Franz Ferdinand. Alma Hannig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alma Hannig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783902862792
Скачать книгу
Vorgängen, die diese Liebesgeschichte zeitigte, eine viel eingehendere Aufmerksamkeit [zuwendete], als sie der unbeteiligte Politiker für erforderlich geachtet hätte«, erklärte er rückblickend in seinen Erinnerungen: »Die staats- und familienrechtlichen Folgen für das Haus Österreich bezüglich einer Ehe des Thronfolgers mit der Gräfin Chotek trugen einen so komplizierten Charakter, daß bei einem plötzlichen Ableben des bejahrten Kaisers Vorgänge zu erwarten waren, die auch unser Bündnis tiefer berühren mußten, als die Allgemeinheit sie erwarten konnte.«191 Während Eulenburg die geplante Hochzeit anfangs noch als eine »leidige Angelegenheit« bezeichnet hatte, sprach er Ende Mai 1900 von einer »Katastrophe«. Ähnlich wie die Familie Aehrenthal, die die Ehe für ein »Unglück für die Dynastie und für ganz Österreich«192 hielt, hat es die Mehrheit des Adels gesehen; manche sollen sich sogar den Tod des Thronfolgers gewünscht haben, um Schaden von der Monarchie abzuwenden.193 Der britische Diplomat Rumbold berichtete nach London, dass die Ehepläne des Thronfolgers bedauerlich seien und dem Kaiser, dem Prestige und den Interessen der Monarchie schaden würden.194 Um das Prestige und die Stabilität der Monarchie war auch der Obersthofmeister Montenuovo besorgt, der vor allem auf die staatsrechtliche Problematik und die zeremoniellen Schwierigkeiten einer morganatischen Ehe hinwies.195

      Den österreichischen Ministerpräsidenten Ernest Koerber, der sich strikt dagegen ausgesprochen und die Ehe als »ein Verhängnis« bezeichnet hatte, »quälten« das Eheprojekt und die möglichen Konsequenzen im Hinblick auf die Stellung der Dynastie zunehmend, weswegen er sich ein rasches Ende der Angelegenheit wünschte. Sein Versuch, den deutschen Kaiser zu einer Äußerung diesbezüglich zu bewegen, war vergeblich, aber Botschafter Eulenburg ließ keinen Zweifel daran, dass sein Monarch, »wie ein jeder zur Monarchie gehörende Mann, die morganatische Eheschließung eines Thronfolgers nur verurteilen könne …«196

      Die entscheidende Rolle bei allen Versuchen, die Ehe zu verhindern, spielte der österreichisch-ungarische Außenminister und Minister des Hauses Habsburg, Graf Agenor Gołuchowski, der bereits vor Jahren versucht hatte, Franz Ferdinand durch Otto als Thronfolger zu ersetzen. Dem deutschen Botschafter gegenüber beschwerte sich Gołuchowski über den sich »maßlos und sinnlos« gebärdenden Thronfolger: »Selbst bei großer Liebe und Leidenschaft hielte man doch gewisse Schranken ein.« Gołuchowskis Tirade gegen den Erzherzog gipfelte in der Aussage, dass »er an den Beginn einer tuberkulösen Gehirnkrankheit glaube«.197

      Die einzige Unterstützung am Hof, die Franz Ferdinand und Sophie erhielten, kam von seiner Stiefmutter, Maria Theresia, die nach dem Tod der Kaiserin Elisabeth 1898 die erste Dame am Hof geworden war und deren Meinung Kaiser Franz Joseph sehr schätzte.198 Die juristische Hilfe kam von Baron Beck, dem ehemaligen Lehrer von Franz Ferdinand, der in zahlreichen Elaboraten die rechtlichen Möglichkeiten und Voraussetzungen ausgelotet hatte.199 Auf die Krone zu verzichten, kam für Franz Ferdinand nicht infrage, ebenso wenig wie auf die Ehe mit Sophie. Eine morganatische Ehe schien ein gangbarer Kompromiss, da mit den Söhnen seines Bruders Otto die künftige Thronfolge gesichert war. Der Kaiser ließ sich letztlich darauf ein.200 Dies bedeutete, dass die Kinder dieser Beziehung nicht als Habsburger galten, den erzherzoglichen Titel nicht erhielten, sondern der »linken« Hand (also der Mutter) folgten und lediglich ihren Stand erreichen konnten. Beck sorgte dafür, dass die beiden Ministerpräsidenten, Szell und Koerber, sowie Außenminister Gołuchowski zustimmten.201

      Der Kaiser wollte offenbar nicht das Risiko eingehen, Franz Ferdinand vor die Wahl zwischen Thron und Sophie zu stellen und dadurch den Thronfolger womöglich zu verlieren. Viele Zeitzeugen behaupteten, dass Franz Ferdinand ihm mit einem zweiten »Mayerling« gedroht hätte. Aber auch ohne solche Selbstmorddrohungen waren die kaiserlichen Alternativen bescheiden: Erzherzog Otto hatte sich durch seinen Lebenswandel (Alkohol und zahlreiche Affären) diskreditiert und sich ohnehin nie für die Politik interessiert.202 Beim Gedanken an eine mögliche Thronfolge soll er laut Eulenburg »ein Glas Kognak nach dem andern«203 getrunken haben. Der jüngere Bruder Ferdinand Karl war aufgrund seiner mangelnden Ausbildung und Interessen auch keine Option.204 Eine plötzliche Änderung der Thronfolge zu seinen Gunsten hätte zudem Fragen aufgeworfen und der Monarchie noch mehr geschadet.

      Zur gleichen Zeit sorgte bereits eine andere unebenbürtige Beziehung für genügend Aufregung: Erzherzogin Stephanie, die verwitwete Schwiegertochter von Franz Joseph, war eine unstandesgemäße Beziehung mit dem Grafen Lonyáy eingegangen und bat um die Heiratserlaubnis. Dem Kaiser soll laut seiner langjährigen Freundin Katharina Schratt das »Getratsch und Gerede« ganz unangenehm gewesen sein, sodass er erleichtert war, als mit seiner Genehmigung im März 1900 die Hochzeit stattfinden konnte und sich die Lage anschließend beruhigte.205 Wahrscheinlich erhoffte er sich eine ähnliche Beruhigung der Situation auch im Falle Franz Ferdinands. Der Erzherzog hat den Kaiser in regelmäßigen Abständen aufgesucht, um ihn immer wieder um die Heiratserlaubnis zu bitten.206

      Am 25. Juni 1900 erhielt der Thronfolger die Bewilligung des Kaisers, am 1. Juli zu heiraten. Als Trauungsort wurde das 400 km von Wien entfernte Schloss Reichstadt (Zákupy), der Witwensitz der Erzherzogin Maria Theresia, bestimmt. Die Hochzeit sollte als eine rein private Angelegenheit behandelt werden, sodass nur der engste Familienkreis eingeladen werden konnte. Franz Ferdinands Geschwister und andere Erzherzöge blieben der Feier fern. Als Vorwand sollte die angeordnete zwölftägige Trauer anlässlich des Todes der preußischen Fürstin Josephine von Hohenzollern dienen.

      Anwesend waren lediglich die Trauzeugen – Albert Graf Nostitz und Alois Prinz Löwenstein auf Seiten des Thronfolgers sowie die Grafen Karl und Wolfgang Chotek auf Seiten der Braut –, außerdem Franz Ferdinands Stiefmutter und Schlossherrin, Maria Theresia, mit ihren Töchtern, und die Schwestern von Sophie mit ihren Ehemännern. Während also die Trauung im kleinen Rahmen in der Schlosskapelle von Reichtsadt am 1. Juli 1900 vollzogen wurde, leistete der Thronfolger den Renuntiationseid in Form einer feierlichen öffentlichen Veranstaltung in Wien. Alle Erzherzöge, die höchsten Hofbeamten, die Minister, die geheimen Räte, der Kardinalbischof von Wien und andere Würdenträger nahmen daran teil. Am 28. Juni 1900 verzichtete Franz Ferdinand in der Geheimen Ratsstube, dem Thronsaal der Wiener Hofburg, für die »zu erhoffenden Kinder und deren Nachkommen« auf die Thronfolge.207 Da sie nicht zum Haus Habsburg gehören und den Namen der Mutter tragen würden, durften sie auch den Titel Österreich-Este nicht erben, sodass dieser sowie die Erbschaft Este an Ottos Sohn, Erzherzog Karl, den späteren Kaiser Karl I., übertragen wurden. Am Abend desselben Tages ging Erzherzog Franz Ferdinand zu Baron Beck, um ihm seinen besonderen Dank auszusprechen und ihn seiner Freundschaft bis ans Lebensende zu versichern. Dies sollte freilich nicht der Fall sein, wie Beck wenige Jahre später erfahren musste.208

      Am Tag ihrer Hochzeit erhob der Kaiser Gräfin Chotek in den erblichen Fürstenstand mit dem Namen Hohenberg. Dies bedeutete zwar eine deutliche Verbesserung ihrer Position, ersparte ihr aber keineswegs künftige Zurücksetzungen und Demütigungen, bedingt durch das spanische Hofzeremoniell, das am Wiener Hof streng eingehalten wurde. Sophie durfte beispielsweise nicht in der Hofburg wohnen, weder die Hoflogen der Theater noch die Hofequipagen benutzen, von den kaiserlichen Familiendiners blieb sie ausgeschlossen, und sobald Franz Ferdinand das Belvedere verließ, wurden die Wachen abgezogen. Im Oktober 1909 verlieh ihr Kaiser Franz Joseph die Herzogswürde und das Prädikat Hoheit, womit letztlich die maximale Stufe der Erhebung erreicht war.209

      Das Brautpaar verbrachte die Flitterwochen in Konopischt. Tausende von Telegrammen und Glückwunschkarten – auch von denjenigen, die sich ursprünglich gegen die Ehe ausgesprochen hatten – erreichten das glückliche Paar. Darunter befand sich auch ein Gratulationsschreiben des deutschen Botschafters Eulenburg: »Das Glück aber, daß Ew. Kaiserliche Hoheit gewonnen haben, kann nur wärmstes Mitgefühl und innige Wünsche bei denen erzeugen, welche Ew. Kaiserlichen Hoheit Wohl im Auge haben.«210 In seinem Antwortschreiben bezeichnete Franz Ferdinand seine Ehe als den »Inbegriff des Glückes«, den er erst nach »jahrelangem Ringen, nach schweren Kämpfen, nach Erduldung manch bitterer Stunde« genießen durfte.211 Diese Ehe sei »nicht nur die Befriedigung des innigsten Herzenwunsches, sondern auch eine Bürgschaft für jene dauernde innere Ruhe und Zufriedenheit […], welche ich für unentbehrliche Voraussetzung eines,