Die Summe selbst beträgt gerade den fünften Teil der Brandschatzungen allein in barem Gelde, die das Land im Kriege an die auswärtigen Feinde zu zahlen gehabt hatte. Das wäre nicht viel, aber es wäre immerhin etwas. Leider verdunkelt die Art, wie diese Summe auf die verschiedenen Klassen der Bevölkerung verwandt wurde, gar sehr den Schein des patriarchalischen Wohllebens, den sie etwa noch auszustrahlen scheint. Die Städte und die städtische Industrie erhielten davon wenig genug, die Bauern noch viel weniger, den Löwenanteil aber die Junker. Gegenüber den 25000 Talern, die Friedrich den westfälischen Städten nach dem Friedensschlusse zum Wiederaufbau ihrer Häuser und Straßen schenkte, oder selbst den 100 000 Talern, die Frankfurt a. O., die bedeutendste Handelsstadt der Mark, zu gleicher Zeit und zu gleichem Zwecke erhielt, scheffeln gleich ganz anders die mehr als 2½ Millionen, die allein für den Adel Pommerns und der Neumark, zweier ungefähr den sechsten Teil des Staatsgebiets umfassender Provinzen, nach dem Siebenjährigen Kriege aufgewandt wurden, teils als Geschenke zur Bezahlung seiner Schulden, teils als Meliorationskapitalien für seine Güter. Diese Kapitalien waren unkündbar, und wenn sie mit 1 bis 2 Prozent verzinst werden mußten, so waren »die Interessen« zu »Pensionen für arme Offizierswitwen und vom Adel« bestimmt. Wir gehen indes auf diese Verhältnisse nicht näher ein und verweilen lieber etwas ausführlicher bei dem, was Friedrich für die große Masse der arbeitenden Bevölkerung, nämlich für die Bauern, getan hat. Einesteils fällt damit das schärfste Licht auf Friedrichs »landesväterliche Fürsorge«, andererseits sind wir gerade über diese Frage durch eine ganz unanfechtbare Urkunde ausführlich unterrichtet.
Einer der wenigen deutschen Beamten, die Friedrichs Vertrauen bis an ihren Tod genossen, war Johann Rembert Roden. Ein guter Organisator, hatte er sich in dem Hauptquartiere des Herzogs Ferdinand von Braunschweig ausgezeichnet und war von diesem nach dem Kriege an den König empfohlen worden. Friedrich benutzte ihn vielfach bei der Wiederherstellung des Landes, übertrug ihm namentlich auch die Organisation von Westpreußen nach der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 und machte ihn dann zum Präsidenten der Oberrechenkammer. Als solcher erhielt Roden 1774 den Auftrag, durch eine Reihe von Vorträgen den Thronfolger in die Finanzverwaltung des preußischen Staates einzuweihen, und er übergab dann zum Schlüsse seines Unterrichts dem Prinzen eine »Kurzgefaßte Nachricht von dem Finanzwesen«. Diese lehrreiche, überall aktenmäßig begründete Urkunde ist glücklicherweise schon durch den alten Preuß, der noch nicht wie die heutigen, mit dem Zutritte zu den Archiven begnadigten Forscher vom Apfel der Erkenntnis gegessen hatte, unverstümmelt ans Tageslicht gezogen worden. Preuß, 4, 415 ff. Sie ist nicht frei von großen Lücken, denn Roden gleitet über die Akziseverfassung mit wenigen Sätzen hinweg; das Schicksal des Geheimen Finanzrates Ursinus mußte ihm warnend vor Augen schweben. Um so ausführlicher und gründlicher handelt er von der Kontributionsverfassung, das heißt von der direkten Steuer, welche die bäuerliche Bevölkerung aufzubringen hatte, und dabei wirft er Schlaglichter auf die Lage dieser Bevölkerung, die von größtem Interesse sind.
Die Kontribution war nach der Ertragsfähigkeit der einzelnen Ländereien umgelegt, so zwar, daß sie einen bestimmten Teil dessen betrug, was der Bauer für seinen eigenen Bedarf und für den Verkauf erntete. Dieser bestimmte Teil war nicht in allen Provinzen ganz gleich bemessen; in der Mark und in Westpreußen belief er sich auf 33½, in Schlesien auf 34, in Pommern auf 42½ Prozent, in andern Landesteilen noch höher. Roden erläutert die Art dieser Steuer an einem Bauer im Dorfe Tempelhof bei Berlin, der von jeder Hufe zu 30 Magdeburgischen Morgen 8 Taler 3 Groschen Kontribution zu zahlen hatte (der Taler wurde damals zu 24 Groschen berechnet; nach heutigem Gelde betrug der Groschen also 12½ Pfennig). Nun konnte der Bauer außer dem eigenen Verbrauch aber nur 15 Scheffel von dem Ertrage der Hufe verkaufen, welche, zu 18 Groschen gerechnet, ihm 9 Taler 18 Groschen eintrugen. Nach eingehender Darlegung dieser Verhältnisse fährt Roden dann wörtlich fort:
»Der Bauer behielte also von seinem Gewinste auf einer Hufe, nach Abzug der bezahlten Kontribution, nur 1 Taler 15 Groschen übrig, wovon er seine übrigen Prästanda unmöglich leisten kann. Diese sind:
Dem Erb- oder Gerichtsherrn (ist er königlich, dem Amte, gehört er dem Edelmann, demselben) Zins und Dienste, wenigstens per Hufe | 8 Tlr. – Gr. – Pf. |
Dem Priester Dezem 1 Scheffel Korn à | – Tlr. 18 Gr. – Pf. |
Dem Küster ¾ Scheffel à. | – Tlr. 12 Gr. 6 Pf. |
Dem Schmied 1 Scheffel à | – Tlr. 18 Gr. – Pf. |
Hufen- und Giebelschoß | – Tlr. 15 Gr. – Pf. |
Marschfuhrengelder | – Tlr. 12 Gr. – Pf. |
Kriegswehr zur Magazinkasse | – Tlr. 12 Gr. – Pf. |
___________________ | |
Summa. | 11 Tlr. 16 Gr. 6 Pf. |
Er hat nun von der Ernte übrig | 1 Tlr. 15 Gr. – Pf. |
fehlen ihm also | 10 Tlr. 1 Gr. 6 Pf. |
Ferner hat der Bauer zu prästieren die Feuersozietätsgelder, die Vorspannfuhren, die Bau- und Krepel-, auch Nachbarfuhren, die Dorfauflagen und andere Vorfälle mehr, das Gesindelohn, da er besonders Knechte wegen der vielen Hofedienste halten muß, so ihm zur größten Last gereichen: zu welchem Ende er auch mehr Pferde halten muß, weswegen die Einschränkung dieser Dienste eine vortreffliche Sache wäre.«
Wir unterbrechen hier Roden für einen Augenblick, um zu bemerken, daß unter den »andern Vorfällen mehr« sich auch noch sehr drückende Lasten befanden: so die Grasung der Kavalleriepferde auf den Wiesen der Dorfgemeinden während der Monate Juni bis September, in denen der Reiter eine brutale Herrschaft im Hause des Bauern führte; ferner für die anderen Monate des Jahres die Lieferung der Fourage, die zwar zu einem geringen Preise bezahlt, aber oft viele Meilen herangefahren und, wenn sie ohne weitere Scherereien abgenommen werden sollte, mit einem tüchtigen Überschuß zugunsten des Rittmeisters beladen sein mußte, endlich auch der schon erwähnte indirekte Beitrag der Bauern zur städtischen Akzise. Roden fährt dann fort:
»Der Bauer würde, nach diesen angeführten Umständen, nicht bestehen können, wenn er sich nicht auf eine andere Art soutenierte, z. B. daß er auf eine Hufe fast 1/3 mehr aussäet, als ihm zur Kontribution angeschlagen, daß er aus dem Viehstand Geld erwirbt und sich sonst durchzubringen sucht. Aber er muß allen Fleiß anwenden und sich kümmerlich behelfen, wenn er sich ehrlich ernähren und durchbringen will, zumal wenn er sonst nichts anderes als sein eigenes Wohnhaus und Hofgebäude, so er noch selbsten in Würden unterhalten muß, nebst dem dazugehörigen Acker im Vermögen hat. Er kann daher keine Unglücksfälle, als Mißwachs, Hagelschaden, Mäusefraß, Überschwemmungen usw., übertragen, daferne ihm nicht alsdann durch Remission unter die Arme gegriffen wird, um ihn noch in etwas zu unterhalten. In ordinären Fällen wird ihm aus der Kreiskasse geholfen, in extraordinären aber tritt der Landesherr zu und läßt die Gelder bar an den Kreis übermachen oder auch Brot- und Saatkorn in natura geben.«
Man sieht darnach, was es mit den so viel gepriesenen Steuererlassen, Geldvorschüssen, Kornlieferungen, wodurch Friedrich angeblich den Bauernstand in die Höhe gebracht haben soll, tatsächlich auf sich gehabt hat. Sie waren einzig dazu bestimmt, den Bauer, ohne den freilich weder der König noch der Junker leben konnte, auf der schmalen Grenze zwischen Hungerleben und Hungertod zu