Gesammelte historiografische Beiträge & politische Aufsätze von Franz Mehring. Franz Mehring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Franz Mehring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027207824
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auch nicht für einen »sogenannten«, sondern für einen wirklichen Bauernfreund. Leben wir doch auch heute noch in dem segensreichen Schatten seiner weisen Bauernpolitik, denn die junkerlichen Vorrechte des Landtagsrezesses von 1653 sind erst sehr allmählich und unvollständig, vielfach auch mehr der Form als dem Wesen nach, teils 1808, teils 1848, teils in der Kreisordnung der siebenziger und teils in der Landgemeindeordnung der neunziger Jahre abgetragen worden.

      Ferner aber sicherte sich der »gemeine Mann von Adel« bei Errichtung des stehenden Heeres die ausschließliche oder doch so gut wie ausschließliche Besetzung der Offiziersstellen. Bürgerliche Landsknechtsführer, die im Dreißigjährigen Kriege militärischen Ruf erlangt hatten, mußten freilich mit verwandt werden, aber es war damals schon Sitte, daß sie durch Verleihung des Adels der Kameradschaft der »Krippenreiter« würdig gemacht wurden, deren militärische Fähigkeiten sie ergänzen sollten. In welchem Umfange dies junkerliche Vorrecht heute noch besteht, ist bekannt. In seinem ersten Ursprunge war es nicht nur eine politische Sicherheitsmaßregel, sondern auch eine ökonomische Staatshilfe ersten Ranges für ein »üppig wucherndes, zahlreiches, scheußliches Krautjunkergeschlecht« Worte Rüstows, dessen einschlägige Schrift, Die preußische Armee und die Junker, eine Fülle historischen und statistischen Materials über die soziale Bedeutung jenes Vorrechts enthält, das nach dem patriotischen Schlagworte einem »dummen Adelshasse« entspringen soll.. Wie sehr der preußische Adel, namentlich des achtzehnten Jahrhunderts, das Heer auswucherte, werden wir weiterhin noch sehen.

      Endlich aber, wenn die Stände für so große Vorteile ihr Steuerbewilligungsrecht mehr oder weniger illusorisch machten, indem sie ein für allemal die Summen für ein stehendes Heer bewilligten, so sorgten sie wenigstens dafür, daß daraus für den Adel keine unliebsamen Konsequenzen gezogen werden konnten. Sie sicherten den Gütern und den Personen des Adels das gesetzliche Recht der Steuerfreiheit, das einmal zur Zeit der mittelalterlichen Lehnverfassung in gewisser Beschränkung einen Sinn gehabt hatte, aber längst zum gehässigsten Vorrecht geworden war. Gleichwohl hat auch dieses Vorrecht bis in die erste, ja zu einem erheblichen Teile bis in die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts fortgedauert und ist dann erst gegen schweres Geld aus den Taschen der plebejischen Steuerzahler abgelöst worden.

      Unter solchen Bedingungen – Bedingungen, die durchweg auf eine militärische, ökonomische und politische Befestigung der Junkerherrschaft hinausliefen – bewilligten die Stände dem Landesherrn die »Kontribution«, unter welchem Namen die Geld- und Naturallieferungen begriffen wurden, welche die bäuerliche und städtische Bevölkerung für das stehende Heer zu leisten hatte. Sie war nach den Grundstücken, besonders nach den Häusern verteilt und in dem verarmten Lande, das durch die unaufhörlichen Kriege des Kurfürsten immer von neuem verwüstet wurde, natürlich schwer aufzubringen, so gering auch nach unsern heutigen Begriffen der damalige Militäretat war. Der Kurfürst trieb sie aber unbarmherzig ein; in Berlin rollte der Exekutionswagen unaufhörlich durch die Straßen. So erklärten die Stände im Jahre 1667, das Land gehe auf diese Weise seinem völligen Ruin entgegen. Der Kurfürst erkannte an, daß er mit »Winseln und jammerlichen Klagden« aus dem ganzen Lande überschüttet würde, aber mindestens 300 000 Taler müsse er jährlich für sein Heer haben; er schlug vor, es mit einer andern Steuer zu versuchen, mit der Akzise, einer auf Genuß- und Lebensmittel gelegten Verbrauchssteuer, der jeder Einwohner des Landes unterworfen sein solle. Es war ein Versuch, den Adel wenigstens für seine Personen der Steuerpflicht zu unterwerfen, aber dieser etwas plumpen Pfiffigkeit erwiesen sich die Junker sofort gewachsen. Sie erklärten, daß sie alsdann von ihren Vorrechten nichts als den bloßen Namen behalten würden und »ihre Kinder nicht mehr in adligen Tugenden und guten Künsten aufziehen« könnten. Der Kurfürst hatte nicht die Macht, einen aus so ehrwürdigen Motiven entsprungenen Widerstand zu brechen, und es blieb bei der Kontribution für die bäuerliche Bevölkerung. Dagegen ergriffen die Städte mit Begierde den Vorschlag des Kurfürsten, der für sie eine Abwälzung der Steuern von der besitzenden auf die besitzlose Klasse bedeutete, und die Akzise wurde die städtische Heeressteuer.

      Diese Anfänge des brandenburgisch-preußischen Militärstaats wurden unter dem Könige Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte, ausgebaut und dauernd befestigt. Unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm und seinem Sohne, der als Kurfürst Friedrich III. von 1688 bis 1701, als König Friedrich I. von 1701 bis 1713 lebte, stand das stehende Heer sozusagen erst auf einem Fuße. Die ewige Geldnot machte in Friedenszeiten umfassende Entlassungen der Söldner notwendig, und die verschwenderische Hofhaltung beider Fürsten, namentlich aber des neugebackenen Königs, verschlang die Subsidien, die nach der edlen Sitte der deutschen Teilfürsten vom Auslande für die Vermietung des Heeres an ausländische Interessen einkamen. Friedrich I. hat während seiner Regierungszeit nicht weniger als 14 Millionen Taler solcher Subsidien erhalten und in der unsinnigsten Weise verschwendet. Er war ein schwacher und unfähiger Mann, von dem sein Enkel, der König Friedrich II., stets mit der größten Verachtung spricht; sein fürstliches Klassenbewußtsein erschöpfte sich in den äußerlichsten Nichtigkeiten der höfischen Etikette, und so mußte er die Puppe eines schmarotzenden Hofadels werden. Aber wie gern auch das Junkertum die verbrecherische Leichtfertigkeit dieses Fürsten für sich ausbeutete, so vernachlässigte es doch mit richtigem Klasseninstinkte die Grundlage seiner Macht nicht; immerhin wurden auch unter Friedrich I. von den auf 4 Millionen Taler gestiegenen Staatseinkünften 2½ Millionen für das Heer verwandt.

      In seinem Sohne kam nun aber ein Fürst auf den Thron, der das Joch des Junkertums, dessen Stacheln er als Kronprinz schon schmerzlich empfunden hatte, abzuschütteln gedachte. Ein ungeschlachter Tyrann, wie Friedrich Wilhelm I. war, wird er doch von dem freisinnigsten Staatsmanne, den Preußen je gehabt hat, von Schön, der »größte innere König« dieses Landes genannt. Der König wußte nicht oft genug zu wiederholen: »Wir sind doch Herr und König und tun, was wir wollen«, aber daneben nannte er sich auch wohl einen »guten Republikaner«. Er prügelte jeden Bürgersmann, der sich von ungefähr in den Bereich seines Stockes verirrte, aber am kräftigsten prügelte er seinen adelsstolzen Thronfolger! weil er »hoffährtig, recht bauernstolz ist, mit keinem Menschen spricht, als mit welche, und nit popular und affabel ist«. Die Lösung dieser anscheinenden Widersprüche ergibt sich aus dem fürstlichen Klassenbewußtsein dieses Königs, für das der Junker nicht mehr war als der Bürger und der Bauer, aber der Bürger und der Bauer auch nicht mehr als ein Sklave des Monarchen. Über die Gleichheit aller Untertanen vor seinem Stocke dachte er allerdings äußerst republikanisch. Er hat den Kampf mit dem Junkertum so kräftig aufgenommen wie weder vor noch nach ihm ein Hohenzoller, und in dieser Beziehung darf er wohl der »größte innere König« des preußischen Staats genannt werden. Aber ebendeshalb war er auch der ausgeprägteste Soldatenkönig dieses Militärstaats, denn erst, wenn er das Heer den Junkern entriß, konnte er daran denken, ihre politische Herrschaft niederzuwerfen.

      Hieraus ergibt sich nun aber schon, daß es eine leere Schmeichelei ist, wenn die preußischen Historiker diesem Könige nachsagen, er habe gleichsam in genialer Vorahnung den Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht aus seinem Busen geschöpft, oder wie es Treitschke in seiner pomphaften Weise ausdrückt: »Ahnungslos brach sein in der Beschränktheit gewaltiger Geist die Bahn für eine strenge, dem Bürgersinn des Altertums verwandte Staatsgesinnung ... Das Kantonreglement von 1733 verkündete die Regel der allgemeinen Dienstpflicht.« Dies Reglement hat nie bestanden; es ist die reine Legende, obschon anerkannt werden muß, daß diese preußische Legende einen anständigeren Ursprung hat als ihre zahllosen Geschwister. Der geniale Bauernsohn Scharnhorst hat sie im Jahre 1810 erfunden, um dem beschränkten Könige Friedrich Wilhelm III., den die gründliche Pädagogik Napoleons noch immer nicht von seinen despotisch-feudalen Schrullen bekehrt hatte, durch das »glorreiche« Vorbild eines »glorreichen« Vorfahren die Zustimmung zur allgemeinen Wehrpflicht zu entreißen, ebenso wie damals Gneisenau eine alte Vorschrift des deutschen Ritterordens, die den Offizieren das Prügeln der Söldner verbot, entdecken oder auch erfinden mußte, ehe ihm der König gestattete, die scheußlichen Soldatenmißhandlungen zu bekämpfen. Es liegt im Wesen des Militarismus, immer weiter um sich zu greifen, und im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts war er schon so weit gediehen, daß die freiwilligen Werbungen für die stehenden Heere nicht mehr ausreichten, auch nicht, soweit sie tatsächlich gewaltsame Pressungen waren; man mußte zu einem geregelten System der Aushebung unter den Landeskindern übergehen. Das geschah überall auf dem Kontinente, aber nirgends