GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A.R. Shaw
Издательство: Bookwire
Серия: Survivor
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354333
Скачать книгу
als leise zu kichern. Diese Elternpflichten gingen ihm furchtbar auf die Nerven, vor allem, wenn es um fünfzehn-, bald sechzehnjährige Zwillingsmädchen ging. Zumindest hatte er es geschafft, sie noch einmal zu bremsen.

      Nachdem sie sich seit Monaten gegenseitig beäugten, vermutete er, dass sie und Mark sich Tag für Tag näherkamen. Aber Graham und Tala hatten das Gefühl, dass die beiden mindestens noch zwei Jahre warten sollten. Mit sechzehn hatte Mark noch viel zu lernen, bevor er ein Ehemann werden konnte.

      Ennis sah das anders. Er war noch in einer Zeit groß geworden, in der es alltäglich gewesen war, früh zu heiraten. Auch, dass Fünfzehnjährige verheiratet wurden, war nichts Ungewöhnliches gewesen. Er argumentierte, dass sie in einer in vielerlei Hinsicht merkwürdigen Zeit lebten, und wenn die beiden einander verpflichtet waren, war das für ihn in Ordnung. Graham und Tala beschlossen dennoch, dass Mark und Marcy gut warten konnten, bis sie wenigstens achtzehn war. Was ihnen genug Zeit verschaffen würde, um die beiden so gut wie möglich darauf vorzubereiten.

      Eine Schwangerschaft an sich war ein ganz eigenes Problem. Clarisse hatte alle vor dem möglichen Risiko gewarnt. Das Virus war eine Gefahr unbekannten Ausmaßes, sowohl für den Fötus als auch die Schwangere. Bisher war keine der Frauen in der Prepper-Gemeinschaft schwanger geworden, sodass Clarisse noch nicht direkt mit dem Problem konfrontiert worden war. Graham und Tala ergriffen alle erdenklichen Vorsichtsmaßnahmen bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen es ihnen gelang, zu zweit zu sein, denn sie hatten schreckliche Angst vor dem Ergebnis. Tala hatte bereits einmal eine Fehlgeburt erlitten, und Graham hatte nicht vor, sie das noch einmal durchmachen zu lassen. Zumal es auch aufgrund des Virus mehr als unsicher war, ob es das Kind schaffen würde. Erst nach der Geburt würde sichtbar werden, welche Auswirkungen das Virus mit sich brachte.

      Graham trank seine Tasse aus, zog sich die Handschuhe an und machte sich wieder an die Arbeit. Als er das zweite Fell freigelegt hatte, war die Sonne längst untergegangen und er musste seine Arbeit im Licht des schwachen Scheinwerfers beenden. Einen Moment später rief Tala zum Abendessen. »Gib mir noch etwas Zeit, um das Fell aufzuspannen – bin gleich da«, rief er zurück.

      Es ging ihm schnell von der Hand, die Felle auf den Rahmen zu bringen, vor allem, da ihn sein Magen nach einem harten Arbeitstag knurrend antrieb.

      Kapitel 6

       Aufbruch

      Sam weckte Mark sehr früh am nächsten Morgen, und Mark wiederum holte seinerseits Marcy aus dem Schlaf. Alle redeten leise, um die anderen nicht zu wecken.

      Nachdem sie rasch in ihre Kleidung geschlüpft war, betrachtete Marcy die schlafende Gestalt ihrer Schwester. Sie dachte kurz darüber nach, ob sie Auf Wiedersehen sagen sollte, aber irgendwie hielt sie ihr Stolz davon ab, sich diesem Drang zu beugen. Sie wollte nicht mehr nur Macys Zwillingsschwester sein. Sie war mehr als das. Vor allem in Marks Augen war sie mehr als das. Dank ihm trennte sich Marcys Leben zum ersten Mal von dem ihrer Schwester. Endlich, dachte sie.

      Marcy ging zu Tala in die kleine Küche, die nur von einer Petroleumlampe etwas erhellt wurde. Sie schonten den wenigen Solarstrom, so gut sie konnten, und um für die Jäger Lebensmittel für ein paar Tage einzupacken, brauchten sie nur wenig Licht. Tala umarmte Marcy und gab ihr eine gut gemeinte Warnung mit auf den Weg: »Marcy, du musst auf Sam und Mark hören. Gib immer auf dich acht und gehe keinerlei Risiken ein.« Tala betonte besonders das Wort Risiken, in der Hoffnung, dass das Mädchen verstand.

      »Ich passe schon auf«, sagte Marcy und setzte ein ungläubiges Lächeln auf. »Ich bin doch kein Baby. Ehrlich gesagt, ihr behandelt mich alle wie ein kleines, zerbrechliches Kind.«

      »Marcy, auf gewisse Weise sind wir jetzt alle sehr zerbrechlich«, sagte Tala. »Bitte, höre auf Sam und mache ihm keine Probleme«, wiederholte sie.

      »Ist gut«, versprach Marcy und erinnerte sich daran, was »zerbrechlich sein« bedeutete. Körperliche Unversehrtheit war ein hohes Gut in diesen Tagen, und eine Verletzung davonzutragen, ganz zu schweigen vom Tod, konnte viel zu schnell geschehen. Im Verlauf der Monate war es ihr immer schwerer gefallen, in der Erinnerung die Ereignisse noch einmal durchleben zu müssen, die sie an diesen Ort gebracht hatten. Die richtigen Erinnerungen an Ort und Stelle zu halten und die anderen in die Tiefe gleiten zu lassen, während sie gleichzeitig versuchte, erwachsen zu werden, bedeutete eine ständige Anstrengung.

      Mark traf Sam und Graham beim Scout, der bereits im Leerlauf brummte, und half ihnen, die Ausrüstung aufzuladen. Als Sam in die Hütte ging, um eine weitere Ladung zu holen, zog Graham Mark beiseite. Seine Warnung glich derjenigen, die Marcy von Tala erhalten hatte. »Mark, höre auf alles, was Sam dir sagt, und lass dich von Marcy nicht um den Finger wickeln.«

      Mark brachte ein gespieltes Husten hervor. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Graham so direkt werden würde.

      Graham lachte, während Mark sich von dem Schrecken erholte. Mark erwiderte mit einem Grinsen: »Graham, Marcy und ich haben eine Abmachung. Und ich habe dir schon versprochen, dass ich es nicht zulasse, dass sie mich um den Finger wickelt, wie du es nennst, bis sie achtzehn ist. Ich habe vor, dieses Versprechen zu halten. Aber nur bis zu diesem Tag.«

      »Wenn das jemand anderes zu mir gesagt hätte, würde ich ihn erwürgen. Mark, du bist mir genauso wichtig wie sie. Ich geleite dich sogar an deinem Hochzeitstag vor den Traualtar, solange du dein Versprechen hältst«, sagte Graham lächelnd. »Aber ganz ernsthaft: Ihr beide müsst auf Sam hören, und seid vorsichtig.« Er umarmte den jungen Mann.

      Sam, Marcy und Tala kamen aus der Blockhütte, gefolgt von Sheriff, der sich auf die Suche nach der Ursache für den allgemeinen Aufruhr zu dieser frühen Stunde gemacht hatte. Sam setzte sich ans Steuer. Marcy kletterte auf den Rücksitz und verkündete, sie hoffe, während ihrer Fahrt noch ein wenig Schlaf zu bekommen.

      Der Himmel begann heller zu werden und sich auf einen trüben, violettfarbenen Sonnenaufgang vorzubereiten. Tala stand an Grahams Seite und sie winkten den drei hinterher wie Familienmitgliedern, die auf eine lange Reise aufbrachen. Letztlich waren sie alle über die vergangenen Monate genau zu dem geworden – zu einer Familie.

      Als der Motorlärm in der kalten Morgenstille verklungen war, führte Graham Tala zurück in die Hütte. Auch Sheriff entschied, dass er für diesen Tag noch nicht bereit war. Er folgte ihnen ins Innere, aber statt in Macys Bett zurückzukehren, ließ er sich von der Wärme des Ofens anziehen und legte sich daneben.

      Graham hielt Tala im Wohnzimmer an und überlegte, ob er sie in dieser halbwegs privaten frühen Stunde »um den Finger wickeln« sollte, aber Macy oder Bang würden mehr als wahrscheinlich jeden Moment hereinkommen. Ich kann den Frühling kaum erwarten, dachte er. Er entschied sich, sie stattdessen nur in seine Arme zu schließen und mit ihr zusammen auf dem Sofa wieder einzuschlafen. Für seinen Geschmack war sie noch immer deutlich zu blass, und er fragte sich, was es mit ihrer Behauptung, alles sei in Ordnung, auf sich hatte.

      ***

      Keine Stunde später wachte Graham wieder auf und streichelte Talas langes, dunkles Haar, während sie schlafend auf seiner Brust lag. Er spürte, dass etwas anders war als vorhin. Als er die Augen öffnete, sah er Ennis in seinem Schaukelstuhl sitzen und mit leerem Blick in die Flammen im Ofen starren. Graham hatte ihn nicht in den Raum kommen hören.

      »Wir sind nicht dazu bestimmt, hier zu sein«, murmelte der alte Mann zu sich selbst oder zu einem Geist; Graham wusste es nicht.

      Da er Tala nicht aufwecken wollte, blieb Graham still liegen und beobachtete Ennis für eine Weile. Wenn er herausfand, was es mit seinem merkwürdigen Verhalten auf sich hatte, konnten sie ihm vielleicht helfen. Es beunruhigte ihn, dass Ennis den relativ weiten Weg aus dem Schlafraum allein zurückgelegt hatte. Irgendwie hatte Graham das Gefühl, dass es für ihre Sicherheit umso besser war, je länger der alte Mann ihnen erhalten blieb. Er hoffte nur, dass er von Ennis bereits jetzt so viel gelernt hatte, wie für ihr Überleben notwendig war. Gleichzeitig wünschte er sich, dass Ennis verstand, wie sehr sie ihn lieben und schätzen gelernt hatten.

      »Ein Sturm kommt auf, und damit jede