nächsten Jahr aussät, sieht man das Ergebnis der Kreuzung an den Früchten. Manchmal sehen sie ziemlich komisch aus, manchmal exotisch, aber oft sind sie ungenießbar. Wenn es also darum geht, das Saatgut für die nächsten Jahre zu bewahren, was natürlich unter unseren Umständen das oberste Ziel ist, müssen wir die Pflanzen getrennt halten, damit sie sich nicht gegenseitig bestäuben können.«

      »Okay, wir fangen jetzt damit an, ein paar Setzlinge zu ziehen. Parallel planen wir die Gartengestaltung.«

      »Das klingt prima. Wir freuen uns alle unheimlich auf frisches Gemüse. Sag Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht. Ich bin mir sicher, dass Addy gern im Gewächshaus mithelfen würde«, fügte Clarisse hinzu – und bereute ihre Worte