Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Francoise
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Daniel Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740951320
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      Spontan ergriff Lena seine rechte Hand und drückte sie innig. »Vielen Dank, Herr Chefarzt.« Sie zögerte einen Moment. »Mein Mann… er geniert sich sehr wegen seiner Beschwerden.«

      »Auch das werden wir in den Griff bekommen«, versicherte Dr. Scheibler beruhigend, und als Lena ihren Mann wenige Minuten darauf ins Büro begleitete, kam Ihnen der Chefarzt mit einem besonders herzlichen Lächeln entgegen. »Herr Kaufmann, ich freue mich, daß ich Sie endlich kennenlernen darf.«

      Horst zwang sich zu einem Lächeln, das aber kläglich mißlang. Er warf Lena einen kurzen Blick zu und diese verstand. Mit einer sanften Geste berührte sie seinen Arm, dann küßte sie ihn flüchtig auf die Wange.

      »Alles Gute, Liebling«, flüsterte sie ihm zu, ehe sie an ihre Arbeit ging.

      Dr. Scheibler blickte ihr nach, dann lächelte er. »Ich wüßte gar nicht, was wir ohne unsere tüchtige Oberschwester tun würden. Sie haben eine wundervolle Frau, Herr Kaufmann.«

      »Ja, ich weiß«, murmelte Horst. »Ohne sie wäre mein Leben nichts mehr wert.«

      Dr. Scheibler betrachtete ihn. »Ich glaube, dasselbe würde Ihre Frau auch über Sie sagen.« Mit einer einladenden Handbewegung bot er ihm Platz an, dann setzte er sich ebenfalls und kam gleich zum Thema, damit Horst gar keine Gelegenheit mehr hatte, noch weitere Ängste aufzubauen. »Es gibt einen Grund für Ihren Besuch.«

      Horst schluckte schwer, dann nickte er. »Ich… ich habe…« Er atmete tief durch und versuchte dabei, seiner Scham Herr zu werden. Der Mann, der ihm gegenübersaß, war schließlich Arzt und hatte sicher laufend mit derlei Dingen zu tun. Doch alles vernünftige Denken half nichts. Horst war einfach zu prüde erzogen worden. Alles, was unterhalb der Gürtellinie gewesen war, durfte zu Hause niemals erwähnt werden und auch wenn er seine beiden Töchter offener erzogen hatte – er selbst war genierlich geblieben. Noch einmal atmete er tief durch und nahm seinen ganzen Mut zusammen. »Ich habe Blut im Urin.«

      »Das ist ein sehr ernstes Zeichen«, entgegnete Dr. Scheibler und zeigte seine Besorgnis ganz offen. »Ich bin froh, daß Sie gleich zu mir gekommen sind.«

      Horst senkte den Blick. »Ich habe diese… Beschwerden schon seit ein paar Wochen, aber… ich brachte es nicht über mich…« Er schwieg bedrückt.

      Dr. Scheibler stand auf. »In diesem Falle sollten wir sofort mit den Untersuchungen beginnen. »Er ging mit Horst in den Nebenraum und gab ihm einen Becher. »Als erstes brauche ich eine Urinprobe von Ihnen.« Er begleitete Horst zu den Toiletten, von denen die rechte eine direkte Verbindung zum danebenliegenden Labor aufwies.

      Dr. Scheibler öffnete die Tür. »Benutzen Sie diese Kabine, und stellen Sie den Becher dann in das kleine Kästchen.«

      Dankbar sah Horst ihn an, bevor er die Tür hinter sich schloß. Dr. Scheibler trat auf den Flur.

      »Alexandra«, sprach er die Stationsschwester der Chirurgie an. »Wenn Herr Kaufmann herauskommt, bringen Sie ihn bitte in den Untersuchungsraum, und bereiten Sie alles für eine Ultraschalluntersuchung vor.«

      »In Ordnung, Herr Chefarzt«, stimmte Schwester Alexandra sofort zu.

      Dr. Scheibler wollte ins Labor gehen, doch an der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ach ja, ich brauche auch eine Blutprobe des Patienten. Bringen Sie sie mir gleich hier herein.«

      Dann trat er endgültig ein und wartete, bis er von drüben das Zuschnappen der kleinen Tür hörte, das signalisierte, daß Horst den Becher abgestellt hatte. Er öffnete jetzt seinerseits das kleine Türchen und holte die

      Urinprobe heraus. Ein Test wäre in diesem Fall vielleicht gar nicht mehr nötig gewesen, denn die Rötlichfärbung war schon mit bloßem Auge deutlich zu erkennen.

      Trotzdem führte Dr. Scheibler den Test gewissenhaft durch und kam zu dem Ergebnis, daß die Urinprobe nicht nur rote Blutkörperchen enthielt, sondern auch Hämoglobin, was auf einen Infektionsherd hinwies. Auch Eiweiß fand sich – ein deutliches Zeichen, daß die Nieren nicht mehr einwandfrei arbeiteten.

      Nach kurzem Anklopfen trat Schwester Alexandra herein und brachte dem Chefarzt die gewünschte Blutprobe. Auch hier ergab sich kein überraschendes Ergebnis. Die Blutsenkung war deutlich beschleunigt, was den Verdacht einer Infektion erhärtete, der Kreatininwert war erhöht, was Aufschluß darüber gab, daß die Nierenfunktion eingeschränkt war.

      Noch einmal nahm sich Dr. Scheibler die Urinprobe vor und untersuchte sie nun auf Bakterien.

      Er notierte seine Ergebnisse gewissenhaft in der Krankenakte, dann ging er ins Untersuchungszimmer, wo Horst schon auf ihn wartete. Allein an seiner Körperhaltung waren die Angst und Anspannung deutlich zu erkennen. Mit fragendem Blick sah er dem Arzt entgegen.

      »Eine endgültige Diagnose kann ich jetzt leider noch nicht stellen«, erklärte Dr. Scheibler. »Im Moment weiß ich nur, daß sich in Ihrem Körper ein Infektionsherd befindet, und zwar handelt es sich dabei um einen sogenannten Harnwegsinfekt… eine Blasenentzündung. Ich nehme an, daß Sie zur Zeit beim Wasserlassen Schmerzen haben.«

      Horst nickte. »Es… es brennt ziemlich.«

      Mit dieser Antwort hatte Dr. Scheibler schon gerechnet. »Diese Infektion bereitet mir eigentlich die geringeren Sorgen, denn man kann ihr mit Antibiotika gut beikommen. Weit besorgniserregender sind die Ergebnisse, die darauf hinweisen, daß mit Ihren Nieren etwas nicht in Ordnung ist.« Er schwieg kurz und deutete auf die Untersuchungsliege. »Legen Sie sich bitte dorthin. Auf den Bauch.«

      Horst gehorchte und wartete nervös darauf, was der Arzt als nächstes machen würde. Unwillkürlich zuckte er zusammen, als Dr. Scheibler seine Hose ein Stückchen nach unten und das Hemd nach oben schob.

      »Sie müssen keine Angst haben«, meinte der Arzt beruhigend. »Die Ultraschalluntersuchung ist nicht schmerzhaft, nur das spezielle Gel, das ich auf ihrem Rücken verteilen muß, fühlt sich im ersten Moment ein bißchen kalt an.«

      Langsam ließ Dr. Scheibler den Schallkopf über den unteren Teil von Horsts Rücken gleiten. Was er sah, beunruhigte ihn zutiefst.

      »Haben Sie… etwas gefunden?« fragte Horst leise.

      »Ja, Herr Kaufmann, ich denke schon«, antwortete Dr. Scheibler. »Sicherheitshalber werde ich aber noch eine Röntgenaufnahme machen.«

      Das Röntgenbild ergab denselben Befund.

      »Es ist ernst, nicht wahr?« wollte Horst wissen, als er dem Chefarzt gegenübersaß. Plötzlich waren Angst, Anspannung und Scham wie weggeblasen. Mit einer Ruhe, die ihm selbst beinahe unheimlich war, wartete Horst auf das Urteil, das ihm von Dr. Scheibler präsentiert werden würde.

      »Ja, Herr Kaufmann, es ist in der tat sehr ernst«, bestätigte der Chefarzt. »An Ihrer rechten Niere hat sich ein Tumor gebildet. Ich kann im Moment noch nicht sagen, ob er gut oder bösartig ist. Im Grunde ist das auch bedeutungslos, weil ein Tumor dieses Ausmaßes in jedem Fall operativ entfernt werden muß.«

      Es dauerte einige Minuten, bis Horst wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

      »Ich muß also operiert werden«, brachte er leise hervor. »Und danach? Ich meine, ich weiß, daß ich mit einer Niere leben kann, aber… wenn es nun Krebs ist.« Hoffnungsvoll blickte er den Arzt an. »Oder können Sie das ausschließen?«

      Dr. Scheibler schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, Herr Kaufmann, so leid es mir tut – ausschließen kann ich diese Möglichkeit nicht.« Er schwieg kurz. »Genau aus diesem Grund würde ich Ihnen empfehlen, sich in der ThierschKlinik in München operieren zu lassen. Professor Thiersch gibt sich zwar meistens sehr ruppig und unfreundlich, aber das Wohl seiner Patienten liegt ihm ganz besonders am Herzen, und – was in meinen Augen das Wichtigste ist – er ist auf diesem Gebiet unbestritten einer der besten Ärzte, die es in Deutschland gibt.«

      Horst nickte. »Ich werde tun, was Sie sagen, Herr Doktor. Sie wissen sicher, was das Beste für mich ist.«

      *

      Ein paar Tage hatte Hannelore mit sich