GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.R. Shaw
Издательство: Bookwire
Серия: Survivor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354333
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      ***

      Macy musste blinzeln, damit sich ihre Augen an das grelle Morgenlicht gewöhnten, das vom Schnee reflektiert wurde. Der schnelle Rhythmus von Bangs kleiner Schaufel, mit der er sich einen Weg zum Hühnerstall bahnte, begrüßte sie, als sie auf der Veranda ihre Handschuhe anzog. Graham werkelte unter der Haube ihres treuen 1975er International Harvester Scout (»Am Ende der Woche bis ans Ende der Welt«) im zeitgenössischen Beige und füllte verschiedene Flüssigkeiten nach. Im Gegensatz zu ihrem zweiten Auto, einem Pick-up mit offener Ladefläche, bot der Scout eine geschlossene Bauweise – gerade im Winter ein unschätzbarer Vorteil. »Wir sind dran, Bang«, rief sie. »Wachdienst!«

      »Hast du mit drüben telefoniert?«, fragte Graham.

      »Ja, Graham. Es ist alles gut.«

      »Hat er wieder mit den Kameras angefangen?«

      »Nein, ich glaube, das hat er aufgegeben.«

      »Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen habe, hat er das Thema nochmal aufgebracht und sich über diese Ungerechtigkeit beklagt. Ich habe ihm gesagt, wenn noch jemand auf der Welt übrig ist, der wahre Ungerechtigkeit erfahren hat, dann ist es Sam. Rick fehlen nicht oft die Worte«, kicherte Graham und ließ die Motorhaube mit einem Scheppern herunterfallen.

      »Wie schade. Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie uns so lange ausspioniert haben.«

      »Nun ja, es hat sich am Ende als eine gute Sache herausgestellt, wenn man bedenkt, was passiert ist.«

      »Er besteht immer noch darauf, dass ich mich mit Twin Two melde«, sagte Macy trocken.

      Graham lachte laut auf, während Bang zu Macy rannte, bereit, seine Pflicht zu erfüllen.

      »Legen sie schon Eier?«, fragte sie.

      »Nein, noch nicht. Ich denke, es ist ihnen immer noch zu kalt.«

      Macy gab ihm einen der Handwärmer, die Tala genäht und mit Reis gefüllt hatte und die sie gleich zusammen mit dem Frühstück im Ofen erwärmte. Sie legte sie morgens bei der Tür bereit, damit die Hände derjenigen, die einen langen Wachdienst vor sich hatten, zumindest eine Zeit lang warm blieben. Macy steckte einen weiteren Handwärmer in Bangs Tasche und half ihm, seine Jacke zuzumachen.

      »Heute bin ich am See dran«, sagte sie lächelnd.

      »Ich weiß. Bis nachher«, sagte Bang und hüpfte mit Sheriff im Schlepptau die Einfahrt hinauf. Die Seeseite bot dank der Wildtiere mehr Abwechslung als der Wachdienst an der Einfahrt, die zur Straße hinaufführte.

      Macy winkte Graham zu, der zurückwinkte, während sie den Schotterweg zum See hinunterging. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln. Sie kniff die Augen vor der überwältigenden Helligkeit des grellweißen Sonnenlichts zusammen, das von dem weißen Schnee auf der Lichtung reflektiert wurde. Auf dem Weg zum See und im Schatten der Bäume wurde es deutlich kälter. Rick hatte jetzt eine der Überwachungskameras auf sie gerichtet, obwohl sie vergessen hatte, wo genau sie montiert war. Auf Verdacht winkte sie zum Gruß in Richtung der ungefähren Position. Alles im Namen der Sicherheit, aber Macy fand es noch immer unheimlich, überall beobachtende Augen auf sich zu wissen. Es war gelinde gesagt furchtbar, andauernd und ständig ausspioniert zu werden.

      Als sie hörte, wie sich ihre Zwillingsschwester Marcy auf dem Hochsitz bewegte, stellte sie sich auf den wahrscheinlich gleich losbrechenden Streit ein, der in diesen Tagen zum schlechten Standard geworden war.

      »Du bist wieder zu spät«, beschuldigte Marcy sie beim Herunterklettern.

      »Bin ich nicht. Komm von deinem hohen Ross runter, Marcy. Ich bin gerade erst angekommen.«

      »Denkt dran, Mädchen – kein Streit!« Grahams Stimme kam warnend über Funk.

      Marcy schob ihrer Schwester das Funkgerät brüsk in die Hand. »Du hast angefangen.«

      »Hör auf damit, Marcy. Ich will nicht schon wieder die Mülltonne saubermachen, du etwa?«, flüsterte Macy streng, während sie das Gerät gegen ihren Mantel drückte, damit Graham sie nicht hörte.

      Ohne ein weiteres Wort stapfte Marcy den Pfad zur Hütte hinauf, und Macy fragte sich, warum ihre Schwester bei jeder Gelegenheit Streit suchen musste. Sie schnaubte und setzte ihren Stiefel auf die erste Stufe der Leiter, um nach oben zu klettern. Mit dem Fernglas, das immer auf dem Hochsitz blieb, suchte sie die Umgebung ab. Abgesehen von einem kleinen grauen Hirsch, der am westlichen Ufer des zugefrorenen Sees nach einer Stelle zum Trinken suchte, herrschte Einsamkeit. Sie gab Graham, der schon darauf gewartet hatte, ihre Meldung durch. Danach lehnte sie sich zurück und dachte über die problematische Beziehung zu ihrer Zwillingsschwester nach.

      Sie war heilfroh, dass Marcy für ein paar Tage weg sein würde. Macy konnte nicht verstehen, warum ihre Schwester jede Gelegenheit nutzte, um zu sticheln. Im nächsten Monat würden sie beide sechzehn, und Tala hatte angekündigt, einen richtigen Kuchen für sie backen zu wollen – vorausgesetzt, eines der Hühner legte ein Ei. Macy spottete über sich selbst. Letztes Jahr um diese Zeit hatte sie sich von ihren Eltern egoistisch noch ein iPad gewünscht, und nun hoffte sie ganz bescheiden darauf, dass ein Huhn ein Ei legte, damit sie ihren Geburtstag mit einem schlichten Kuchen feiern konnten. Trotz des Weltuntergangs ging das Leben weiter. So viel hatte sich in nur wenigen Monaten verändert.

      Eine Träne kullerte über ihre Wange. Sie vermisste Mom und Dad mehr als alles andere. In diesem Moment hätte sie beinahe Marcy für einen von ihnen getauscht. Beinahe.

      Das Schnattern der heranfliegenden Gänse war zu hören, bevor Macy sie sehen konnte. Sie kreisten noch ein paar Mal in der Luft und landeten dann auf dem zugefrorenen See. »Ihr Lärmvögel«, sagte sie zu sich selbst. Irgendwie erinnerten sie die Gänse an den SeaTac-Flughafen bei Seattle, wo die Flugzeuge ebenfalls am Himmel ihre Kreise gezogen hatten, bevor sie in den Landeanflug übergegangen waren. Das schien jetzt endlos weit weg zu sein.

      Ihre Melancholie wurde durch eine graue, vierbeinige Gestalt durchbrochen, die vom gegenüberliegenden Ufer auf den See stürzte, einem der Wasservögel hinterherjagte und auf dem Eis ausglitt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, bis sie das Hämmern selbst in ihren schmalen Handgelenken spürte. Sie nahm einen tiefen Atemzug in der eisigen Luft, drückte den Mikrofonknopf am Funkgerät und wiederholte dreimal konzentriert, wie Rick es mit ihr trainiert hatte: »Wolf auf dem See, Wolf auf dem See, Wolf auf dem See.«

      Fast sofort stürmten Graham, Sam und Mark den Pfad hinunter. Stets bewaffnet und bereit waren die Männer in jeder Notlage eine formidable Kraft, mit der zu rechnen war. Die Sichtung eines Wolfs oder eines Bären bedeutete immer, dass es ernst wurde; beides bot die Chance auf Fleisch und Pelz.

      Macy hielt ihren Blick weiter auf den See gerichtet, wo sie zwei weitere der dunkelgrauen Tiere auf das Eis stürmen sah. Aber sie hielt sich zurück und versuchte nicht einmal, mit ihrer Pistole oder dem Bogen auf die Tiere zu zielen. Die drei Männer eilten an ihr vorbei und begaben sich in Position. Die drei Wölfe waren in Sichtweite, und wenn dies keine ernsthafte Angelegenheit gewesen wäre, hätte Macy sich über die Szene totlachen können. Wieder und wieder rutschten die Wölfe auf dem Eis aus, während die Gänse mühelos davonflatterten.

      Graham zielte und traf einen Wolf, der sofort zu Boden ging. Die beiden anderen legten auf die zwei Wölfe an, die zurück in den Wald flohen. Die übrigen Gänse flogen laut schnatternd eilig davon, als das Gewehrfeuer durch die Winterlandschaft dröhnte.

      Mark traf einen zweiten Wolf und auch Sam feuerte sein Gewehr ab. Alle hielten den Atem an und verfolgten den knappen Fehlschuss, während der letzte Wolf zwischen den Bäumen verschwand. Nichtsdestotrotz konnten sie sich glücklich schätzen, zwei der Tiere erlegt zu haben.

      »Gute Arbeit, Macy«, sagte Graham, während die anderen beiden Männer auf den See liefen, um die Beute zu holen. »Gut, dass ich den Scout schon heute Morgen für die Jagd vorbereitet habe. Sieht so aus, als würde ich den Rest des Tages im Gewächshaus verbringen und den beiden Kameraden das Fell über die Ohren ziehen.«

      Graham hatte von seinem Vater gelernt, wie man Tiere häutete, aber Sam hatte ihm noch einige